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Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912].

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Wahlrecht zu verweigern. - Übrigens haben die Tatsachen ihn schon
widerlegt. Denn die Rechtsparteien sind eifrig an der politischen
Schulung ihrer Frauen.

Gerade diese Potthoff`sche Flugschrift ist eigentlich nur ein heißes
Werben seiner Partei - der Männer-Partei - um die Frauenstimmen.
Sie ist der beste Beweis, daß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht,
solange er diesen Paragraphen enthält, nur ein Verband für liberales
Frauenstimmrecht genannt werden kann. Denn alles, was irgendwie
weiter rechts steht, kann dem Deutschen Verbande nicht beitreten, solange
er dies Wahlrecht fordert.

Aber auch die im Schluß des ersten Absatzes von § 3 ausgesprochene
Behauptung "der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten
Richtung der Frauenbewegung
" ist falsch und unlogisch, solange
der zweite Absatz besteht, denn er enthält eine Forderung, die auch nur
den Anschauungen des linken Flügels der Frauenbewegung entspricht.
Es wird also gerade eine bestimmte Richtung, nämlich die fortschrittliche,
betont. Also auch hier finden wir denselben Widerspruch zwischen
Vorder- und Nachsatz.

Noch unlogischer aber mutet dieser Nachsatz an, seitdem in Hamburg
an Stelle der Worte "für beide Geschlechter"", "für Frauen" gesetzt
wurde, sodaß der Nachsatz jetzt lautet: "Der Verband erstrebt das all-
gemeine, gleiche, direkte und geheime, aktive sowie das passive Wahlrecht
für Frauen zu den gesetzgebenden Körperschaften und den Organen
der Selbstverwaltung." Diese Änderung wurde hineingebracht, weil die
Anhängerinnen dieses § 3 glaubten, damit den partei politischen Charakter
des Paragraphen zu beseitigen, ohne zu bedenken, daß eine Forderung
an und für sich parteipolitisch ist, und daß es einerlei ist, für wen
man etwas fordert; in diesem Falle ob für beide Geschlechter oder nur
für die Frauen. An dem parteipolitischen Charakter hat sich also nichts
geändert, es ist nichts dadurch verbessert worden, sondern man hat ihn
im Gegenteil nur verschlechtert, indem man nun gar für die Frauen
etwas ganz besonderes fordert, nämlich ein "Mehr" an Rechten, wie wir
vorhin sahen, und da muß man sich doch fragen: Sind wir wirklich
berechtigt, für die Frauen ein Wahlrecht zu fordern, das die Männer
noch nicht, wenigstens noch nicht für die Stadt-Parlamente und in
mehreren Staaten auch noch nicht für die Landtage, fürs Abgeordneten-
haus usw. besitzen.

Wir fordern das Stimmrecht für die Frauen auf Grund ihrer
jahrtausendelang erfüllten Hausfrauen- und Mutter-Pflichten, durch die
sie für den Staat wichtige, unersetzliche Werte schaffen - wir fordern es auf

Wahlrecht zu verweigern. – Übrigens haben die Tatsachen ihn schon
widerlegt. Denn die Rechtsparteien sind eifrig an der politischen
Schulung ihrer Frauen.

Gerade diese Potthoff`sche Flugschrift ist eigentlich nur ein heißes
Werben seiner Partei – der Männer-Partei – um die Frauenstimmen.
Sie ist der beste Beweis, daß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht,
solange er diesen Paragraphen enthält, nur ein Verband für liberales
Frauenstimmrecht genannt werden kann. Denn alles, was irgendwie
weiter rechts steht, kann dem Deutschen Verbande nicht beitreten, solange
er dies Wahlrecht fordert.

Aber auch die im Schluß des ersten Absatzes von § 3 ausgesprochene
Behauptung „der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten
Richtung der Frauenbewegung
“ ist falsch und unlogisch, solange
der zweite Absatz besteht, denn er enthält eine Forderung, die auch nur
den Anschauungen des linken Flügels der Frauenbewegung entspricht.
Es wird also gerade eine bestimmte Richtung, nämlich die fortschrittliche,
betont. Also auch hier finden wir denselben Widerspruch zwischen
Vorder- und Nachsatz.

Noch unlogischer aber mutet dieser Nachsatz an, seitdem in Hamburg
an Stelle der Worte „für beide Geschlechter"“, „für Frauen“ gesetzt
wurde, sodaß der Nachsatz jetzt lautet: „Der Verband erstrebt das all-
gemeine, gleiche, direkte und geheime, aktive sowie das passive Wahlrecht
für Frauen zu den gesetzgebenden Körperschaften und den Organen
der Selbstverwaltung.“ Diese Änderung wurde hineingebracht, weil die
Anhängerinnen dieses § 3 glaubten, damit den partei politischen Charakter
des Paragraphen zu beseitigen, ohne zu bedenken, daß eine Forderung
an und für sich parteipolitisch ist, und daß es einerlei ist, für wen
man etwas fordert; in diesem Falle ob für beide Geschlechter oder nur
für die Frauen. An dem parteipolitischen Charakter hat sich also nichts
geändert, es ist nichts dadurch verbessert worden, sondern man hat ihn
im Gegenteil nur verschlechtert, indem man nun gar für die Frauen
etwas ganz besonderes fordert, nämlich ein „Mehr“ an Rechten, wie wir
vorhin sahen, und da muß man sich doch fragen: Sind wir wirklich
berechtigt, für die Frauen ein Wahlrecht zu fordern, das die Männer
noch nicht, wenigstens noch nicht für die Stadt-Parlamente und in
mehreren Staaten auch noch nicht für die Landtage, fürs Abgeordneten-
haus usw. besitzen.

Wir fordern das Stimmrecht für die Frauen auf Grund ihrer
jahrtausendelang erfüllten Hausfrauen- und Mutter-Pflichten, durch die
sie für den Staat wichtige, unersetzliche Werte schaffen – wir fordern es auf

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[8/0007] Wahlrecht zu verweigern. – Übrigens haben die Tatsachen ihn schon widerlegt. Denn die Rechtsparteien sind eifrig an der politischen Schulung ihrer Frauen. Gerade diese Potthoff`sche Flugschrift ist eigentlich nur ein heißes Werben seiner Partei – der Männer-Partei – um die Frauenstimmen. Sie ist der beste Beweis, daß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht, solange er diesen Paragraphen enthält, nur ein Verband für liberales Frauenstimmrecht genannt werden kann. Denn alles, was irgendwie weiter rechts steht, kann dem Deutschen Verbande nicht beitreten, solange er dies Wahlrecht fordert. Aber auch die im Schluß des ersten Absatzes von § 3 ausgesprochene Behauptung „der Verband steht nicht auf dem Boden einer bestimmten Richtung der Frauenbewegung“ ist falsch und unlogisch, solange der zweite Absatz besteht, denn er enthält eine Forderung, die auch nur den Anschauungen des linken Flügels der Frauenbewegung entspricht. Es wird also gerade eine bestimmte Richtung, nämlich die fortschrittliche, betont. Also auch hier finden wir denselben Widerspruch zwischen Vorder- und Nachsatz. Noch unlogischer aber mutet dieser Nachsatz an, seitdem in Hamburg an Stelle der Worte „für beide Geschlechter"“, „für Frauen“ gesetzt wurde, sodaß der Nachsatz jetzt lautet: „Der Verband erstrebt das all- gemeine, gleiche, direkte und geheime, aktive sowie das passive Wahlrecht für Frauen zu den gesetzgebenden Körperschaften und den Organen der Selbstverwaltung.“ Diese Änderung wurde hineingebracht, weil die Anhängerinnen dieses § 3 glaubten, damit den partei politischen Charakter des Paragraphen zu beseitigen, ohne zu bedenken, daß eine Forderung an und für sich parteipolitisch ist, und daß es einerlei ist, für wen man etwas fordert; in diesem Falle ob für beide Geschlechter oder nur für die Frauen. An dem parteipolitischen Charakter hat sich also nichts geändert, es ist nichts dadurch verbessert worden, sondern man hat ihn im Gegenteil nur verschlechtert, indem man nun gar für die Frauen etwas ganz besonderes fordert, nämlich ein „Mehr“ an Rechten, wie wir vorhin sahen, und da muß man sich doch fragen: Sind wir wirklich berechtigt, für die Frauen ein Wahlrecht zu fordern, das die Männer noch nicht, wenigstens noch nicht für die Stadt-Parlamente und in mehreren Staaten auch noch nicht für die Landtage, fürs Abgeordneten- haus usw. besitzen. Wir fordern das Stimmrecht für die Frauen auf Grund ihrer jahrtausendelang erfüllten Hausfrauen- und Mutter-Pflichten, durch die sie für den Staat wichtige, unersetzliche Werte schaffen – wir fordern es auf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-05T18:44:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-05T18:44:52Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912], S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahnson_satzungen_1912/7>, abgerufen am 21.11.2024.