Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.
breiten, fleischigen Nase und einem großen, weitgeschlitzten Mund; das gelbe Gesicht und ihre starre Haltung machen sie zuweilen fast einer Wachsfigur gleich; sie trägt die dünnen grauen Haare glatt gescheitelt, einen altmodischen, unscheinbaren Hut, ein verschossenes Taffetkleid, um den Hals eine goldene Kette mit einem schwarzen Kreuz und in der Hand ein Täsch- chen; sie pflegt leise zu sprechen, kurz und scharf, wie jemand, der gewohnt ist, daß man auf ihn hört; wenn sie sich ereifert, fängt ihre Stimme zu krähen an, sie hat den Klang der rheinischen Mundart; vom Flur durch die Türe links vom Glasschrank, die ihr Fräulein Therese öffnet, eintretend, während ihr das Fräulein den langen grauen Reisemantel abnimmt). Ich verstehe das nicht! ... Lassen Sie bitte meine Sachen gleich ins -- (Tritt ein, nimmt ihren Hut ab und gibt ihn dem Fräulein Therese.) Therese (dreißig Jahre; Hausfräulein, still, bescheiden, ängstlich, leicht nervös; sehr einfach gekleidet). Wollen gnädige Frau das blaue Zimmer oder den Salon? Justine (mit Grimasse). Nicht den Salon! Seit der Kerl dort hängt -- wie heißt er? Dieser -- Hodl! Therese. Hodler. Justine. Hodl oder Hodler ... scheußlich! Nein. Ins blaue. Therese (winkt dem Diener und gibt ihm den Reisemantel und den Hut). Diener (kommt durch die Türe links vom Glasschrank, bringt einen verschlissenen alten Handkoffer, nimmt den Reise- mantel und den Hut, geht durch die Türe rechts vom Glas- schrank ab, kehrt gleich wieder zurück und geht durch die Türe links vom Glasschrank in den Flur ab).
breiten, fleiſchigen Naſe und einem großen, weitgeſchlitzten Mund; das gelbe Geſicht und ihre ſtarre Haltung machen ſie zuweilen faſt einer Wachsfigur gleich; ſie traͤgt die duͤnnen grauen Haare glatt geſcheitelt, einen altmodiſchen, unſcheinbaren Hut, ein verſchoſſenes Taffetkleid, um den Hals eine goldene Kette mit einem ſchwarzen Kreuz und in der Hand ein Taͤſch- chen; ſie pflegt leiſe zu ſprechen, kurz und ſcharf, wie jemand, der gewohnt iſt, daß man auf ihn hoͤrt; wenn ſie ſich ereifert, faͤngt ihre Stimme zu kraͤhen an, ſie hat den Klang der rheiniſchen Mundart; vom Flur durch die Tuͤre links vom Glasſchrank, die ihr Fraͤulein Thereſe oͤffnet, eintretend, waͤhrend ihr das Fraͤulein den langen grauen Reiſemantel abnimmt). Ich verſtehe das nicht! ... Laſſen Sie bitte meine Sachen gleich ins — (Tritt ein, nimmt ihren Hut ab und gibt ihn dem Fraͤulein Thereſe.) Thereſe (dreißig Jahre; Hausfraͤulein, ſtill, beſcheiden, aͤngſtlich, leicht nervoͤs; ſehr einfach gekleidet). Wollen gnaͤdige Frau das blaue Zimmer oder den Salon? Juſtine (mit Grimaſſe). Nicht den Salon! Seit der Kerl dort haͤngt — wie heißt er? Dieſer — Hodl! Thereſe. Hodler. Juſtine. Hodl oder Hodler ... ſcheußlich! Nein. Ins blaue. Thereſe (winkt dem Diener und gibt ihm den Reiſemantel und den Hut). Diener (kommt durch die Tuͤre links vom Glasſchrank, bringt einen verſchliſſenen alten Handkoffer, nimmt den Reiſe- mantel und den Hut, geht durch die Tuͤre rechts vom Glas- ſchrank ab, kehrt gleich wieder zuruͤck und geht durch die Tuͤre links vom Glasſchrank in den Flur ab). <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#JUS"> <stage><pb facs="#f0014" n="11"/> breiten, fleiſchigen Naſe und einem großen, weitgeſchlitzten<lb/> Mund; das gelbe Geſicht und ihre ſtarre Haltung machen<lb/> ſie zuweilen faſt einer Wachsfigur gleich; ſie traͤgt die duͤnnen<lb/> grauen Haare glatt geſcheitelt, einen altmodiſchen, unſcheinbaren<lb/> Hut, ein verſchoſſenes Taffetkleid, um den Hals eine goldene<lb/> Kette mit einem ſchwarzen Kreuz und in der Hand ein Taͤſch-<lb/> chen; ſie pflegt leiſe zu ſprechen, kurz und ſcharf, wie jemand,<lb/> der gewohnt iſt, daß man auf ihn hoͤrt; wenn ſie ſich ereifert,<lb/> faͤngt ihre Stimme zu kraͤhen an, ſie hat den Klang der<lb/> rheiniſchen Mundart; vom Flur durch die Tuͤre links vom<lb/> Glasſchrank, die ihr Fraͤulein Thereſe oͤffnet, eintretend,<lb/> waͤhrend ihr das Fraͤulein den langen grauen Reiſemantel<lb/> abnimmt).</stage> <p>Ich verſtehe das nicht! ... Laſſen Sie bitte<lb/> meine Sachen gleich ins — <stage>(Tritt ein, nimmt ihren Hut<lb/> ab und gibt ihn dem Fraͤulein Thereſe.)</stage></p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Thereſe</hi> </hi> </speaker> <stage>(dreißig Jahre; Hausfraͤulein, ſtill, beſcheiden,<lb/> aͤngſtlich, leicht nervoͤs; ſehr einfach gekleidet).</stage> <p>Wollen<lb/> gnaͤdige Frau das blaue Zimmer oder den Salon?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(mit Grimaſſe).</stage> <p>Nicht den Salon! Seit der<lb/> Kerl dort haͤngt — wie heißt er? Dieſer — Hodl!</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Thereſe.</hi> </hi> </speaker> <p>Hodler.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </hi> </speaker> <p>Hodl oder Hodler ... ſcheußlich! Nein.<lb/> Ins blaue.</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Thereſe</hi> </hi> </speaker> <stage>(winkt dem Diener und gibt ihm den Reiſemantel<lb/> und den Hut).</stage> </sp><lb/> <sp who="#DIS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Diener</hi> </hi> </speaker> <stage>(kommt durch die Tuͤre links vom Glasſchrank,<lb/> bringt einen verſchliſſenen alten Handkoffer, nimmt den Reiſe-<lb/> mantel und den Hut, geht durch die Tuͤre rechts vom Glas-<lb/> ſchrank ab, kehrt gleich wieder zuruͤck und geht durch die Tuͤre<lb/> links vom Glasſchrank in den Flur ab).</stage> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [11/0014]
breiten, fleiſchigen Naſe und einem großen, weitgeſchlitzten
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ſie zuweilen faſt einer Wachsfigur gleich; ſie traͤgt die duͤnnen
grauen Haare glatt geſcheitelt, einen altmodiſchen, unſcheinbaren
Hut, ein verſchoſſenes Taffetkleid, um den Hals eine goldene
Kette mit einem ſchwarzen Kreuz und in der Hand ein Taͤſch-
chen; ſie pflegt leiſe zu ſprechen, kurz und ſcharf, wie jemand,
der gewohnt iſt, daß man auf ihn hoͤrt; wenn ſie ſich ereifert,
faͤngt ihre Stimme zu kraͤhen an, ſie hat den Klang der
rheiniſchen Mundart; vom Flur durch die Tuͤre links vom
Glasſchrank, die ihr Fraͤulein Thereſe oͤffnet, eintretend,
waͤhrend ihr das Fraͤulein den langen grauen Reiſemantel
abnimmt). Ich verſtehe das nicht! ... Laſſen Sie bitte
meine Sachen gleich ins — (Tritt ein, nimmt ihren Hut
ab und gibt ihn dem Fraͤulein Thereſe.)
Thereſe (dreißig Jahre; Hausfraͤulein, ſtill, beſcheiden,
aͤngſtlich, leicht nervoͤs; ſehr einfach gekleidet). Wollen
gnaͤdige Frau das blaue Zimmer oder den Salon?
Juſtine (mit Grimaſſe). Nicht den Salon! Seit der
Kerl dort haͤngt — wie heißt er? Dieſer — Hodl!
Thereſe. Hodler.
Juſtine. Hodl oder Hodler ... ſcheußlich! Nein.
Ins blaue.
Thereſe (winkt dem Diener und gibt ihm den Reiſemantel
und den Hut).
Diener (kommt durch die Tuͤre links vom Glasſchrank,
bringt einen verſchliſſenen alten Handkoffer, nimmt den Reiſe-
mantel und den Hut, geht durch die Tuͤre rechts vom Glas-
ſchrank ab, kehrt gleich wieder zuruͤck und geht durch die Tuͤre
links vom Glasſchrank in den Flur ab).
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