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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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sind zuvörderst ganz ohne Blut und völlig durchsichtig. Jeder Zapfen stösst
nämlich seinen Ueberzug in Form eines kleinen Schüppchens ab. So erscheint
der dunkle Ueberzug dann nur als ein Gitterwerk zwischen der Basis sämmtli-
cher Zapfen. Bald verliert er sich auch hier.

Unterdessen wächst der Harnsack heran und es kommt Blut an die äussere
Eihaut. Allein ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, dass auch in den
Zapfen sich Blut bildet. Man sieht nämlich in ihnen, nachdem sie sich ein we-
nig erhoben haben, wobei sie etwas breiter werden, einen schönen rosenrothen
Bogen dicht unter der Oberfläche. Dieser Bogen wird dann breiter, besonders
in der Mitte, und glückliche Injectionen von den Blutgefässen des Embryo errei-
chen ihn jetzt. Allein die mikroskopische Untersuchung sowohl mit als ohne
Injection lehrt, dass hier nicht bloss ein gleichweiter Kanal, sondern ein grösserer
Raum mit Blut angefüllt ist, gleichsam ein Blutsee. Die Wände dieses Rau-
mes sind nicht glatt und gleichmässig, sondern von sehr unregelmässigem, höck-
rigem Bildungsgewebe geformt, so dass man kein deutlicheres Bild von einem
in Auflösung begriffenen Gewebe haben kann. Jetzt fängt jede Zotte an sich in
mehrere Spitzen zu theilen, und dieser Blutsee löst sich nun in einzelne Gefäss-
bogen auf, die durch Stämmchen mit den übrigen Gefässen des Eies verbunden
sind. Die Theilung schreitet sehr rasch vorwärts und bald ist sie für jede Zotte
ausserordentlich gross, so wie das Blutgefässnetz nicht nur für jede Zotte, sondern
für jedes einzelne Spitzchen derselben ausserordentlich zunimmt. Aus einer gro-
ssen Anzahl solcher Zotten besteht aber der Cotyledo, weshalb trotz der verein-
zelten Cotyledonen die zur Athmung dienenden Gefässnetze in den Wiederkäuern
eine ungeheure Ausdehnung haben. Dabei ist es auffallend, wie dicht unter der
Grenze die Gefässnetze verlaufen und wie nahe sie also den Gefässnetzen der müt-
terlichen Cotyledonen sind, ohne mit ihnen zu verschmelzen.

In diesen nimmt nämlich der Blutreichthum und die Vertheilung des Blutes
in demselben Maasse zu, und diese starken mütterlichen Gefässnetze umkleiden
nicht nur die verästelten Gruben des mütterlichen Cotyledo, welche die Zotten
des Fruchtkuchens aufnehmen, sondern liegen auch zwischen den Eingängen in
die Gruben ganz oberflächlich auf, in einem Stoffe, welcher nicht fest mit der
Substanz des mütterlichen Cotyledo verwachsen ist, aber, wie ich glaube, all-
mählig mit ihr verwächst, wobei sich immer neuer Stoff auflagert.

So scheinen also auch in den Wiederkäuern die mütterlichen Cotyledonen
durch Anwuchs neuer Masse und nicht bloss durch inneres Wachsthum der ur-
sprünglich gebildeten Theile sich zu vergrössern, wie bei Raubthieren und noch
deutlicher beim Menschen es offenbar ist.

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sind zuvörderst ganz ohne Blut und völlig durchsichtig. Jeder Zapfen stöſst
nämlich seinen Ueberzug in Form eines kleinen Schüppchens ab. So erscheint
der dunkle Ueberzug dann nur als ein Gitterwerk zwischen der Basis sämmtli-
cher Zapfen. Bald verliert er sich auch hier.

Unterdessen wächst der Harnsack heran und es kommt Blut an die äuſsere
Eihaut. Allein ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, daſs auch in den
Zapfen sich Blut bildet. Man sieht nämlich in ihnen, nachdem sie sich ein we-
nig erhoben haben, wobei sie etwas breiter werden, einen schönen rosenrothen
Bogen dicht unter der Oberfläche. Dieser Bogen wird dann breiter, besonders
in der Mitte, und glückliche Injectionen von den Blutgefäſsen des Embryo errei-
chen ihn jetzt. Allein die mikroskopische Untersuchung sowohl mit als ohne
Injection lehrt, daſs hier nicht bloſs ein gleichweiter Kanal, sondern ein gröſserer
Raum mit Blut angefüllt ist, gleichsam ein Blutsee. Die Wände dieses Rau-
mes sind nicht glatt und gleichmäſsig, sondern von sehr unregelmäſsigem, höck-
rigem Bildungsgewebe geformt, so daſs man kein deutlicheres Bild von einem
in Auflösung begriffenen Gewebe haben kann. Jetzt fängt jede Zotte an sich in
mehrere Spitzen zu theilen, und dieser Blutsee löst sich nun in einzelne Gefäſs-
bogen auf, die durch Stämmchen mit den übrigen Gefäſsen des Eies verbunden
sind. Die Theilung schreitet sehr rasch vorwärts und bald ist sie für jede Zotte
auſserordentlich groſs, so wie das Blutgefäſsnetz nicht nur für jede Zotte, sondern
für jedes einzelne Spitzchen derselben auſserordentlich zunimmt. Aus einer gro-
ſsen Anzahl solcher Zotten besteht aber der Cotyledo, weshalb trotz der verein-
zelten Cotyledonen die zur Athmung dienenden Gefäſsnetze in den Wiederkäuern
eine ungeheure Ausdehnung haben. Dabei ist es auffallend, wie dicht unter der
Grenze die Gefäſsnetze verlaufen und wie nahe sie also den Gefäſsnetzen der müt-
terlichen Cotyledonen sind, ohne mit ihnen zu verschmelzen.

In diesen nimmt nämlich der Blutreichthum und die Vertheilung des Blutes
in demselben Maaſse zu, und diese starken mütterlichen Gefäſsnetze umkleiden
nicht nur die verästelten Gruben des mütterlichen Cotyledo, welche die Zotten
des Fruchtkuchens aufnehmen, sondern liegen auch zwischen den Eingängen in
die Gruben ganz oberflächlich auf, in einem Stoffe, welcher nicht fest mit der
Substanz des mütterlichen Cotyledo verwachsen ist, aber, wie ich glaube, all-
mählig mit ihr verwächst, wobei sich immer neuer Stoff auflagert.

So scheinen also auch in den Wiederkäuern die mütterlichen Cotyledonen
durch Anwuchs neuer Masse und nicht bloſs durch inneres Wachsthum der ur-
sprünglich gebildeten Theile sich zu vergröſsern, wie bei Raubthieren und noch
deutlicher beim Menschen es offenbar ist.

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[259/0269] sind zuvörderst ganz ohne Blut und völlig durchsichtig. Jeder Zapfen stöſst nämlich seinen Ueberzug in Form eines kleinen Schüppchens ab. So erscheint der dunkle Ueberzug dann nur als ein Gitterwerk zwischen der Basis sämmtli- cher Zapfen. Bald verliert er sich auch hier. Unterdessen wächst der Harnsack heran und es kommt Blut an die äuſsere Eihaut. Allein ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, daſs auch in den Zapfen sich Blut bildet. Man sieht nämlich in ihnen, nachdem sie sich ein we- nig erhoben haben, wobei sie etwas breiter werden, einen schönen rosenrothen Bogen dicht unter der Oberfläche. Dieser Bogen wird dann breiter, besonders in der Mitte, und glückliche Injectionen von den Blutgefäſsen des Embryo errei- chen ihn jetzt. Allein die mikroskopische Untersuchung sowohl mit als ohne Injection lehrt, daſs hier nicht bloſs ein gleichweiter Kanal, sondern ein gröſserer Raum mit Blut angefüllt ist, gleichsam ein Blutsee. Die Wände dieses Rau- mes sind nicht glatt und gleichmäſsig, sondern von sehr unregelmäſsigem, höck- rigem Bildungsgewebe geformt, so daſs man kein deutlicheres Bild von einem in Auflösung begriffenen Gewebe haben kann. Jetzt fängt jede Zotte an sich in mehrere Spitzen zu theilen, und dieser Blutsee löst sich nun in einzelne Gefäſs- bogen auf, die durch Stämmchen mit den übrigen Gefäſsen des Eies verbunden sind. Die Theilung schreitet sehr rasch vorwärts und bald ist sie für jede Zotte auſserordentlich groſs, so wie das Blutgefäſsnetz nicht nur für jede Zotte, sondern für jedes einzelne Spitzchen derselben auſserordentlich zunimmt. Aus einer gro- ſsen Anzahl solcher Zotten besteht aber der Cotyledo, weshalb trotz der verein- zelten Cotyledonen die zur Athmung dienenden Gefäſsnetze in den Wiederkäuern eine ungeheure Ausdehnung haben. Dabei ist es auffallend, wie dicht unter der Grenze die Gefäſsnetze verlaufen und wie nahe sie also den Gefäſsnetzen der müt- terlichen Cotyledonen sind, ohne mit ihnen zu verschmelzen. In diesen nimmt nämlich der Blutreichthum und die Vertheilung des Blutes in demselben Maaſse zu, und diese starken mütterlichen Gefäſsnetze umkleiden nicht nur die verästelten Gruben des mütterlichen Cotyledo, welche die Zotten des Fruchtkuchens aufnehmen, sondern liegen auch zwischen den Eingängen in die Gruben ganz oberflächlich auf, in einem Stoffe, welcher nicht fest mit der Substanz des mütterlichen Cotyledo verwachsen ist, aber, wie ich glaube, all- mählig mit ihr verwächst, wobei sich immer neuer Stoff auflagert. So scheinen also auch in den Wiederkäuern die mütterlichen Cotyledonen durch Anwuchs neuer Masse und nicht bloſs durch inneres Wachsthum der ur- sprünglich gebildeten Theile sich zu vergröſsern, wie bei Raubthieren und noch deutlicher beim Menschen es offenbar ist. K k 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/269>, abgerufen am 22.11.2024.