Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913. Zupp (achselzuckend). Sie sind dem Verein für Ab- stinenz beigetreten -- Fidelis (ihn ungeduldig unterbrechend). Davon sprachen wir ja schon neulich. Zupp. Aber seitdem ist der Verein groß geworden und ich kann nicht leugnen, daß er einen gewissen mora- lischen Erfolg hat. Fidelis. Und wir haben dreißig Prozent Dividende. Zupp. Heuer noch. Fidelis. Warten wir's ab. Zupp. Durch diesen Erfolg ermutigt, tritt der Ver- ein nun lärmend, fast drohend auf, hält Versammlungen, druckt Flugschriften, verbreitet Plakate, mit Beschuldi- gungen höchst ehrenrühriger Art, gegen die Bierbrauer. Die werden da Giftmischer, Volksverderber, Blutver- seucher genannt und dergleichen mehr. Fidelis (trocken). Stimmt ja. Zupp. Ist Ihnen nun aber bekannt, Herr Doktor, daß eines dieser Plakate auch Ihren Namen trägt? Fidelis. Das war mir unbekannt, aber ich habe nichts dagegen. Zupp. Ich will gar nicht davon sprechen, daß sich einer, dem gerade sein Schoppen Schmorr-Bräu ganz besonders geschmeckt hat, doch eigentlich wundern muß, denselben Namen Schmorr nun auf einem Plakat zu finden, das vor dem volksverdummenden, volksvergif- tenden und volksverseuchenden Bier warnt. Das ist schließlich Ihre Sache, Herr Doktor. Fidelis (trocken). Das ist meine Sache. Ich hab's ganz gern, wenn man sich über mich wundert. Zupp (achſelzuckend). Sie ſind dem Verein für Ab- ſtinenz beigetreten — Fidelis (ihn ungeduldig unterbrechend). Davon ſprachen wir ja ſchon neulich. Zupp. Aber ſeitdem iſt der Verein groß geworden und ich kann nicht leugnen, daß er einen gewiſſen mora- liſchen Erfolg hat. Fidelis. Und wir haben dreißig Prozent Dividende. Zupp. Heuer noch. Fidelis. Warten wir's ab. Zupp. Durch dieſen Erfolg ermutigt, tritt der Ver- ein nun lärmend, faſt drohend auf, hält Verſammlungen, druckt Flugſchriften, verbreitet Plakate, mit Beſchuldi- gungen höchſt ehrenrühriger Art, gegen die Bierbrauer. Die werden da Giftmiſcher, Volksverderber, Blutver- ſeucher genannt und dergleichen mehr. Fidelis (trocken). Stimmt ja. Zupp. Iſt Ihnen nun aber bekannt, Herr Doktor, daß eines dieſer Plakate auch Ihren Namen trägt? Fidelis. Das war mir unbekannt, aber ich habe nichts dagegen. Zupp. Ich will gar nicht davon ſprechen, daß ſich einer, dem gerade ſein Schoppen Schmorr-Bräu ganz beſonders geſchmeckt hat, doch eigentlich wundern muß, denſelben Namen Schmorr nun auf einem Plakat zu finden, das vor dem volksverdummenden, volksvergif- tenden und volksverſeuchenden Bier warnt. Das iſt ſchließlich Ihre Sache, Herr Doktor. Fidelis (trocken). Das iſt meine Sache. 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liſchen Erfolg hat.
Fidelis. Und wir haben dreißig Prozent Dividende.
Zupp. Heuer noch.
Fidelis. Warten wir's ab.
Zupp. Durch dieſen Erfolg ermutigt, tritt der Ver-
ein nun lärmend, faſt drohend auf, hält Verſammlungen,
druckt Flugſchriften, verbreitet Plakate, mit Beſchuldi-
gungen höchſt ehrenrühriger Art, gegen die Bierbrauer.
Die werden da Giftmiſcher, Volksverderber, Blutver-
ſeucher genannt und dergleichen mehr.
Fidelis (trocken). Stimmt ja.
Zupp. Iſt Ihnen nun aber bekannt, Herr Doktor,
daß eines dieſer Plakate auch Ihren Namen trägt?
Fidelis. Das war mir unbekannt, aber ich habe nichts
dagegen.
Zupp. Ich will gar nicht davon ſprechen, daß ſich
einer, dem gerade ſein Schoppen Schmorr-Bräu ganz
beſonders geſchmeckt hat, doch eigentlich wundern muß,
denſelben Namen Schmorr nun auf einem Plakat zu
finden, das vor dem volksverdummenden, volksvergif-
tenden und volksverſeuchenden Bier warnt. Das iſt
ſchließlich Ihre Sache, Herr Doktor.
Fidelis (trocken). Das iſt meine Sache. Ich hab's
ganz gern, wenn man ſich über mich wundert.
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