theilung des Ohrs zu erreichen. Die Ohrblase (das häutige Labyrinth) wird von der Knochenmasse eng umschlossen. Diese Umschliessung ist das knöcherne La- byrinth. Für die Nase müssen wir das Analogon der Blase im Innern des Schädels suchen. Es ist die Spitze des Riechkolben oder der Bulbus olfactorius in den- jenigen Thieren, bei denen der Riechkolben zu einem Riechnerven wird. Dem Ohre wächst noch eine Ausstülpung aus der Rachenhöhle entgegen. Hieraus schon liesse sich vermuthen, dass der Thränengang auf ähnliche Weise sich bildet.
r. Zunge.
Ich habe nicht finden können, dass für die Bildung der Zunge sich ein Theil des Hirnes hervorstülpt. Vielmehr sah ich nur, dass die Zunge aus der untern Wand der Rachenhöhle sich allmählig erhob, wo die hinter der Mundspalte lie- genden untern Wirbelbogen (die Wiederholungen der Rippen) sich von den um- gebenden Kieferbogen lösen, um das Zungenbein zu bilden. Hiernach wäre die Zunge ihren organischen Verhältnissen nach wesentlich von den übrigen Sinnes- organen verschieden, wenn sich nicht nachweisen lässt, dass zu ihrer Bildung auch ein hohler Nerv beiträgt. Sollte sich vielleicht ein Ast des fünsten Nervenpaares aus dem Hirne hervorstülpen? Man darf wenigstens die Beobachter auf diese Frage aufmerksam machen. Ich vermuthe, dass sie mit "Nein" wird beantwortet wer- den, theils weil ich keine solche Ausstülpung finden konnte, theils weil der Ge- schmack nur eine Modification der allgemeinen Perceptionsfähigkeit des verdauen- den Kanals ist.
s. Verdau- ungsapparat überhaupt.
Von der Ausbildung des Verdauungsapparates ist schon bei Betrachtung der allgemeinen Formen der Umgestaltung so viel gesagt worden, dass ich auf das be- reits Vorgetragene mich berufen kann.
Ich erinnere, dass die untere, dem Dotter zugekehrte Fläche des Keimes allmählig die Natur einer Schleimhaut annimmt, dass durch das Zusammenneigen der Bauchplatten diese Schicht in der ganzen Länge des Embryo eine innere Röhre bilden würde, wenn die Darmplatten sich in Form einer Naht zusammen legten (§. 6. i. m.). So ist die Darmbildung aber nicht ganz, vielmehr schnürt sich der Embryo zugleich von allen Seiten von der übrigen Keimhaut ab, und zwar tritt diese Abschnürung am vordern Ende zuerst auf (§. 6. n.). Am vordern Ende also bekommt der Embryo zuerst eine untere Wand, und die Schleimhaut muss hier in Form einer blinden Grube die innere Fläche des Embryo bilden. Indem die Ab- schnürung weiter fortschreitet und zugleich der Embryo wächst, wird diese Grube länger ausgezogen und erhält die Form einer Röhre, die nach vorn geschlossen ist, nach hinten aber offen in das Innere der Dotterkugel übergeht. Bald bricht aber auch am vordern Ende eine Oeffnung unterhalb des Schädels durch. Diese Oeffnung ist die Mundspalte, so wie das ganze Rohr der vordere Theil des Speise-
theilung des Ohrs zu erreichen. Die Ohrblase (das häutige Labyrinth) wird von der Knochenmasse eng umschlossen. Diese Umschlieſsung ist das knöcherne La- byrinth. Für die Nase müssen wir das Analogon der Blase im Innern des Schädels suchen. Es ist die Spitze des Riechkolben oder der Bulbus olfactorius in den- jenigen Thieren, bei denen der Riechkolben zu einem Riechnerven wird. Dem Ohre wächst noch eine Ausstülpung aus der Rachenhöhle entgegen. Hieraus schon lieſse sich vermuthen, daſs der Thränengang auf ähnliche Weise sich bildet.
r. Zunge.
Ich habe nicht finden können, daſs für die Bildung der Zunge sich ein Theil des Hirnes hervorstülpt. Vielmehr sah ich nur, daſs die Zunge aus der untern Wand der Rachenhöhle sich allmählig erhob, wo die hinter der Mundspalte lie- genden untern Wirbelbogen (die Wiederholungen der Rippen) sich von den um- gebenden Kieferbogen lösen, um das Zungenbein zu bilden. Hiernach wäre die Zunge ihren organischen Verhältnissen nach wesentlich von den übrigen Sinnes- organen verschieden, wenn sich nicht nachweisen läſst, daſs zu ihrer Bildung auch ein hohler Nerv beiträgt. Sollte sich vielleicht ein Ast des fünſten Nervenpaares aus dem Hirne hervorstülpen? Man darf wenigstens die Beobachter auf diese Frage aufmerksam machen. Ich vermuthe, daſs sie mit „Nein“ wird beantwortet wer- den, theils weil ich keine solche Ausstülpung finden konnte, theils weil der Ge- schmack nur eine Modification der allgemeinen Perceptionsfähigkeit des verdauen- den Kanals ist.
s. Verdau- ungsapparat überhaupt.
Von der Ausbildung des Verdauungsapparates ist schon bei Betrachtung der allgemeinen Formen der Umgestaltung so viel gesagt worden, daſs ich auf das be- reits Vorgetragene mich berufen kann.
Ich erinnere, daſs die untere, dem Dotter zugekehrte Fläche des Keimes allmählig die Natur einer Schleimhaut annimmt, daſs durch das Zusammenneigen der Bauchplatten diese Schicht in der ganzen Länge des Embryo eine innere Röhre bilden würde, wenn die Darmplatten sich in Form einer Naht zusammen legten (§. 6. i. m.). So ist die Darmbildung aber nicht ganz, vielmehr schnürt sich der Embryo zugleich von allen Seiten von der übrigen Keimhaut ab, und zwar tritt diese Abschnürung am vordern Ende zuerst auf (§. 6. n.). Am vordern Ende also bekommt der Embryo zuerst eine untere Wand, und die Schleimhaut muſs hier in Form einer blinden Grube die innere Fläche des Embryo bilden. Indem die Ab- schnürung weiter fortschreitet und zugleich der Embryo wächst, wird diese Grube länger ausgezogen und erhält die Form einer Röhre, die nach vorn geschlossen ist, nach hinten aber offen in das Innere der Dotterkugel übergeht. Bald bricht aber auch am vordern Ende eine Oeffnung unterhalb des Schädels durch. Diese Oeffnung ist die Mundspalte, so wie das ganze Rohr der vordere Theil des Speise-
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theilung des Ohrs zu erreichen. Die Ohrblase (das häutige Labyrinth) wird von
der Knochenmasse eng umschlossen. Diese Umschlieſsung ist das knöcherne La-
byrinth. Für die Nase müssen wir das Analogon der Blase im Innern des Schädels
suchen. Es ist die Spitze des Riechkolben oder der Bulbus olfactorius in den-
jenigen Thieren, bei denen der Riechkolben zu einem Riechnerven wird. Dem
Ohre wächst noch eine Ausstülpung aus der Rachenhöhle entgegen. Hieraus schon
lieſse sich vermuthen, daſs der Thränengang auf ähnliche Weise sich bildet.
Ich habe nicht finden können, daſs für die Bildung der Zunge sich ein Theil
des Hirnes hervorstülpt. Vielmehr sah ich nur, daſs die Zunge aus der untern
Wand der Rachenhöhle sich allmählig erhob, wo die hinter der Mundspalte lie-
genden untern Wirbelbogen (die Wiederholungen der Rippen) sich von den um-
gebenden Kieferbogen lösen, um das Zungenbein zu bilden. Hiernach wäre die
Zunge ihren organischen Verhältnissen nach wesentlich von den übrigen Sinnes-
organen verschieden, wenn sich nicht nachweisen läſst, daſs zu ihrer Bildung auch
ein hohler Nerv beiträgt. Sollte sich vielleicht ein Ast des fünſten Nervenpaares
aus dem Hirne hervorstülpen? Man darf wenigstens die Beobachter auf diese Frage
aufmerksam machen. Ich vermuthe, daſs sie mit „Nein“ wird beantwortet wer-
den, theils weil ich keine solche Ausstülpung finden konnte, theils weil der Ge-
schmack nur eine Modification der allgemeinen Perceptionsfähigkeit des verdauen-
den Kanals ist.
Von der Ausbildung des Verdauungsapparates ist schon bei Betrachtung der
allgemeinen Formen der Umgestaltung so viel gesagt worden, daſs ich auf das be-
reits Vorgetragene mich berufen kann.
Ich erinnere, daſs die untere, dem Dotter zugekehrte Fläche des Keimes
allmählig die Natur einer Schleimhaut annimmt, daſs durch das Zusammenneigen
der Bauchplatten diese Schicht in der ganzen Länge des Embryo eine innere Röhre
bilden würde, wenn die Darmplatten sich in Form einer Naht zusammen legten
(§. 6. i. m.). So ist die Darmbildung aber nicht ganz, vielmehr schnürt sich der
Embryo zugleich von allen Seiten von der übrigen Keimhaut ab, und zwar tritt
diese Abschnürung am vordern Ende zuerst auf (§. 6. n.). Am vordern Ende also
bekommt der Embryo zuerst eine untere Wand, und die Schleimhaut muſs hier in
Form einer blinden Grube die innere Fläche des Embryo bilden. Indem die Ab-
schnürung weiter fortschreitet und zugleich der Embryo wächst, wird diese Grube
länger ausgezogen und erhält die Form einer Röhre, die nach vorn geschlossen
ist, nach hinten aber offen in das Innere der Dotterkugel übergeht. Bald bricht
aber auch am vordern Ende eine Oeffnung unterhalb des Schädels durch. Diese
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/128>, abgerufen am 16.02.2025.
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