Selbst sich bezieht" 28). Und wiederum meinte Bauer, so lange die Juden Juden blieben, könnten sie nicht emanzipiert werden; das aber sei für die Juden, die sich von jeher dem geschichtlichen Fortschritt widersetzt und in ihrem Hasse aller Völker sich das abenteuerlichste und beschränk- teste Volksleben geleistet hätten, deren Religion tierische Schlauheit und List sei, ausserordentlich schwer, wenn nicht unmöglich 29).
Durch solche Kritik und Betrachtung war die jüdische Religion und Absonderung tief kompromittiert, und so findet sich in Marxens Polemik mit Bauer jener verzweifelte Sprung aus der Tradition seiner Väter, den Marx mit dem Satze unternimmt: die Kritik der Religion sei die Voraus- setzung aller Kritik. Ohne die humanistisch sich neigende Haltung Feuerbachs einzunehmen, der die jüdischen Ele- mente des offiziellen Christentums abzulösen gedachte mit erlöster Liebe des Menschen zum Menschen, also mit dem neuen Testament, warf Marx die Religion als Kategorie beiseite wie ein verbrauchtes Gewand, ohne in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die er ja ebenfalls später für Phrasen erklärte, einen Ersatz zu finden. Die Religion ist ihm jetzt "die phantastische Verwirklichung des Menschen", "das Opium des Volkes", denn in der Religion "kommt das menschliche Elend zum Ausdruck, und durch sie wird gleichzeitig das Bewusstsein eingeschläfert"; die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks" 30). Aber nicht genug damit. Marx wendet sich gegen die ebenfalls kompromit- tierte ökonomische und egoistische Voraussetzung dieser Religion, den "weltlichen Grund des Judentums, den Schacher" und dessen "weltlichen Gott, das Geld" 31). Er zeigt im Judentum ein "allgemeines, gegenwärtiges, anti- soziales Element", das um so gefährlicher geworden sei, als auch das Christentum sich wieder in das Judentum auf- gelöst habe und der praktische Christ wieder Jude geworden
Selbst sich bezieht“ 28). Und wiederum meinte Bauer, so lange die Juden Juden blieben, könnten sie nicht emanzipiert werden; das aber sei für die Juden, die sich von jeher dem geschichtlichen Fortschritt widersetzt und in ihrem Hasse aller Völker sich das abenteuerlichste und beschränk- teste Volksleben geleistet hätten, deren Religion tierische Schlauheit und List sei, ausserordentlich schwer, wenn nicht unmöglich 29).
Durch solche Kritik und Betrachtung war die jüdische Religion und Absonderung tief kompromittiert, und so findet sich in Marxens Polemik mit Bauer jener verzweifelte Sprung aus der Tradition seiner Väter, den Marx mit dem Satze unternimmt: die Kritik der Religion sei die Voraus- setzung aller Kritik. Ohne die humanistisch sich neigende Haltung Feuerbachs einzunehmen, der die jüdischen Ele- mente des offiziellen Christentums abzulösen gedachte mit erlöster Liebe des Menschen zum Menschen, also mit dem neuen Testament, warf Marx die Religion als Kategorie beiseite wie ein verbrauchtes Gewand, ohne in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die er ja ebenfalls später für Phrasen erklärte, einen Ersatz zu finden. Die Religion ist ihm jetzt „die phantastische Verwirklichung des Menschen“, „das Opium des Volkes“, denn in der Religion „kommt das menschliche Elend zum Ausdruck, und durch sie wird gleichzeitig das Bewusstsein eingeschläfert“; die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks“ 30). Aber nicht genug damit. Marx wendet sich gegen die ebenfalls kompromit- tierte ökonomische und egoistische Voraussetzung dieser Religion, den „weltlichen Grund des Judentums, den Schacher“ und dessen „weltlichen Gott, das Geld“ 31). Er zeigt im Judentum ein „allgemeines, gegenwärtiges, anti- soziales Element“, das um so gefährlicher geworden sei, als auch das Christentum sich wieder in das Judentum auf- gelöst habe und der praktische Christ wieder Jude geworden
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lange die Juden Juden blieben, könnten sie nicht emanzipiert
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dem geschichtlichen Fortschritt widersetzt und in ihrem
Hasse aller Völker sich das abenteuerlichste und beschränk-
teste Volksleben geleistet hätten, deren Religion tierische
Schlauheit und List sei, ausserordentlich schwer, wenn nicht
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Durch solche Kritik und Betrachtung war die jüdische
Religion und Absonderung tief kompromittiert, und so findet
sich in Marxens Polemik mit Bauer jener verzweifelte
Sprung aus der Tradition seiner Väter, den Marx mit dem
Satze unternimmt: die Kritik der Religion sei die Voraus-
setzung aller Kritik. Ohne die humanistisch sich neigende
Haltung Feuerbachs einzunehmen, der die jüdischen Ele-
mente des offiziellen Christentums abzulösen gedachte mit
erlöster Liebe des Menschen zum Menschen, also mit dem
neuen Testament, warf Marx die Religion als Kategorie
beiseite wie ein verbrauchtes Gewand, ohne in Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit, die er ja ebenfalls später für
Phrasen erklärte, einen Ersatz zu finden. Die Religion ist
ihm jetzt „die phantastische Verwirklichung des Menschen“,
„das Opium des Volkes“, denn in der Religion „kommt
das menschliche Elend zum Ausdruck, und durch sie wird
gleichzeitig das Bewusstsein eingeschläfert“; die Aufhebung
der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die
Forderung seines wirklichen Glücks“
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damit. Marx wendet sich gegen die ebenfalls kompromit-
tierte ökonomische und egoistische Voraussetzung dieser
Religion, den „weltlichen Grund des Judentums, den
Schacher“ und dessen „weltlichen Gott, das Geld“
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zeigt im Judentum ein „allgemeines, gegenwärtiges, anti-
soziales Element“, das um so gefährlicher geworden sei,
als auch das Christentum sich wieder in das Judentum auf-
gelöst habe und der praktische Christ wieder Jude geworden
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/192>, abgerufen am 24.11.2024.
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