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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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ben wir denn am dritten Tage drei Abtheilungen, einen Munddarm, einen viel
kürzern Afterdarm und zwischen beiden einen offenen Halbkanal, den man die
Darmrinne *) nennen kann **).

Aus der gegebenen Darstellung geht schon hervor, dass die beiden Eingänge
mit ihren obern Rändern unmittelbar in die Darmrinne übergehen müssen. Allein
da die Keimhaut überall weit über den Embryo hinausreicht, die ganze untere
Fläche der Keimhaut von der Schleimhautschicht gebildet wird, da ferner Mund-
darm und Afterdarm nur durch Abschnürung von dieser Haut geformt werden, so
ist es ganz offenbar, dass die Eingänge in die genannten Darmstücke nichts sind
als Uebergänge und dass ihre Wand sich von allen Seiten in die Schleimhautschicht
des gesammten Keimes fortsetzt. Der zunächst angrenzende Theil der Keimhaut
ist aber derjenige, der am dritten Tage und am Anfange des vierten die Kappe
(§. 5. n.), oder Wolff's falsches Amnion bildet. Man kann also auch sagen, dass
der Darm von allen Seiten in die Kappe übergeht.

Während aber die Darmbildung bis zu der beschriebenen Stufe ihrem Schlusse
sich nähert, hat sich die Keimhaut sehr vergrössert und umschliesst endlich den
ganzen Dotter. In dieser Form haben wir sie den Dottersack genannt. Die Ein-
gänge in die bereits gebildeten Darmstücke gehen also in den Dottersack über, und
wir hätten diesen Ausdruck gleich Anfangs gebrauchen können, statt zu sagen,
dass sie am dritten Tage in die Dotterkugel sich öffneten, wenn nicht allmählig,
ohne dass die Verhältnisse der Darmstücke darauf Einfluss gehabt hätten, der Dot-
tersack sich erst gebildet hätte.

Sie werden aber nun leicht ersehen, dass mit dem Fortschreiten der Abschnü-
rung beide Darmstücke sich gegen einander verlängern, ihre Eingänge sich nä-
hern und zuletzt nur einen einzigen Uebergang aus dem Darm in den Dottersack
bilden. Am Schluss des vierten Tages ist gewöhnlich noch ein kleiner Theil des
Darmes rinnenförmig gegen den Dottersack offen, am fünften Tage verwandelt
sich diese Rinne in eine rundliche Lücke. Es ist dieselbe, die wir schon den
Darmnabel (§. 5. m.) genannt haben. Nach dem fünften Tage zieht sie sich in
einen engen Kanal aus, der unter dem Namen Dottergang bekannter ist ***).

Dies wäre die Geschichte von der Bildung des Speisekanals als eines Ganzen.
Er wächst aus einem Munddarme und einem Afterdarme zusammen. Er wächst

aber
*) Wolff nennt das unvollendete Darmstück zwischen Munddarm und Afterdarm auch "Mittel-
darm
" (Intestinum medium.). Mit dem Ausdrucke Fistula intestinalis bezeichnet er
aber eine theils erwähnte, theils weiter unten zu besprechende Lücke zwischen beiden Gekrös-
platten.
**) Theil I. S. 44. 45. 46. 57.
***) Theil I. S. 46. 59. 69. 80.

ben wir denn am dritten Tage drei Abtheilungen, einen Munddarm, einen viel
kürzern Afterdarm und zwischen beiden einen offenen Halbkanal, den man die
Darmrinne *) nennen kann **).

Aus der gegebenen Darstellung geht schon hervor, daſs die beiden Eingänge
mit ihren obern Rändern unmittelbar in die Darmrinne übergehen müssen. Allein
da die Keimhaut überall weit über den Embryo hinausreicht, die ganze untere
Fläche der Keimhaut von der Schleimhautschicht gebildet wird, da ferner Mund-
darm und Afterdarm nur durch Abschnürung von dieser Haut geformt werden, so
ist es ganz offenbar, daſs die Eingänge in die genannten Darmstücke nichts sind
als Uebergänge und daſs ihre Wand sich von allen Seiten in die Schleimhautschicht
des gesammten Keimes fortsetzt. Der zunächst angrenzende Theil der Keimhaut
ist aber derjenige, der am dritten Tage und am Anfange des vierten die Kappe
(§. 5. n.), oder Wolff’s falsches Amnion bildet. Man kann also auch sagen, daſs
der Darm von allen Seiten in die Kappe übergeht.

Während aber die Darmbildung bis zu der beschriebenen Stufe ihrem Schlusse
sich nähert, hat sich die Keimhaut sehr vergröſsert und umschlieſst endlich den
ganzen Dotter. In dieser Form haben wir sie den Dottersack genannt. Die Ein-
gänge in die bereits gebildeten Darmstücke gehen also in den Dottersack über, und
wir hätten diesen Ausdruck gleich Anfangs gebrauchen können, statt zu sagen,
daſs sie am dritten Tage in die Dotterkugel sich öffneten, wenn nicht allmählig,
ohne daſs die Verhältnisse der Darmstücke darauf Einfluſs gehabt hätten, der Dot-
tersack sich erst gebildet hätte.

Sie werden aber nun leicht ersehen, daſs mit dem Fortschreiten der Abschnü-
rung beide Darmstücke sich gegen einander verlängern, ihre Eingänge sich nä-
hern und zuletzt nur einen einzigen Uebergang aus dem Darm in den Dottersack
bilden. Am Schluſs des vierten Tages ist gewöhnlich noch ein kleiner Theil des
Darmes rinnenförmig gegen den Dottersack offen, am fünften Tage verwandelt
sich diese Rinne in eine rundliche Lücke. Es ist dieselbe, die wir schon den
Darmnabel (§. 5. m.) genannt haben. Nach dem fünften Tage zieht sie sich in
einen engen Kanal aus, der unter dem Namen Dottergang bekannter ist ***).

Dies wäre die Geschichte von der Bildung des Speisekanals als eines Ganzen.
Er wächst aus einem Munddarme und einem Afterdarme zusammen. Er wächst

aber
*) Wolff nennt das unvollendete Darmstück zwischen Munddarm und Afterdarm auch „Mittel-
darm
“ (Intestinum medium.). Mit dem Ausdrucke Fistula intestinalis bezeichnet er
aber eine theils erwähnte, theils weiter unten zu besprechende Lücke zwischen beiden Gekrös-
platten.
**) Theil I. S. 44. 45. 46. 57.
***) Theil I. S. 46. 59. 69. 80.
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[120/0130] ben wir denn am dritten Tage drei Abtheilungen, einen Munddarm, einen viel kürzern Afterdarm und zwischen beiden einen offenen Halbkanal, den man die Darmrinne *) nennen kann **). Aus der gegebenen Darstellung geht schon hervor, daſs die beiden Eingänge mit ihren obern Rändern unmittelbar in die Darmrinne übergehen müssen. Allein da die Keimhaut überall weit über den Embryo hinausreicht, die ganze untere Fläche der Keimhaut von der Schleimhautschicht gebildet wird, da ferner Mund- darm und Afterdarm nur durch Abschnürung von dieser Haut geformt werden, so ist es ganz offenbar, daſs die Eingänge in die genannten Darmstücke nichts sind als Uebergänge und daſs ihre Wand sich von allen Seiten in die Schleimhautschicht des gesammten Keimes fortsetzt. Der zunächst angrenzende Theil der Keimhaut ist aber derjenige, der am dritten Tage und am Anfange des vierten die Kappe (§. 5. n.), oder Wolff’s falsches Amnion bildet. Man kann also auch sagen, daſs der Darm von allen Seiten in die Kappe übergeht. Während aber die Darmbildung bis zu der beschriebenen Stufe ihrem Schlusse sich nähert, hat sich die Keimhaut sehr vergröſsert und umschlieſst endlich den ganzen Dotter. In dieser Form haben wir sie den Dottersack genannt. Die Ein- gänge in die bereits gebildeten Darmstücke gehen also in den Dottersack über, und wir hätten diesen Ausdruck gleich Anfangs gebrauchen können, statt zu sagen, daſs sie am dritten Tage in die Dotterkugel sich öffneten, wenn nicht allmählig, ohne daſs die Verhältnisse der Darmstücke darauf Einfluſs gehabt hätten, der Dot- tersack sich erst gebildet hätte. Sie werden aber nun leicht ersehen, daſs mit dem Fortschreiten der Abschnü- rung beide Darmstücke sich gegen einander verlängern, ihre Eingänge sich nä- hern und zuletzt nur einen einzigen Uebergang aus dem Darm in den Dottersack bilden. Am Schluſs des vierten Tages ist gewöhnlich noch ein kleiner Theil des Darmes rinnenförmig gegen den Dottersack offen, am fünften Tage verwandelt sich diese Rinne in eine rundliche Lücke. Es ist dieselbe, die wir schon den Darmnabel (§. 5. m.) genannt haben. Nach dem fünften Tage zieht sie sich in einen engen Kanal aus, der unter dem Namen Dottergang bekannter ist ***). Dies wäre die Geschichte von der Bildung des Speisekanals als eines Ganzen. Er wächst aus einem Munddarme und einem Afterdarme zusammen. Er wächst aber *) Wolff nennt das unvollendete Darmstück zwischen Munddarm und Afterdarm auch „Mittel- darm“ (Intestinum medium.). Mit dem Ausdrucke Fistula intestinalis bezeichnet er aber eine theils erwähnte, theils weiter unten zu besprechende Lücke zwischen beiden Gekrös- platten. **) Theil I. S. 44. 45. 46. 57. ***) Theil I. S. 46. 59. 69. 80.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/130>, abgerufen am 24.11.2024.