Kaisertum gerade mit der Dynastie Hohenzollern oder mit der Dynastie Lassalle abschliessen sollte, das war ihm viel- leicht zweifelhaft, aber monarchisch war seine Gesinnung durch und durch" 9). Hierzu bemerkt Mehring, bei diesen Unterredungen sei Bismarck der arme Teufel gewesen und sein Versuch, mit dem Sozialismus Kirschen zu essen (doch wohl Lassalles Versuch, mit Bismarck Kirschen zu essen), habe denn auch damit geendet, dass Bismarck die Steine bekam 10). Das ist jedoch eitel Grosssprecherei, wie überhaupt die Sozialdemokratie unterm Einfluss des "Idealismus" zur Renommage neigt 11). Lassalles Schwäche lässt sich nicht bemänteln. Er selbst gesteht: "Ich weiss nicht, trotzdem ich jetzt revolutionär-demokratisch-repu- blikanische Gesinnungen habe wie Einer, so fühle ich doch, dass ich an der Stelle des Grafen Lavagna (in Schillers Fiesko) ebenso gehandelt und mich nicht damit begnügt hätte, Genuas erster Bürger zu sein, sondern nach dem Diadem meine Hand ausgestreckt hätte. Daraus ergibt sich, wenn ich die Sache bei Lichte besehe, dass ich bloss Egoist bin. Wäre ich als Prinz oder Fürst geboren, ich würde mit Leib und Leben Aristokrat sein" 12). Und am Ende seiner Karriere: "Ach wie wenig Sie au fait in mir sind! Ich wünsche nichts sehnlicher, als die ganze Politik loszuwerden. Ich bin der Politik müde und satt. Zwar ich würde so leidenschaftlich wie je für dieselbe entflammen, wenn ernste Ereignisse da wären oder wenn ich die Macht hätte oder ein Mittel sähe, sie zu erobern -- ein solches Mittel, das sich für mich schickt (!); denn ohne höchste Macht lässt sich nichts machen" 13).
Diese Gesinnung ist keineswegs als vorübergehende Depression oder als Scherz aufzufassen. Sie drückt die Ent- täuschung Lassalles über das Misslingen seiner allerpersön- lichsten Machtpläne aus. Sie begleitete Lassalles Leben, und lebte in seiner Partei auch fort nach Lassalles Tode, als seine Testamentsvollstreckerin, eben jene Gräfin Hatzfeld,
Kaisertum gerade mit der Dynastie Hohenzollern oder mit der Dynastie Lassalle abschliessen sollte, das war ihm viel- leicht zweifelhaft, aber monarchisch war seine Gesinnung durch und durch“ 9). Hierzu bemerkt Mehring, bei diesen Unterredungen sei Bismarck der arme Teufel gewesen und sein Versuch, mit dem Sozialismus Kirschen zu essen (doch wohl Lassalles Versuch, mit Bismarck Kirschen zu essen), habe denn auch damit geendet, dass Bismarck die Steine bekam 10). Das ist jedoch eitel Grosssprecherei, wie überhaupt die Sozialdemokratie unterm Einfluss des „Idealismus“ zur Renommage neigt 11). Lassalles Schwäche lässt sich nicht bemänteln. Er selbst gesteht: „Ich weiss nicht, trotzdem ich jetzt revolutionär-demokratisch-repu- blikanische Gesinnungen habe wie Einer, so fühle ich doch, dass ich an der Stelle des Grafen Lavagna (in Schillers Fiesko) ebenso gehandelt und mich nicht damit begnügt hätte, Genuas erster Bürger zu sein, sondern nach dem Diadem meine Hand ausgestreckt hätte. Daraus ergibt sich, wenn ich die Sache bei Lichte besehe, dass ich bloss Egoist bin. Wäre ich als Prinz oder Fürst geboren, ich würde mit Leib und Leben Aristokrat sein“ 12). Und am Ende seiner Karriere: „Ach wie wenig Sie au fait in mir sind! Ich wünsche nichts sehnlicher, als die ganze Politik loszuwerden. Ich bin der Politik müde und satt. Zwar ich würde so leidenschaftlich wie je für dieselbe entflammen, wenn ernste Ereignisse da wären oder wenn ich die Macht hätte oder ein Mittel sähe, sie zu erobern — ein solches Mittel, das sich für mich schickt (!); denn ohne höchste Macht lässt sich nichts machen“ 13).
Diese Gesinnung ist keineswegs als vorübergehende Depression oder als Scherz aufzufassen. Sie drückt die Ent- täuschung Lassalles über das Misslingen seiner allerpersön- lichsten Machtpläne aus. Sie begleitete Lassalles Leben, und lebte in seiner Partei auch fort nach Lassalles Tode, als seine Testamentsvollstreckerin, eben jene Gräfin Hatzfeld,
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Kaisertum gerade mit der Dynastie Hohenzollern oder mit
der Dynastie Lassalle abschliessen sollte, das war ihm viel-
leicht zweifelhaft, aber monarchisch war seine Gesinnung
durch und durch“
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. Hierzu bemerkt Mehring, bei diesen
Unterredungen sei Bismarck der arme Teufel gewesen und
sein Versuch, mit dem Sozialismus Kirschen zu essen
(doch wohl Lassalles Versuch, mit Bismarck Kirschen zu
essen), habe denn auch damit geendet, dass Bismarck die
Steine bekam
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. Das ist jedoch eitel Grosssprecherei, wie
überhaupt die Sozialdemokratie unterm Einfluss des
„Idealismus“ zur Renommage neigt
¹¹⁾
. Lassalles Schwäche
lässt sich nicht bemänteln. Er selbst gesteht: „Ich weiss
nicht, trotzdem ich jetzt revolutionär-demokratisch-repu-
blikanische Gesinnungen habe wie Einer, so fühle
ich doch, dass ich an der Stelle des Grafen Lavagna (in
Schillers Fiesko) ebenso gehandelt und mich nicht damit
begnügt hätte, Genuas erster Bürger zu sein, sondern nach
dem Diadem meine Hand ausgestreckt hätte. Daraus ergibt
sich, wenn ich die Sache bei Lichte besehe, dass ich bloss
Egoist bin. Wäre ich als Prinz oder Fürst geboren, ich
würde mit Leib und Leben Aristokrat sein“
¹²⁾
. Und am
Ende seiner Karriere: „Ach wie wenig Sie au fait in mir
sind! Ich wünsche nichts sehnlicher, als die ganze Politik
loszuwerden. Ich bin der Politik müde und satt. Zwar ich
würde so leidenschaftlich wie je für dieselbe entflammen,
wenn ernste Ereignisse da wären oder wenn ich die Macht
hätte oder ein Mittel sähe, sie zu erobern — ein solches
Mittel, das sich für mich schickt (!); denn ohne höchste
Macht lässt sich nichts machen“
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Diese Gesinnung ist keineswegs als vorübergehende
Depression oder als Scherz aufzufassen. Sie drückt die Ent-
täuschung Lassalles über das Misslingen seiner allerpersön-
lichsten Machtpläne aus. Sie begleitete Lassalles Leben,
und lebte in seiner Partei auch fort nach Lassalles Tode,
als seine Testamentsvollstreckerin, eben jene Gräfin Hatzfeld,
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/183>, abgerufen am 24.11.2024.
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