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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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aber auch in seitlicher Hinsicht aus zweien Darmplatten zusammen, denn mit Aus-
nahme der beiden äussersten Enden sondert sich immer beim Vorrücken beider
Eingänge der ihnen benachbarte Theil des vegetativen Blattes, der zum Darme
werden soll, in zwei wie Hohlkehlen gekrümmte Darmplatten ab, so dass ich
glaube in den einleitenden Bemerkungen das Verhältniss bezeichnend angegeben
zu haben, indem ich sagte, dass zwei Darmplatten sich gegen einander neigen um
den Darm zu bilden, dass diese aber nicht wirklich in einer scharf ausgebildeten
Naht mit einander verwachsen, sondern dass eine allseitige Abschnürung den
Uebergang in den Dottersack verengt (§. 5. m. n.). Sie werden sich dabei erin-
nern, dass die Darmplatten nicht etwas ganz Neues und Isolirtes sind, nicht wie
Sie wohl hie und da aus Missverständniss angegeben finden, zwei Platten, die aus
der Wirbelsäule herauswachsen, sondern selbstständiger werdende Theile des ve-
getativen Blattes, das von Anfang an da war *).

Oken hat diese Darstellung der Darmbildung getadelt, und er glaubt, man
müsse den Vorgang so ansehen, als ob beide Darmenden in den Embryo hinein-
wüchsen. Allein abgesehen davon, dass überhaupt der Embryo nicht aus aller-
lei Einzelheiten zusammengesetzt wird, sondern diese aus seiner Einheit entwik-
kelt, mache ich besonders darauf aufmerksam, dass das vordere und hintere Ende
des Darmes schon ursprünglich den entsprechenden Stellen des Embryo anhaften

*) Wolff hat zuerst diese Entwickelungsweise erkannt und vollständig aus einander gesetzt in der
grössten Meisterarbeit, die wir ans dem Felde der beobachtenden Naturwissenschaften kennen,
in seiner Abhandlung: De formatione intestinorum. Sie findet sich im 12ten und 18ten
Bande der Novi Commentarii Acad. Petropolitanae. Meckel hat diese Arbeit über-
setzt und als ein besonderes Buch unter dem Titel: C. F. Wolff über die Bildung des Darm-
kanals im bebrüteten Hühnchen. Halle
1812. 8. begleitet mit einer Vorrede, welche die Ueberein-
stimmung in der Entwickelung der Säugethiere und Vögel untersucht, herausgegeben. Auf dieses
Buch verweise ich hiermit zur weitern Belehrung über die Entwickelung des Darmes nicht nur,
sondern der frühern Entwickelungsgeschichte überhaupt. Fast alles, was in dieser Darstellung
mir nicht richtig scheint, habe ich besonders bemerkt, um Missverständnisse zu vermeiden. Ein
ungünstiges Geschick hat es gewollt, dass gerade die Hauptsache in diesem Buche, die Ent-
deckung von der Bildungsweise des Darmes, von Physiologen meistens missverstanden ist. Man
hat Wolff die Ansicht untergelegt, dass aus der Wirbelsäule die beiden Darmplatten heraus-
wüchsen und sich an einander legten. Wolff sagt aber an sehr vielen Stellen mit den bestimm-
testen Ausdrücken, dass die Darmplatten Theile seines Amnion spurium sind. Sein Amnion spu-
r[ium]
ist aber unsere Kappe, ein Abschnitt des vegetativen Blattes der Keimhaut. In dem gan-
zen Werke finde ich nur eine einzige Stelle, welche zu einem Missverständniss allenfalls hätte
Veranlassung geben können, welche aber durch so viele andere Stellen ihre Erläuterung erhält.
Ich mag diese einzelnen Stellen hier nicht anführen, da ich mir vorbehalte. auf eine Kritik des
ersten Theiles von diesem Werke, die sich in der Isis v. J. 1829 findet, zu antworten, um Wolff
von der gemachten Anschuldigung zu befreien, und ich bei Abfassung des vorliegenden Manu-
scriptes noch nicht weiss, ob ich die Antwort meinem Buche selbst anhänge, oder in die Isis
rücken lasse.
II. Q

aber auch in seitlicher Hinsicht aus zweien Darmplatten zusammen, denn mit Aus-
nahme der beiden äuſsersten Enden sondert sich immer beim Vorrücken beider
Eingänge der ihnen benachbarte Theil des vegetativen Blattes, der zum Darme
werden soll, in zwei wie Hohlkehlen gekrümmte Darmplatten ab, so daſs ich
glaube in den einleitenden Bemerkungen das Verhältniſs bezeichnend angegeben
zu haben, indem ich sagte, daſs zwei Darmplatten sich gegen einander neigen um
den Darm zu bilden, daſs diese aber nicht wirklich in einer scharf ausgebildeten
Naht mit einander verwachsen, sondern daſs eine allseitige Abschnürung den
Uebergang in den Dottersack verengt (§. 5. m. n.). Sie werden sich dabei erin-
nern, daſs die Darmplatten nicht etwas ganz Neues und Isolirtes sind, nicht wie
Sie wohl hie und da aus Miſsverständniſs angegeben finden, zwei Platten, die aus
der Wirbelsäule herauswachsen, sondern selbstständiger werdende Theile des ve-
getativen Blattes, das von Anfang an da war *).

Oken hat diese Darstellung der Darmbildung getadelt, und er glaubt, man
müsse den Vorgang so ansehen, als ob beide Darmenden in den Embryo hinein-
wüchsen. Allein abgesehen davon, daſs überhaupt der Embryo nicht aus aller-
lei Einzelheiten zusammengesetzt wird, sondern diese aus seiner Einheit entwik-
kelt, mache ich besonders darauf aufmerksam, daſs das vordere und hintere Ende
des Darmes schon ursprünglich den entsprechenden Stellen des Embryo anhaften

*) Wolff hat zuerst diese Entwickelungsweise erkannt und vollständig aus einander gesetzt in der
gröſsten Meisterarbeit, die wir ans dem Felde der beobachtenden Naturwissenschaften kennen,
in seiner Abhandlung: De formatione intestinorum. Sie findet sich im 12ten und 18ten
Bande der Novi Commentarii Acad. Petropolitanae. Meckel hat diese Arbeit über-
setzt und als ein besonderes Buch unter dem Titel: C. F. Wolff über die Bildung des Darm-
kanals im bebrüteten Hühnchen. Halle
1812. 8. begleitet mit einer Vorrede, welche die Ueberein-
stimmung in der Entwickelung der Säugethiere und Vögel untersucht, herausgegeben. Auf dieses
Buch verweise ich hiermit zur weitern Belehrung über die Entwickelung des Darmes nicht nur,
sondern der frühern Entwickelungsgeschichte überhaupt. Fast alles, was in dieser Darstellung
mir nicht richtig scheint, habe ich besonders bemerkt, um Miſsverständnisse zu vermeiden. Ein
ungünstiges Geschick hat es gewollt, daſs gerade die Hauptsache in diesem Buche, die Ent-
deckung von der Bildungsweise des Darmes, von Physiologen meistens miſsverstanden ist. Man
hat Wolff die Ansicht untergelegt, daſs aus der Wirbelsäule die beiden Darmplatten heraus-
wüchsen und sich an einander legten. Wolff sagt aber an sehr vielen Stellen mit den bestimm-
testen Ausdrücken, daſs die Darmplatten Theile seines Amnion spurium sind. Sein Amnion spu-
r[ium]
ist aber unsere Kappe, ein Abschnitt des vegetativen Blattes der Keimhaut. In dem gan-
zen Werke finde ich nur eine einzige Stelle, welche zu einem Miſsverständniſs allenfalls hätte
Veranlassung geben können, welche aber durch so viele andere Stellen ihre Erläuterung erhält.
Ich mag diese einzelnen Stellen hier nicht anführen, da ich mir vorbehalte. auf eine Kritik des
ersten Theiles von diesem Werke, die sich in der Isis v. J. 1829 findet, zu antworten, um Wolff
von der gemachten Anschuldigung zu befreien, und ich bei Abfassung des vorliegenden Manu-
scriptes noch nicht weiſs, ob ich die Antwort meinem Buche selbst anhänge, oder in die Isis
rücken lasse.
II. Q
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[121/0131] aber auch in seitlicher Hinsicht aus zweien Darmplatten zusammen, denn mit Aus- nahme der beiden äuſsersten Enden sondert sich immer beim Vorrücken beider Eingänge der ihnen benachbarte Theil des vegetativen Blattes, der zum Darme werden soll, in zwei wie Hohlkehlen gekrümmte Darmplatten ab, so daſs ich glaube in den einleitenden Bemerkungen das Verhältniſs bezeichnend angegeben zu haben, indem ich sagte, daſs zwei Darmplatten sich gegen einander neigen um den Darm zu bilden, daſs diese aber nicht wirklich in einer scharf ausgebildeten Naht mit einander verwachsen, sondern daſs eine allseitige Abschnürung den Uebergang in den Dottersack verengt (§. 5. m. n.). Sie werden sich dabei erin- nern, daſs die Darmplatten nicht etwas ganz Neues und Isolirtes sind, nicht wie Sie wohl hie und da aus Miſsverständniſs angegeben finden, zwei Platten, die aus der Wirbelsäule herauswachsen, sondern selbstständiger werdende Theile des ve- getativen Blattes, das von Anfang an da war *). Oken hat diese Darstellung der Darmbildung getadelt, und er glaubt, man müsse den Vorgang so ansehen, als ob beide Darmenden in den Embryo hinein- wüchsen. Allein abgesehen davon, daſs überhaupt der Embryo nicht aus aller- lei Einzelheiten zusammengesetzt wird, sondern diese aus seiner Einheit entwik- kelt, mache ich besonders darauf aufmerksam, daſs das vordere und hintere Ende des Darmes schon ursprünglich den entsprechenden Stellen des Embryo anhaften *) Wolff hat zuerst diese Entwickelungsweise erkannt und vollständig aus einander gesetzt in der gröſsten Meisterarbeit, die wir ans dem Felde der beobachtenden Naturwissenschaften kennen, in seiner Abhandlung: De formatione intestinorum. Sie findet sich im 12ten und 18ten Bande der Novi Commentarii Acad. Petropolitanae. Meckel hat diese Arbeit über- setzt und als ein besonderes Buch unter dem Titel: C. F. Wolff über die Bildung des Darm- kanals im bebrüteten Hühnchen. Halle 1812. 8. begleitet mit einer Vorrede, welche die Ueberein- stimmung in der Entwickelung der Säugethiere und Vögel untersucht, herausgegeben. Auf dieses Buch verweise ich hiermit zur weitern Belehrung über die Entwickelung des Darmes nicht nur, sondern der frühern Entwickelungsgeschichte überhaupt. Fast alles, was in dieser Darstellung mir nicht richtig scheint, habe ich besonders bemerkt, um Miſsverständnisse zu vermeiden. Ein ungünstiges Geschick hat es gewollt, daſs gerade die Hauptsache in diesem Buche, die Ent- deckung von der Bildungsweise des Darmes, von Physiologen meistens miſsverstanden ist. Man hat Wolff die Ansicht untergelegt, daſs aus der Wirbelsäule die beiden Darmplatten heraus- wüchsen und sich an einander legten. Wolff sagt aber an sehr vielen Stellen mit den bestimm- testen Ausdrücken, daſs die Darmplatten Theile seines Amnion spurium sind. Sein Amnion spu- rium ist aber unsere Kappe, ein Abschnitt des vegetativen Blattes der Keimhaut. In dem gan- zen Werke finde ich nur eine einzige Stelle, welche zu einem Miſsverständniſs allenfalls hätte Veranlassung geben können, welche aber durch so viele andere Stellen ihre Erläuterung erhält. Ich mag diese einzelnen Stellen hier nicht anführen, da ich mir vorbehalte. auf eine Kritik des ersten Theiles von diesem Werke, die sich in der Isis v. J. 1829 findet, zu antworten, um Wolff von der gemachten Anschuldigung zu befreien, und ich bei Abfassung des vorliegenden Manu- scriptes noch nicht weiſs, ob ich die Antwort meinem Buche selbst anhänge, oder in die Isis rücken lasse. II. Q

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/131>, abgerufen am 24.11.2024.