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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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In Hegels Berliner Antrittsrede finden sich bereits alle
pomphaften Wendungen, die der spätere Hegelianismus über
den Zusammenhang der Hegel'schen Philosophie mit der
"welthistorischen" Bestimmung des preussischen Staates
geltend zu machen pflegte. Die Berliner Universität ist ihm
die "Universität des Mittelpunktes", die "auch der Mittel-
punkt aller Geistesbildung und aller Wissenschaft" werden
muss 174). Die Deutschen preist er wie bereits in einer Heidel-
berger Rede "als das auserwählte Volk Gottes in der Philo-
sophie" 175). Seine erste Tat aber ist die Wiederverdunke-
lung der Kantischen Errungenschaften, indem er nämlich
von Kants Trennung zwischen Obskurantismus und reiner
Vernunft sagte: "Zuletzt hat die sogenannte kritische Phi-
losophie dem Nichtwissen des Ewigen und Göttlichen ein
gutes Gewissen gemacht, indem sie versichert, bewiesen zu
haben, dass vom Ewigen und Göttlichen nichts gewusst
werden könne. Diese vermeinte Kenntnis hat sich sogar
den Namen Philosophie angemasst" 176). Hegel seinerseits
glaubte die absolute Kenntnis vom Ewigen und Göttlichen
zu haben. Er versprach eine Philosophie, die "Gehalt"
haben werde und rief dazu die Jugend auf, die noch un-
befangen sei "vom negativen Geiste der Eitelkeit, von dem
Gehaltlosen eines bloss kritischen Bemühens". Wie Hegel
sich indessen diesen "Gehalt" in Wirklichkeit dachte, das
ergab sich bei Gelegenheit seiner Festrede zur Feier der
Augsburgischen Konfession im Jahre 1830.

Die Augsburgische Konfession ist das vornehmste sym-
bolische Buch der Lutheraner, das Hauptdokument des
preussisch-deutschen Byzantinismus. Nur mit ihrer völligen
Aufhebung kann Deutschland dem Christentum wieder-
gewonnen werden. Hegel nannte die Augustana, ohne auf
den Kardinalpunkt näher einzugehen, die "Magna carta des
Protestantismus (des sola fides justificat wegen). Er schilderte
-- was schilderte er wohl? "die Verderbtheit der Kirche durch
den papistischen Katholizismus, schilderte die Tyrannei, mit

In Hegels Berliner Antrittsrede finden sich bereits alle
pomphaften Wendungen, die der spätere Hegelianismus über
den Zusammenhang der Hegel'schen Philosophie mit der
„welthistorischen“ Bestimmung des preussischen Staates
geltend zu machen pflegte. Die Berliner Universität ist ihm
die „Universität des Mittelpunktes“, die „auch der Mittel-
punkt aller Geistesbildung und aller Wissenschaft“ werden
muss 174). Die Deutschen preist er wie bereits in einer Heidel-
berger Rede „als das auserwählte Volk Gottes in der Philo-
sophie“ 175). Seine erste Tat aber ist die Wiederverdunke-
lung der Kantischen Errungenschaften, indem er nämlich
von Kants Trennung zwischen Obskurantismus und reiner
Vernunft sagte: „Zuletzt hat die sogenannte kritische Phi-
losophie dem Nichtwissen des Ewigen und Göttlichen ein
gutes Gewissen gemacht, indem sie versichert, bewiesen zu
haben, dass vom Ewigen und Göttlichen nichts gewusst
werden könne. Diese vermeinte Kenntnis hat sich sogar
den Namen Philosophie angemasst“ 176). Hegel seinerseits
glaubte die absolute Kenntnis vom Ewigen und Göttlichen
zu haben. Er versprach eine Philosophie, die „Gehalt“
haben werde und rief dazu die Jugend auf, die noch un-
befangen sei „vom negativen Geiste der Eitelkeit, von dem
Gehaltlosen eines bloss kritischen Bemühens“. Wie Hegel
sich indessen diesen „Gehalt“ in Wirklichkeit dachte, das
ergab sich bei Gelegenheit seiner Festrede zur Feier der
Augsburgischen Konfession im Jahre 1830.

Die Augsburgische Konfession ist das vornehmste sym-
bolische Buch der Lutheraner, das Hauptdokument des
preussisch-deutschen Byzantinismus. Nur mit ihrer völligen
Aufhebung kann Deutschland dem Christentum wieder-
gewonnen werden. Hegel nannte die Augustana, ohne auf
den Kardinalpunkt näher einzugehen, die „Magna carta des
Protestantismus (des sola fides justificat wegen). Er schilderte
— was schilderte er wohl? „die Verderbtheit der Kirche durch
den papistischen Katholizismus, schilderte die Tyrannei, mit

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[111/0119] In Hegels Berliner Antrittsrede finden sich bereits alle pomphaften Wendungen, die der spätere Hegelianismus über den Zusammenhang der Hegel'schen Philosophie mit der „welthistorischen“ Bestimmung des preussischen Staates geltend zu machen pflegte. Die Berliner Universität ist ihm die „Universität des Mittelpunktes“, die „auch der Mittel- punkt aller Geistesbildung und aller Wissenschaft“ werden muss ¹⁷⁴⁾ . Die Deutschen preist er wie bereits in einer Heidel- berger Rede „als das auserwählte Volk Gottes in der Philo- sophie“ ¹⁷⁵⁾ . Seine erste Tat aber ist die Wiederverdunke- lung der Kantischen Errungenschaften, indem er nämlich von Kants Trennung zwischen Obskurantismus und reiner Vernunft sagte: „Zuletzt hat die sogenannte kritische Phi- losophie dem Nichtwissen des Ewigen und Göttlichen ein gutes Gewissen gemacht, indem sie versichert, bewiesen zu haben, dass vom Ewigen und Göttlichen nichts gewusst werden könne. Diese vermeinte Kenntnis hat sich sogar den Namen Philosophie angemasst“ ¹⁷⁶⁾ . Hegel seinerseits glaubte die absolute Kenntnis vom Ewigen und Göttlichen zu haben. Er versprach eine Philosophie, die „Gehalt“ haben werde und rief dazu die Jugend auf, die noch un- befangen sei „vom negativen Geiste der Eitelkeit, von dem Gehaltlosen eines bloss kritischen Bemühens“. Wie Hegel sich indessen diesen „Gehalt“ in Wirklichkeit dachte, das ergab sich bei Gelegenheit seiner Festrede zur Feier der Augsburgischen Konfession im Jahre 1830. Die Augsburgische Konfession ist das vornehmste sym- bolische Buch der Lutheraner, das Hauptdokument des preussisch-deutschen Byzantinismus. Nur mit ihrer völligen Aufhebung kann Deutschland dem Christentum wieder- gewonnen werden. Hegel nannte die Augustana, ohne auf den Kardinalpunkt näher einzugehen, die „Magna carta des Protestantismus (des sola fides justificat wegen). Er schilderte — was schilderte er wohl? „die Verderbtheit der Kirche durch den papistischen Katholizismus, schilderte die Tyrannei, mit

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/119>, abgerufen am 23.11.2024.