Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

ben, den Dotterhof nennen könnte. Im Fruchthofe nämlich ist das seröse Blatt,
im Gefässhofe das Gefässblatt und im Dotterhofe das Schleimblatt vorherrschend.

f. Erste An-
lage des Em-
bryo.

Bis über die Mitte des ersten Tages hat noch kein Theil des Embryo sich
zu bilden angefangen. Um die vierzehnte oder funfzehnte Stunde tritt das erste
Rudiment desselben auf. Dieses besteht keinesweges in den beiden Primitivfal-
ten Pander's, sondern in einem mittlern Streifen, der etwa 11/2 Linie lang ist,
und den ich Primitivstreifen nenne. Er ist der Vorläufer der Wirbelsäule und
g. Lage des
Embryo.
liegt in der Längenachse des durchsichtigen Fruchthofes. Die Längenachse des
Fruchthofes entspricht aber nicht der Längenachse des Eies, sondern der Quer-
achse desselben, und zwar liegt der Kopf des zukünftigen Embryo, der in dem
ersten dunklen Streifen schon durch ein etwas dickeres Ende angedeutet wird,
nach links, das Schwanzende nach rechts, wenn man das Ei in seiner Längen-
achse so vor sich stellt, dass das stumpfe Ende dem Beobachter zu- und das spitze
Ende abgekehrt ist, der Keim aber nach oben liegt. Hiernach ist die linke Seite
des Embryo nach dem stumpfen Ende des Eies gerichtet, die rechte nach dem
spitzen Ende. Indessen ist diese Lage nicht immer so bestimmt, dass die Län-
genachse des Embryo mit der Längenachse des Eies genau einen rechten Winkel
bildete, der Winkel weicht vielmehr so ab, dass die erstere bald auf der einen,
bald auf der andern Seite sich mehr der letztern nähert, so dass, freilich in sehr
seltenen Fällen, beide Achsen fast zusammenfallen können, wobei denn der Kopf
des Embryo bald dem stumpfen, bald dem spitzen Ende des Eies zugekehrt ist.
Nur einmal fand ich den Embryo umgekehrt liegen, so dass sein Kopf in der Hälfte
des Eies lag, in der das Schwanzende hätte liegen sollen. Dieses Ei war nach
dem spitzen Ende zu in seiner Schaale gebrochen. Es steht nämlich die Entwik-
kelung der Eier nicht gleich still, wenn die Schaale Brüche bekommt, obgleich
sie auch nie bedeutend vorzuschreiten scheint, so weit meine Erfahrungen reichen.

h. Grund
dieser Lage.

Diese Beobachtung scheint einen Wink über den nächsten Grund von der
Stellung des Embryo zu geben. Da nämlich die Luft immer am stumpfen Ende
des Eies eintritt, das nicht verbrauchte Eiweiss dagegen nach dem spitzen Ende
desselben allmählig getrieben wird, so scheinen sich stumpfes und spitzes Ende zu
einander zu verhalten, wie aufnehmender und ausscheidender Pol, und berück-
sichtigen wir die Lage des Eies während seiner Bildung, so erkennen wir, dass
es im Eileiter so liegt, dass das stumpfe Ende dem aufnehmenden und das spitze
Ende dem ausschneidenden Pole nicht nur des Organes, sondern des ganzen müt-
terlichen Körpers zugekehrt ist. Auf jeden Fall müssen die heterogenen Substan-
zen, die in der Längenachse des Eies hinter einander liegen, erregt durch Wärme,
einen dynamischen Prozess hervorbringen, der längs der Achse des Eies vor

ben, den Dotterhof nennen könnte. Im Fruchthofe nämlich ist das seröse Blatt,
im Gefäſshofe das Gefäſsblatt und im Dotterhofe das Schleimblatt vorherrschend.

f. Erste An-
lage des Em-
bryo.

Bis über die Mitte des ersten Tages hat noch kein Theil des Embryo sich
zu bilden angefangen. Um die vierzehnte oder funfzehnte Stunde tritt das erste
Rudiment desselben auf. Dieses besteht keinesweges in den beiden Primitivfal-
ten Pander’s, sondern in einem mittlern Streifen, der etwa 1½ Linie lang ist,
und den ich Primitivstreifen nenne. Er ist der Vorläufer der Wirbelsäule und
g. Lage des
Embryo.
liegt in der Längenachse des durchsichtigen Fruchthofes. Die Längenachse des
Fruchthofes entspricht aber nicht der Längenachse des Eies, sondern der Quer-
achse desselben, und zwar liegt der Kopf des zukünftigen Embryo, der in dem
ersten dunklen Streifen schon durch ein etwas dickeres Ende angedeutet wird,
nach links, das Schwanzende nach rechts, wenn man das Ei in seiner Längen-
achse so vor sich stellt, daſs das stumpfe Ende dem Beobachter zu- und das spitze
Ende abgekehrt ist, der Keim aber nach oben liegt. Hiernach ist die linke Seite
des Embryo nach dem stumpfen Ende des Eies gerichtet, die rechte nach dem
spitzen Ende. Indessen ist diese Lage nicht immer so bestimmt, daſs die Län-
genachse des Embryo mit der Längenachse des Eies genau einen rechten Winkel
bildete, der Winkel weicht vielmehr so ab, daſs die erstere bald auf der einen,
bald auf der andern Seite sich mehr der letztern nähert, so daſs, freilich in sehr
seltenen Fällen, beide Achsen fast zusammenfallen können, wobei denn der Kopf
des Embryo bald dem stumpfen, bald dem spitzen Ende des Eies zugekehrt ist.
Nur einmal fand ich den Embryo umgekehrt liegen, so daſs sein Kopf in der Hälfte
des Eies lag, in der das Schwanzende hätte liegen sollen. Dieses Ei war nach
dem spitzen Ende zu in seiner Schaale gebrochen. Es steht nämlich die Entwik-
kelung der Eier nicht gleich still, wenn die Schaale Brüche bekommt, obgleich
sie auch nie bedeutend vorzuschreiten scheint, so weit meine Erfahrungen reichen.

h. Grund
dieser Lage.

Diese Beobachtung scheint einen Wink über den nächsten Grund von der
Stellung des Embryo zu geben. Da nämlich die Luft immer am stumpfen Ende
des Eies eintritt, das nicht verbrauchte Eiweiſs dagegen nach dem spitzen Ende
desselben allmählig getrieben wird, so scheinen sich stumpfes und spitzes Ende zu
einander zu verhalten, wie aufnehmender und ausscheidender Pol, und berück-
sichtigen wir die Lage des Eies während seiner Bildung, so erkennen wir, daſs
es im Eileiter so liegt, daſs das stumpfe Ende dem aufnehmenden und das spitze
Ende dem ausschneidenden Pole nicht nur des Organes, sondern des ganzen müt-
terlichen Körpers zugekehrt ist. Auf jeden Fall müssen die heterogenen Substan-
zen, die in der Längenachse des Eies hinter einander liegen, erregt durch Wärme,
einen dynamischen Prozeſs hervorbringen, der längs der Achse des Eies vor

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0042" n="12"/>
ben, den <hi rendition="#i">Dotterhof</hi> nennen könnte. Im Fruchthofe nämlich ist das seröse Blatt,<lb/>
im Gefä&#x017F;shofe das Gefä&#x017F;sblatt und im Dotterhofe das Schleimblatt vorherrschend.</p><lb/>
            <note place="left"><hi rendition="#i">f.</hi> Erste An-<lb/>
lage des Em-<lb/>
bryo.</note>
            <p>Bis über die Mitte des ersten Tages hat noch kein Theil des Embryo sich<lb/>
zu bilden angefangen. Um die vierzehnte oder funfzehnte Stunde tritt das erste<lb/>
Rudiment desselben auf. Dieses besteht keinesweges in den beiden Primitivfal-<lb/>
ten <hi rendition="#g">Pander</hi>&#x2019;s, sondern in einem mittlern Streifen, der etwa 1½ Linie lang ist,<lb/>
und den ich <hi rendition="#i">Primitivstreifen</hi> nenne. Er ist der Vorläufer der Wirbelsäule und<lb/><note place="left"><hi rendition="#i">g.</hi> Lage des<lb/>
Embryo.</note>liegt in der Längenachse des durchsichtigen Fruchthofes. Die Längenachse des<lb/>
Fruchthofes entspricht aber nicht der Längenachse des Eies, sondern der Quer-<lb/>
achse desselben, und zwar liegt der Kopf des zukünftigen Embryo, der in dem<lb/>
ersten dunklen Streifen schon durch ein etwas dickeres Ende angedeutet wird,<lb/>
nach links, das Schwanzende nach rechts, wenn man das Ei in seiner Längen-<lb/>
achse so vor sich stellt, da&#x017F;s das stumpfe Ende dem Beobachter zu- und das spitze<lb/>
Ende abgekehrt ist, der Keim aber nach oben liegt. Hiernach ist die linke Seite<lb/>
des Embryo nach dem stumpfen Ende des Eies gerichtet, die rechte nach dem<lb/>
spitzen Ende. Indessen ist diese Lage nicht immer so bestimmt, da&#x017F;s die Län-<lb/>
genachse des Embryo mit der Längenachse des Eies genau einen rechten Winkel<lb/>
bildete, der Winkel weicht vielmehr so ab, da&#x017F;s die erstere bald auf der einen,<lb/>
bald auf der andern Seite sich mehr der letztern nähert, so da&#x017F;s, freilich in sehr<lb/>
seltenen Fällen, beide Achsen fast zusammenfallen können, wobei denn der Kopf<lb/>
des Embryo bald dem stumpfen, bald dem spitzen Ende des Eies zugekehrt ist.<lb/>
Nur einmal fand ich den Embryo umgekehrt liegen, so da&#x017F;s sein Kopf in <hi rendition="#i">der</hi> Hälfte<lb/>
des Eies lag, in der das Schwanzende hätte liegen sollen. Dieses Ei war nach<lb/>
dem spitzen Ende zu in seiner Schaale gebrochen. Es steht nämlich die Entwik-<lb/>
kelung der Eier nicht gleich still, wenn die Schaale Brüche bekommt, obgleich<lb/>
sie auch nie bedeutend vorzuschreiten scheint, so weit meine Erfahrungen reichen.</p><lb/>
            <note place="left"><hi rendition="#i">h.</hi> Grund<lb/>
dieser Lage.</note>
            <p>Diese Beobachtung scheint einen Wink über den nächsten Grund von der<lb/>
Stellung des Embryo zu geben. Da nämlich die Luft immer am stumpfen Ende<lb/>
des Eies eintritt, das nicht verbrauchte Eiwei&#x017F;s dagegen nach dem spitzen Ende<lb/>
desselben allmählig getrieben wird, so scheinen sich stumpfes und spitzes Ende zu<lb/>
einander zu verhalten, wie aufnehmender und ausscheidender Pol, und berück-<lb/>
sichtigen wir die Lage des Eies während seiner Bildung, so erkennen wir, da&#x017F;s<lb/>
es im Eileiter so liegt, da&#x017F;s das stumpfe Ende dem aufnehmenden und das spitze<lb/>
Ende dem ausschneidenden Pole nicht nur des Organes, sondern des ganzen müt-<lb/>
terlichen Körpers zugekehrt ist. Auf jeden Fall müssen die heterogenen Substan-<lb/>
zen, die in der Längenachse des Eies hinter einander liegen, erregt durch Wärme,<lb/>
einen dynamischen Proze&#x017F;s hervorbringen, der längs der Achse des Eies vor<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0042] ben, den Dotterhof nennen könnte. Im Fruchthofe nämlich ist das seröse Blatt, im Gefäſshofe das Gefäſsblatt und im Dotterhofe das Schleimblatt vorherrschend. Bis über die Mitte des ersten Tages hat noch kein Theil des Embryo sich zu bilden angefangen. Um die vierzehnte oder funfzehnte Stunde tritt das erste Rudiment desselben auf. Dieses besteht keinesweges in den beiden Primitivfal- ten Pander’s, sondern in einem mittlern Streifen, der etwa 1½ Linie lang ist, und den ich Primitivstreifen nenne. Er ist der Vorläufer der Wirbelsäule und liegt in der Längenachse des durchsichtigen Fruchthofes. Die Längenachse des Fruchthofes entspricht aber nicht der Längenachse des Eies, sondern der Quer- achse desselben, und zwar liegt der Kopf des zukünftigen Embryo, der in dem ersten dunklen Streifen schon durch ein etwas dickeres Ende angedeutet wird, nach links, das Schwanzende nach rechts, wenn man das Ei in seiner Längen- achse so vor sich stellt, daſs das stumpfe Ende dem Beobachter zu- und das spitze Ende abgekehrt ist, der Keim aber nach oben liegt. Hiernach ist die linke Seite des Embryo nach dem stumpfen Ende des Eies gerichtet, die rechte nach dem spitzen Ende. Indessen ist diese Lage nicht immer so bestimmt, daſs die Län- genachse des Embryo mit der Längenachse des Eies genau einen rechten Winkel bildete, der Winkel weicht vielmehr so ab, daſs die erstere bald auf der einen, bald auf der andern Seite sich mehr der letztern nähert, so daſs, freilich in sehr seltenen Fällen, beide Achsen fast zusammenfallen können, wobei denn der Kopf des Embryo bald dem stumpfen, bald dem spitzen Ende des Eies zugekehrt ist. Nur einmal fand ich den Embryo umgekehrt liegen, so daſs sein Kopf in der Hälfte des Eies lag, in der das Schwanzende hätte liegen sollen. Dieses Ei war nach dem spitzen Ende zu in seiner Schaale gebrochen. Es steht nämlich die Entwik- kelung der Eier nicht gleich still, wenn die Schaale Brüche bekommt, obgleich sie auch nie bedeutend vorzuschreiten scheint, so weit meine Erfahrungen reichen. g. Lage des Embryo. Diese Beobachtung scheint einen Wink über den nächsten Grund von der Stellung des Embryo zu geben. Da nämlich die Luft immer am stumpfen Ende des Eies eintritt, das nicht verbrauchte Eiweiſs dagegen nach dem spitzen Ende desselben allmählig getrieben wird, so scheinen sich stumpfes und spitzes Ende zu einander zu verhalten, wie aufnehmender und ausscheidender Pol, und berück- sichtigen wir die Lage des Eies während seiner Bildung, so erkennen wir, daſs es im Eileiter so liegt, daſs das stumpfe Ende dem aufnehmenden und das spitze Ende dem ausschneidenden Pole nicht nur des Organes, sondern des ganzen müt- terlichen Körpers zugekehrt ist. Auf jeden Fall müssen die heterogenen Substan- zen, die in der Längenachse des Eies hinter einander liegen, erregt durch Wärme, einen dynamischen Prozeſs hervorbringen, der längs der Achse des Eies vor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/42
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/42>, abgerufen am 16.04.2024.