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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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kränklich, käsiges Gesicht, wässerige Augen, aschblondes Haar,
das ihm in dünnen Strähnen in die niedrige Stirne hängt;
gedrückt, scheu, dienernd, sieht einen nicht an und hat die
Gewohnheit, wenn er etwas sagt, seinen langen Hals vorzu-
strecken und ihn, nachdem er gesprochen hat, rasch wieder ein-
zuziehen; bleibt an der Tür links vom Glasschrank und ver-
neigt sich tief, dann erst kommt er schleichend langsam vor
und verneigt sich nochmals tief vor Justine).
Fidelis (kurz). Nun, Herr Habusch, was bringen Sie?
Scheint ja dringend. -- Du kennst doch den Herrn Se-
kretär?
Justine (nickt nur kurz).
Fidelis. Das ist der Mann, der das deutsche Volk
wieder aus dem Sumpf ziehen wird. (Setzt sich in den
Stuhl links vom ovalen Tische rechts und ladet ihn durch eine
Handbewegung ein, sich auf den Stuhl hinter dem langen
Tische rechts zu setzen.)
Wollen Sie ein Schnäpschen?
Habusch (knickt zusammen, streckt seinen langen Hals vor
und wehrt tiefgekränkt mit der Hand ab; er setzt sich dann
auf den Rand des Stuhles).
Fidelis (leicht ungeduldig). Nun also?
Habusch (mit einer ganz dünnen Stimme meckernd). Ich
möchte zunächst darauf hinweisen, daß wir mit gerech-
tem Stolz auf das abgelaufene Halbjahr blicken dürfen.
Mit siegreicher Kraft dringen --
Fidelis (ihm ins Wort fallend; trocken). Das hab ich
schon gelesen.
Habusch (etwas unsicher fortfahrend). Der Dämon des
Alkohols windet sich in den letzten verzweifelten Zuckun-
gen, er --
kraͤnklich, kaͤſiges Geſicht, waͤſſerige Augen, aſchblondes Haar,
das ihm in duͤnnen Straͤhnen in die niedrige Stirne haͤngt;
gedruͤckt, ſcheu, dienernd, ſieht einen nicht an und hat die
Gewohnheit, wenn er etwas ſagt, ſeinen langen Hals vorzu-
ſtrecken und ihn, nachdem er geſprochen hat, raſch wieder ein-
zuziehen; bleibt an der Tuͤr links vom Glasſchrank und ver-
neigt ſich tief, dann erſt kommt er ſchleichend langſam vor
und verneigt ſich nochmals tief vor Juſtine).
Fidelis (kurz). Nun, Herr Habuſch, was bringen Sie?
Scheint ja dringend. — Du kennſt doch den Herrn Se-
kretär?
Juſtine (nickt nur kurz).
Fidelis. Das iſt der Mann, der das deutſche Volk
wieder aus dem Sumpf ziehen wird. (Setzt ſich in den
Stuhl links vom ovalen Tiſche rechts und ladet ihn durch eine
Handbewegung ein, ſich auf den Stuhl hinter dem langen
Tiſche rechts zu ſetzen.)
Wollen Sie ein Schnäpschen?
Habuſch (knickt zuſammen, ſtreckt ſeinen langen Hals vor
und wehrt tiefgekraͤnkt mit der Hand ab; er ſetzt ſich dann
auf den Rand des Stuhles).
Fidelis (leicht ungeduldig). Nun alſo?
Habuſch (mit einer ganz duͤnnen Stimme meckernd). Ich
möchte zunächſt darauf hinweiſen, daß wir mit gerech-
tem Stolz auf das abgelaufene Halbjahr blicken dürfen.
Mit ſiegreicher Kraft dringen —
Fidelis (ihm ins Wort fallend; trocken). Das hab ich
ſchon geleſen.
Habuſch (etwas unſicher fortfahrend). Der Dämon des
Alkohols windet ſich in den letzten verzweifelten Zuckun-
gen, er —
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[32/0035] kraͤnklich, kaͤſiges Geſicht, waͤſſerige Augen, aſchblondes Haar, das ihm in duͤnnen Straͤhnen in die niedrige Stirne haͤngt; gedruͤckt, ſcheu, dienernd, ſieht einen nicht an und hat die Gewohnheit, wenn er etwas ſagt, ſeinen langen Hals vorzu- ſtrecken und ihn, nachdem er geſprochen hat, raſch wieder ein- zuziehen; bleibt an der Tuͤr links vom Glasſchrank und ver- neigt ſich tief, dann erſt kommt er ſchleichend langſam vor und verneigt ſich nochmals tief vor Juſtine). Fidelis (kurz). Nun, Herr Habuſch, was bringen Sie? Scheint ja dringend. — Du kennſt doch den Herrn Se- kretär? Juſtine (nickt nur kurz). Fidelis. Das iſt der Mann, der das deutſche Volk wieder aus dem Sumpf ziehen wird. (Setzt ſich in den Stuhl links vom ovalen Tiſche rechts und ladet ihn durch eine Handbewegung ein, ſich auf den Stuhl hinter dem langen Tiſche rechts zu ſetzen.) Wollen Sie ein Schnäpschen? Habuſch (knickt zuſammen, ſtreckt ſeinen langen Hals vor und wehrt tiefgekraͤnkt mit der Hand ab; er ſetzt ſich dann auf den Rand des Stuhles). Fidelis (leicht ungeduldig). Nun alſo? Habuſch (mit einer ganz duͤnnen Stimme meckernd). Ich möchte zunächſt darauf hinweiſen, daß wir mit gerech- tem Stolz auf das abgelaufene Halbjahr blicken dürfen. Mit ſiegreicher Kraft dringen — Fidelis (ihm ins Wort fallend; trocken). Das hab ich ſchon geleſen. Habuſch (etwas unſicher fortfahrend). Der Dämon des Alkohols windet ſich in den letzten verzweifelten Zuckun- gen, er —

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/35>, abgerufen am 29.03.2024.