Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.
eher mit mir, vielleicht werden Sie mich eher bedauern. (Blickt wieder auf und sieht Fidelis an.) Fidelis (blickt auf Kuno, sie sehen einander voll in die Augen; dann wendet er sich ab, geht langsam in die Loge und bleibt vor dem Sofa stehen, mit dem Rücken zu Kuno; nach einer langen Pause, achselzuckend, kurz). Bitte. Kuno (unbeweglich stehend, ruhig erzählend). Ich lernte, als ich in Athen war, eine Frau kennen, die mich, mehr noch durch die Schönheit ihres Wesens, ungewöhnlich an- zog. Ich muß vorausschicken, daß ich ein ausgeprägtes Freundschaftsbedürfnis habe, das allerdings stets eher bei Frauen als bei Männern Verständnis fand. Ich bin aber durchaus kein homme a femmes -- (leicht traurig lächelnd) trotz meines Rufs. Ich habe nie, was man so die große Liebe nennt, kennen gelernt. -- Verzeihen Sie diese Konfidenzen, aber ich muß Sie schon mit diesen un- beträchtlichen Dingen behelligen, so wenig angenehm mir das ist. Fidelis (wendet sich halb nach ihm um; mehr vor sich hin, bitter). Es gibt Männer, die lieben, und andere, die geliebt werden. So scheint das eingeteilt zu sein. Kuno. Dann muß ich mich zur zweiten Gruppe rech- nen. Leider. Ich bin jedenfalls nicht -- (Er hält ein, das richtige Wort suchend.) Fidelis (vor sich hin, höhnisch). Nicht aggressiv? Sie fangen nicht an? Kuno (in seiner Erzählung fortfahrend). Und so war auch meiner Empfindung für jene Frau jede Leidenschaft fern. Ich hatte sie sehr gern, ich fühlte mich bei ihr wohl und sie tat mir ja auch ein bißchen leid, sie war sehr ein-
eher mit mir, vielleicht werden Sie mich eher bedauern. (Blickt wieder auf und ſieht Fidelis an.) Fidelis (blickt auf Kuno, ſie ſehen einander voll in die Augen; dann wendet er ſich ab, geht langſam in die Loge und bleibt vor dem Sofa ſtehen, mit dem Ruͤcken zu Kuno; nach einer langen Pauſe, achſelzuckend, kurz). Bitte. Kuno (unbeweglich ſtehend, ruhig erzaͤhlend). Ich lernte, als ich in Athen war, eine Frau kennen, die mich, mehr noch durch die Schönheit ihres Weſens, ungewöhnlich an- zog. Ich muß vorausſchicken, daß ich ein ausgeprägtes Freundſchaftsbedürfnis habe, das allerdings ſtets eher bei Frauen als bei Männern Verſtändnis fand. Ich bin aber durchaus kein homme à femmes — (leicht traurig laͤchelnd) trotz meines Rufs. Ich habe nie, was man ſo die große Liebe nennt, kennen gelernt. — Verzeihen Sie dieſe Konfidenzen, aber ich muß Sie ſchon mit dieſen un- beträchtlichen Dingen behelligen, ſo wenig angenehm mir das iſt. Fidelis (wendet ſich halb nach ihm um; mehr vor ſich hin, bitter). Es gibt Männer, die lieben, und andere, die geliebt werden. So ſcheint das eingeteilt zu ſein. Kuno. Dann muß ich mich zur zweiten Gruppe rech- nen. Leider. Ich bin jedenfalls nicht — (Er haͤlt ein, das richtige Wort ſuchend.) Fidelis (vor ſich hin, hoͤhniſch). Nicht aggreſſiv? Sie fangen nicht an? Kuno (in ſeiner Erzaͤhlung fortfahrend). Und ſo war auch meiner Empfindung für jene Frau jede Leidenſchaft fern. Ich hatte ſie ſehr gern, ich fühlte mich bei ihr wohl und ſie tat mir ja auch ein bißchen leid, ſie war ſehr ein- <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#KUN"> <p><pb facs="#f0096" n="90"/> eher mit mir, vielleicht werden Sie mich eher bedauern.<lb/><stage>(Blickt wieder auf und ſieht Fidelis an.)</stage></p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(blickt auf Kuno, ſie ſehen einander voll in die<lb/> Augen; dann wendet er ſich ab, geht langſam in die Loge<lb/> und bleibt vor dem Sofa ſtehen, mit dem Ruͤcken zu Kuno;<lb/> nach einer langen Pauſe, achſelzuckend, kurz).</stage> <p>Bitte.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Kuno</hi> </hi> </speaker> <stage>(unbeweglich ſtehend, ruhig erzaͤhlend).</stage> <p>Ich lernte,<lb/> als ich in Athen war, eine Frau kennen, die mich, mehr<lb/> noch durch die Schönheit ihres Weſens, ungewöhnlich an-<lb/> zog. Ich muß vorausſchicken, daß ich ein ausgeprägtes<lb/> Freundſchaftsbedürfnis habe, das allerdings ſtets eher<lb/> bei Frauen als bei Männern Verſtändnis fand. Ich bin<lb/> aber durchaus kein <hi rendition="#aq">homme à femmes</hi> — <stage>(leicht traurig<lb/> laͤchelnd)</stage> trotz meines Rufs. Ich habe nie, was man ſo<lb/> die große Liebe nennt, kennen gelernt. — Verzeihen Sie<lb/> dieſe Konfidenzen, aber ich muß Sie ſchon mit dieſen un-<lb/> beträchtlichen Dingen behelligen, ſo wenig angenehm mir<lb/> das iſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(wendet ſich halb nach ihm um; mehr vor ſich<lb/> hin, bitter).</stage> <p>Es gibt Männer, die lieben, und andere, die<lb/> geliebt werden. So ſcheint das eingeteilt zu ſein.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Kuno.</hi> </hi> </speaker> <p>Dann muß ich mich zur zweiten Gruppe rech-<lb/> nen. Leider. Ich bin jedenfalls nicht — <stage>(Er haͤlt ein, das<lb/> richtige Wort ſuchend.)</stage></p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(vor ſich hin, hoͤhniſch).</stage> <p>Nicht aggreſſiv? Sie<lb/> fangen nicht an?</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Kuno</hi> </hi> </speaker> <stage>(in ſeiner Erzaͤhlung fortfahrend).</stage> <p>Und ſo war<lb/> auch meiner Empfindung für jene Frau jede Leidenſchaft<lb/> fern. Ich hatte ſie ſehr gern, ich fühlte mich bei ihr wohl<lb/> und ſie tat mir ja auch ein bißchen leid, ſie war ſehr ein-<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [90/0096]
eher mit mir, vielleicht werden Sie mich eher bedauern.
(Blickt wieder auf und ſieht Fidelis an.)
Fidelis (blickt auf Kuno, ſie ſehen einander voll in die
Augen; dann wendet er ſich ab, geht langſam in die Loge
und bleibt vor dem Sofa ſtehen, mit dem Ruͤcken zu Kuno;
nach einer langen Pauſe, achſelzuckend, kurz). Bitte.
Kuno (unbeweglich ſtehend, ruhig erzaͤhlend). Ich lernte,
als ich in Athen war, eine Frau kennen, die mich, mehr
noch durch die Schönheit ihres Weſens, ungewöhnlich an-
zog. Ich muß vorausſchicken, daß ich ein ausgeprägtes
Freundſchaftsbedürfnis habe, das allerdings ſtets eher
bei Frauen als bei Männern Verſtändnis fand. Ich bin
aber durchaus kein homme à femmes — (leicht traurig
laͤchelnd) trotz meines Rufs. Ich habe nie, was man ſo
die große Liebe nennt, kennen gelernt. — Verzeihen Sie
dieſe Konfidenzen, aber ich muß Sie ſchon mit dieſen un-
beträchtlichen Dingen behelligen, ſo wenig angenehm mir
das iſt.
Fidelis (wendet ſich halb nach ihm um; mehr vor ſich
hin, bitter). Es gibt Männer, die lieben, und andere, die
geliebt werden. So ſcheint das eingeteilt zu ſein.
Kuno. Dann muß ich mich zur zweiten Gruppe rech-
nen. Leider. Ich bin jedenfalls nicht — (Er haͤlt ein, das
richtige Wort ſuchend.)
Fidelis (vor ſich hin, hoͤhniſch). Nicht aggreſſiv? Sie
fangen nicht an?
Kuno (in ſeiner Erzaͤhlung fortfahrend). Und ſo war
auch meiner Empfindung für jene Frau jede Leidenſchaft
fern. Ich hatte ſie ſehr gern, ich fühlte mich bei ihr wohl
und ſie tat mir ja auch ein bißchen leid, ſie war ſehr ein-
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