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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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sam, ihr Mann verstand ihre künstlerischen Neigungen,
ihre schöngeistigen Bestrebungen nicht. Er war ein sehr
tüchtiger Offizier, Sportsmann, Herrenreiter, Kunstschütze.
Man kann nicht sagen, daß es eine schlechte Ehe war. Es
war nur eigentlich gar keine Ehe. Er hielt sich eine Frau
wie Wagen und Pferde. -- Es entspann sich nun eine
mich sehr beglückende Freundschaft, wir musizierten zu-
sammen, wir wanderten durch die griechische Landschaft
und, vom Ölbaum des Plato heimgekehrt, lasen wir Platos
"Gastmahl" und den "Phädon".
Fidelis (trocken). Da hätt ich Ihnen voraussagen
können!
Kuno (nach einer kleinen Pause; leise). Und bevor eins
von uns irgendwie das Gefährliche oder Bedenkliche un-
serer Beziehung empfand, war sie (ganz leise) meine Ge-
liebte geworden.
Fidelis (leise). Wie alt waren Sie damals eigentlich?
Kuno (ohne den leisen Spott der Frage zu verstehen;
arglos).
Einunddreißig. Warum?
Fidelis (leichthin). Es interessiert mich nur. (Man
merkt, daß ihn jetzt dieser Mensch neugierig macht; er setzt sich
auf das Sofa und beobachtet ihn.)
Kuno (langsam, ganz leise). Nun war sie -- meine
Geliebte. (Er geht nach rechts, bis an den niedrigen Stuhl;
nach einer kleinen Pause, einfach berichtend.)
Ich erinnere
mich noch ganz deutlich des sehr merkwürdigen Gefühls,
mit dem ich an jenem Abend heimging. Recht beklommen.
Ich machte mir selbst Vorwürfe, nicht glücklicher zu sein.
Mir war eher, als wäre nun etwas sehr Schönes zerstört.
Ich hätte fast -- bereut, wenn ich mich nicht geschämt
ſam, ihr Mann verſtand ihre künſtleriſchen Neigungen,
ihre ſchöngeiſtigen Beſtrebungen nicht. Er war ein ſehr
tüchtiger Offizier, Sportsmann, Herrenreiter, Kunſtſchütze.
Man kann nicht ſagen, daß es eine ſchlechte Ehe war. Es
war nur eigentlich gar keine Ehe. Er hielt ſich eine Frau
wie Wagen und Pferde. — Es entſpann ſich nun eine
mich ſehr beglückende Freundſchaft, wir muſizierten zu-
ſammen, wir wanderten durch die griechiſche Landſchaft
und, vom Ölbaum des Plato heimgekehrt, laſen wir Platos
„Gaſtmahl“ und den „Phädon“.
Fidelis (trocken). Da hätt ich Ihnen vorausſagen
können!
Kuno (nach einer kleinen Pauſe; leiſe). Und bevor eins
von uns irgendwie das Gefährliche oder Bedenkliche un-
ſerer Beziehung empfand, war ſie (ganz leiſe) meine Ge-
liebte geworden.
Fidelis (leiſe). Wie alt waren Sie damals eigentlich?
Kuno (ohne den leiſen Spott der Frage zu verſtehen;
arglos).
Einunddreißig. Warum?
Fidelis (leichthin). Es intereſſiert mich nur. (Man
merkt, daß ihn jetzt dieſer Menſch neugierig macht; er ſetzt ſich
auf das Sofa und beobachtet ihn.)
Kuno (langſam, ganz leiſe). Nun war ſie — meine
Geliebte. (Er geht nach rechts, bis an den niedrigen Stuhl;
nach einer kleinen Pauſe, einfach berichtend.)
Ich erinnere
mich noch ganz deutlich des ſehr merkwürdigen Gefühls,
mit dem ich an jenem Abend heimging. Recht beklommen.
Ich machte mir ſelbſt Vorwürfe, nicht glücklicher zu ſein.
Mir war eher, als wäre nun etwas ſehr Schönes zerſtört.
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[91/0097] ſam, ihr Mann verſtand ihre künſtleriſchen Neigungen, ihre ſchöngeiſtigen Beſtrebungen nicht. Er war ein ſehr tüchtiger Offizier, Sportsmann, Herrenreiter, Kunſtſchütze. Man kann nicht ſagen, daß es eine ſchlechte Ehe war. Es war nur eigentlich gar keine Ehe. Er hielt ſich eine Frau wie Wagen und Pferde. — Es entſpann ſich nun eine mich ſehr beglückende Freundſchaft, wir muſizierten zu- ſammen, wir wanderten durch die griechiſche Landſchaft und, vom Ölbaum des Plato heimgekehrt, laſen wir Platos „Gaſtmahl“ und den „Phädon“. Fidelis (trocken). Da hätt ich Ihnen vorausſagen können! Kuno (nach einer kleinen Pauſe; leiſe). Und bevor eins von uns irgendwie das Gefährliche oder Bedenkliche un- ſerer Beziehung empfand, war ſie (ganz leiſe) meine Ge- liebte geworden. Fidelis (leiſe). Wie alt waren Sie damals eigentlich? Kuno (ohne den leiſen Spott der Frage zu verſtehen; arglos). Einunddreißig. Warum? Fidelis (leichthin). Es intereſſiert mich nur. (Man merkt, daß ihn jetzt dieſer Menſch neugierig macht; er ſetzt ſich auf das Sofa und beobachtet ihn.) Kuno (langſam, ganz leiſe). Nun war ſie — meine Geliebte. (Er geht nach rechts, bis an den niedrigen Stuhl; nach einer kleinen Pauſe, einfach berichtend.) Ich erinnere mich noch ganz deutlich des ſehr merkwürdigen Gefühls, mit dem ich an jenem Abend heimging. Recht beklommen. Ich machte mir ſelbſt Vorwürfe, nicht glücklicher zu ſein. Mir war eher, als wäre nun etwas ſehr Schönes zerſtört. Ich hätte faſt — bereut, wenn ich mich nicht geſchämt

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/97>, abgerufen am 27.11.2024.