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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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Wissenschaftsabsolutisten Hegel'scher Provenienz in tiefem
innerem Widerspruch mit dem Brüderbewusstsein, wie es
in den Weitling'schen Zirkeln der vierziger Jahre im Auf-
leben begriffen war ! 42).

Das Wissen, wo es als höchstes Prinzip auftritt, tötet
notwendig den Enthusiasmus, den Geist und jenen aus irratio-
nalen Quellen fliessenden menschlichen Instinkt, der für die
Konflikte die einfachste Lösung findet. Das Wissen multi-
pliziert die Probleme, die Begeisterung löst und vereinfacht
sie. Das Wissen lähmt und verwirrt, die Begeisterung stärkt
und befreit. Das Wissen wird unter Marxens Führung zum
Tabernakel des Weltgeistes, dessen erhabener Besitzer Karl
Marx der Stifter wird einer Doktrin, an der so wenig ge-
rüttelt werden darf, wie am allein seligmachenden Glauben
der katholischen Kirche.

Hiess es bei Weitling noch: "Wir armen Sünder
glauben auch alle an Gott, obwohl wir nicht viel davon
sprechen und selten zu ihm beten; was aber wissen wir
von Gott? Nichts" 43), so ist jetzt die Losung: "Selbstver-
ständigung der Zeit über ihre Kämpfe und Wünsche" 44).
Hiess es bei Weitling noch: "Christus ist ein Prophet der
Freiheit, seine Lehre ist die der Freiheit und Liebe. Dieser
Christus muss uns armen Sündern Freund und Bruder
sein, kein übernatürliches, undenkbares Wesen, sondern wie
wir, denselben Schwächen unterworfen" 45), so wurde nun
aus dem in 20 Sprachen auf der Londoner Mitgliedskarte
des kommunistischen Arbeitervereins stehenden Motto "Alle
Menschen sind Brüder", die Parole "Proletarier aller Länder,
vereinigt euch!" 46)

Nach der gelenkigen Abfertigung unbequemer Rivalen
blieb die Arbeiterbewegung denn auch "vom christlichen
Sozialismus" wie Mehring verkündet, "nicht lange mehr
behelligt". Als Marx und Engels auf dem Londoner Bundes-
kongress 1847 ihr "Manifest der kommunistischen Partei"
vorlegten, wussten sie (ebenfalls nach Mehring), "dass in

Wissenschaftsabsolutisten Hegel'scher Provenienz in tiefem
innerem Widerspruch mit dem Brüderbewusstsein, wie es
in den Weitling'schen Zirkeln der vierziger Jahre im Auf-
leben begriffen war ! 42).

Das Wissen, wo es als höchstes Prinzip auftritt, tötet
notwendig den Enthusiasmus, den Geist und jenen aus irratio-
nalen Quellen fliessenden menschlichen Instinkt, der für die
Konflikte die einfachste Lösung findet. Das Wissen multi-
pliziert die Probleme, die Begeisterung löst und vereinfacht
sie. Das Wissen lähmt und verwirrt, die Begeisterung stärkt
und befreit. Das Wissen wird unter Marxens Führung zum
Tabernakel des Weltgeistes, dessen erhabener Besitzer Karl
Marx der Stifter wird einer Doktrin, an der so wenig ge-
rüttelt werden darf, wie am allein seligmachenden Glauben
der katholischen Kirche.

Hiess es bei Weitling noch: „Wir armen Sünder
glauben auch alle an Gott, obwohl wir nicht viel davon
sprechen und selten zu ihm beten; was aber wissen wir
von Gott? Nichts“ 43), so ist jetzt die Losung: „Selbstver-
ständigung der Zeit über ihre Kämpfe und Wünsche“ 44).
Hiess es bei Weitling noch: „Christus ist ein Prophet der
Freiheit, seine Lehre ist die der Freiheit und Liebe. Dieser
Christus muss uns armen Sündern Freund und Bruder
sein, kein übernatürliches, undenkbares Wesen, sondern wie
wir, denselben Schwächen unterworfen“ 45), so wurde nun
aus dem in 20 Sprachen auf der Londoner Mitgliedskarte
des kommunistischen Arbeitervereins stehenden Motto „Alle
Menschen sind Brüder“, die Parole „Proletarier aller Länder,
vereinigt euch!“ 46)

Nach der gelenkigen Abfertigung unbequemer Rivalen
blieb die Arbeiterbewegung denn auch „vom christlichen
Sozialismus“ wie Mehring verkündet, „nicht lange mehr
behelligt“. Als Marx und Engels auf dem Londoner Bundes-
kongress 1847 ihr „Manifest der kommunistischen Partei“
vorlegten, wussten sie (ebenfalls nach Mehring), „dass in

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[188/0196] Wissenschaftsabsolutisten Hegel'scher Provenienz in tiefem innerem Widerspruch mit dem Brüderbewusstsein, wie es in den Weitling'schen Zirkeln der vierziger Jahre im Auf- leben begriffen war ! ⁴²⁾ . Das Wissen, wo es als höchstes Prinzip auftritt, tötet notwendig den Enthusiasmus, den Geist und jenen aus irratio- nalen Quellen fliessenden menschlichen Instinkt, der für die Konflikte die einfachste Lösung findet. Das Wissen multi- pliziert die Probleme, die Begeisterung löst und vereinfacht sie. Das Wissen lähmt und verwirrt, die Begeisterung stärkt und befreit. Das Wissen wird unter Marxens Führung zum Tabernakel des Weltgeistes, dessen erhabener Besitzer Karl Marx der Stifter wird einer Doktrin, an der so wenig ge- rüttelt werden darf, wie am allein seligmachenden Glauben der katholischen Kirche. Hiess es bei Weitling noch: „Wir armen Sünder glauben auch alle an Gott, obwohl wir nicht viel davon sprechen und selten zu ihm beten; was aber wissen wir von Gott? Nichts“ ⁴³⁾ , so ist jetzt die Losung: „Selbstver- ständigung der Zeit über ihre Kämpfe und Wünsche“ ⁴⁴⁾ . Hiess es bei Weitling noch: „Christus ist ein Prophet der Freiheit, seine Lehre ist die der Freiheit und Liebe. Dieser Christus muss uns armen Sündern Freund und Bruder sein, kein übernatürliches, undenkbares Wesen, sondern wie wir, denselben Schwächen unterworfen“ ⁴⁵⁾ , so wurde nun aus dem in 20 Sprachen auf der Londoner Mitgliedskarte des kommunistischen Arbeitervereins stehenden Motto „Alle Menschen sind Brüder“, die Parole „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ ⁴⁶⁾ Nach der gelenkigen Abfertigung unbequemer Rivalen blieb die Arbeiterbewegung denn auch „vom christlichen Sozialismus“ wie Mehring verkündet, „nicht lange mehr behelligt“. Als Marx und Engels auf dem Londoner Bundes- kongress 1847 ihr „Manifest der kommunistischen Partei“ vorlegten, wussten sie (ebenfalls nach Mehring), „dass in

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/196>, abgerufen am 21.11.2024.