Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.einen feierlichen Beschluss von jeder Verantwortung für das Treiben der Bakunisten los" (wer hatte ihm diese Verantwortung übertragen?) "und stiess Bakunin nebst einem seiner Helfers- helfer aus dem Bunde". Der "Helfershelfer" war James Guillaume, Freund Bakunins und Führer der berühmten Jurassienne. Nirgends ist in Mehrings vierbändigen Werk, das alle Sottisen und Lächer- lichkeiten der deutschen sozialdemokratischen Entwicklung auf- zählt, von ihm die Rede. Und doch hat gerade Guillaume eine "Geschichte der Internationale" geschrieben, die man wenigstens mit der "Geschichte der deutschen Sozialdemokratie" vergleichen sollte, um sich ein Urteil zu bilden. Es geht nicht an, länger Geheimpolitik und Sektendogmatik mit einer der wichtigsten An- gelegenheiten der Menschheit zu treiben. Deutsche Gesamt- ausgaben der Werke Bakunins und James Guillaumes würden die nützlichsten Dienste leisten. 61) "Die romantische Schule", Hendel, Verlag, Halle, S. 95. 62) Zur Zeit des Hambacher Festes erschienen Aufsätze Mazzinis in einem von Dr. Wirth in Zweibrücken herausgegebenen demokratischen Journal. Vergl. auch Anmerkung 84. 63) Das humane System Ludwig Feuerbachs soll hiermit nicht unterschätzt werden. Wenn es auch erst heute mit Marx, Bakunin und Nietzsche zu populärer Wirkung gelangt, so stellt es doch die erste reine, reale, gesellschaftlich rebellierende Philosophie des neueren Deutschland dar und zählt damit zu den wahrhaft klassischen Leistungen der Nation. "Wer von mir nichts weiter sagt und weiss", schrieb Feuerbach (Werke I, S. XIV, XV), "als: ich bin Atheist, der sagt und weiss soviel von mir wie Nichts. Die Frage, ob ein Gott ist, oder nicht ist, der Gegensatz von Theismus und Atheismus gehört dem 18. und 17. Jahrhundert an. Ich negiere Gott, das heisst bei mir, ich negiere die Negation des Menschen, ich stelle an die Stelle der illusorischen, phantasti- schen, himmlischen Position des Menschen, welche im wirklichen Leben notwendig zur Negation des Menschen wird, die sinnliche, wirkliche, folglich notwendig auch politische und soziale Position des Menschen". Durch seine Identifikation der Vernunft mit der Liebe ("Die Liebe ist Vernunft", Werke I, S. 119), überhaupt durch Betonung der diesseitigen Aufgaben und Pflichten, rückte er in höchst produktiver Weise dem herrschenden theokratischen System zu Leibe, und Masaryk bestätigt, dass Feuerbachs Einfluss gerade auf Marx "sehr bedeutend war, viel bedeuten- der als man bisher anzunehmen pflegt". Feuerbach schrieb: "Der Zweck meiner Schriften, so auch meiner Vorlesungen ist, einen feierlichen Beschluss von jeder Verantwortung für das Treiben der Bakunisten los“ (wer hatte ihm diese Verantwortung übertragen?) „und stiess Bakunin nebst einem seiner Helfers- helfer aus dem Bunde“. Der „Helfershelfer“ war James Guillaume, Freund Bakunins und Führer der berühmten Jurassienne. Nirgends ist in Mehrings vierbändigen Werk, das alle Sottisen und Lächer- lichkeiten der deutschen sozialdemokratischen Entwicklung auf- zählt, von ihm die Rede. Und doch hat gerade Guillaume eine „Geschichte der Internationale“ geschrieben, die man wenigstens mit der „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie“ vergleichen sollte, um sich ein Urteil zu bilden. Es geht nicht an, länger Geheimpolitik und Sektendogmatik mit einer der wichtigsten An- gelegenheiten der Menschheit zu treiben. Deutsche Gesamt- ausgaben der Werke Bakunins und James Guillaumes würden die nützlichsten Dienste leisten. 61) „Die romantische Schule“, Hendel, Verlag, Halle, S. 95. 62) Zur Zeit des Hambacher Festes erschienen Aufsätze Mazzinis in einem von Dr. Wirth in Zweibrücken herausgegebenen demokratischen Journal. Vergl. auch Anmerkung 84. 63) Das humane System Ludwig Feuerbachs soll hiermit nicht unterschätzt werden. Wenn es auch erst heute mit Marx, Bakunin und Nietzsche zu populärer Wirkung gelangt, so stellt es doch die erste reine, reale, gesellschaftlich rebellierende Philosophie des neueren Deutschland dar und zählt damit zu den wahrhaft klassischen Leistungen der Nation. „Wer von mir nichts weiter sagt und weiss“, schrieb Feuerbach (Werke I, S. XIV, XV), „als: ich bin Atheist, der sagt und weiss soviel von mir wie Nichts. Die Frage, ob ein Gott ist, oder nicht ist, der Gegensatz von Theismus und Atheismus gehört dem 18. und 17. Jahrhundert an. Ich negiere Gott, das heisst bei mir, ich negiere die Negation des Menschen, ich stelle an die Stelle der illusorischen, phantasti- schen, himmlischen Position des Menschen, welche im wirklichen Leben notwendig zur Negation des Menschen wird, die sinnliche, wirkliche, folglich notwendig auch politische und soziale Position des Menschen“. Durch seine Identifikation der Vernunft mit der Liebe („Die Liebe ist Vernunft“, Werke I, S. 119), überhaupt durch Betonung der diesseitigen Aufgaben und Pflichten, rückte er in höchst produktiver Weise dem herrschenden theokratischen System zu Leibe, und Masaryk bestätigt, dass Feuerbachs Einfluss gerade auf Marx „sehr bedeutend war, viel bedeuten- der als man bisher anzunehmen pflegt“. 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⁶⁰⁾ einen feierlichen Beschluss von jeder Verantwortung für das
Treiben der Bakunisten los“ (wer hatte ihm diese Verantwortung
übertragen?) „und stiess Bakunin nebst einem seiner Helfers-
helfer aus dem Bunde“. Der „Helfershelfer“ war James Guillaume,
Freund Bakunins und Führer der berühmten Jurassienne. Nirgends
ist in Mehrings vierbändigen Werk, das alle Sottisen und Lächer-
lichkeiten der deutschen sozialdemokratischen Entwicklung auf-
zählt, von ihm die Rede. Und doch hat gerade Guillaume eine
„Geschichte der Internationale“ geschrieben, die man wenigstens
mit der „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie“ vergleichen
sollte, um sich ein Urteil zu bilden. Es geht nicht an, länger
Geheimpolitik und Sektendogmatik mit einer der wichtigsten An-
gelegenheiten der Menschheit zu treiben. Deutsche Gesamt-
ausgaben der Werke Bakunins und James Guillaumes würden
die nützlichsten Dienste leisten.
⁶¹⁾ „Die romantische Schule“, Hendel, Verlag, Halle, S. 95.
⁶²⁾ Zur Zeit des Hambacher Festes erschienen Aufsätze
Mazzinis in einem von Dr. Wirth in Zweibrücken herausgegebenen
demokratischen Journal. Vergl. auch Anmerkung 84.
⁶³⁾ Das humane System Ludwig Feuerbachs soll hiermit
nicht unterschätzt werden. Wenn es auch erst heute mit Marx,
Bakunin und Nietzsche zu populärer Wirkung gelangt, so stellt es
doch die erste reine, reale, gesellschaftlich rebellierende Philosophie
des neueren Deutschland dar und zählt damit zu den wahrhaft
klassischen Leistungen der Nation. „Wer von mir nichts weiter
sagt und weiss“, schrieb Feuerbach (Werke I, S. XIV, XV), „als:
ich bin Atheist, der sagt und weiss soviel von mir wie Nichts.
Die Frage, ob ein Gott ist, oder nicht ist, der Gegensatz von
Theismus und Atheismus gehört dem 18. und 17. Jahrhundert
an. Ich negiere Gott, das heisst bei mir, ich negiere die Negation
des Menschen, ich stelle an die Stelle der illusorischen, phantasti-
schen, himmlischen Position des Menschen, welche im wirklichen
Leben notwendig zur Negation des Menschen wird, die sinnliche,
wirkliche, folglich notwendig auch politische und soziale Position
des Menschen“. Durch seine Identifikation der Vernunft mit
der Liebe („Die Liebe ist Vernunft“, Werke I, S. 119), überhaupt
durch Betonung der diesseitigen Aufgaben und Pflichten, rückte
er in höchst produktiver Weise dem herrschenden theokratischen
System zu Leibe, und Masaryk bestätigt, dass Feuerbachs
Einfluss gerade auf Marx „sehr bedeutend war, viel bedeuten-
der als man bisher anzunehmen pflegt“. Feuerbach schrieb:
„Der Zweck meiner Schriften, so auch meiner Vorlesungen ist,
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