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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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gar nicht zu reden), wusste sehr wohl, dass sich mit "revolu-
tionären Marxisten" bei weitem besser arbeiten lässt, als mit
einer von religiöser Feindschaft getragenen Monarchie. Und die
Ereignisse bewiesen, dass es dem Generalstab gelang, Russland
durch seine Marxisten gründlicher zu ruinieren, als zehn schreck-
liche Iwans es vermocht hätten.
78) Aus Bakunins "Abschiedsbrief an die jurassische Föde-
ration" nach dem Kongress der anti-autoritären Internationalisten,
1873: "So ist Euer Sieg, der Sieg der Freiheit und der Inter-
nationale gegen die autoritäre Intrige, vollständig. Aber bevor
wir uns trennen, gestattet mir noch einen letzten brüderlichen
Rat: Meine Freunde, die internationale Reaktion hat ihr Zentrum
heute nicht mehr in diesem armen Frankreich -- so possierlich von
der Versailler Versammlung dem Sacre-Coeur geweiht --, sondern
in Deutschland, in Berlin; und ihre beiden Vertreter sind ebenso
gut der Sozialismus von Marx als die Diplomatie Bismarcks.
Diese Reaktion setzt sich als Endziel die Veralldeutschung Eu-
ropas
und droht zu dieser Stunde alles zu verschlingen und um-
zukehren. Sie hat der Internationale, die heute nur noch aus den
autonomen und freien Föderationen besteht, den Krieg aufs
Messer erklärt. Wie die Proletarier aller anderen Länder, sollt
auch Ihr, obgleich Ihr zu einer heute noch freien Republik ge-
hört, die Reaktion bekämpfen, denn sie steht zwischen Euch und
dem Endziel, der Emanzipation des Proletariats der ganzen Welt".
(Brupbacher, "Marx und Bakunin", S. 160).
79) Walter Rathenau, "Von kommenden Dingen", S. 263.
Wörtlich beginnt dies Zitat: "Dieses hingebungsvolle Unter-
schichten- und Untertanenbewusstsein erfüllt in Preussen Mil-
lionen von Seelen und dringt bis hinauf in das freiere (!) Bürger-
tum, wo es dann freilich verderbte und sittlich gefährliche Formen
annimmt. In seiner reinsten Form zeigt es kindlich schöne
Züge (!) und fügt sich in das glückliche Patriarchenverhältnis,
das uns in jeder Völkerjugend rührt. Volkspsychologisch sind
diese Züge von hohem Wert; sie schaffen die disziplinierbarste
und organisierbarste Masse, die wir kennen etc. etc". Der solchen
Galimathias schreibt, erlässt heute als "Führer der Nation" und
Präsident der A. E. G. Aufrufe an die Jugend und versteht es
auch sonst, die "spekulative" deutsche Tradition bestens zu
handhaben.
80) Die Bekämpfung dieser junkerlichen Ideologie erfordert
einen geläuterten Nationalismus, der das Heil der Menschheit
nicht in der Umgehung der Nation und im Verzicht auf ihre
gar nicht zu reden), wusste sehr wohl, dass sich mit „revolu-
tionären Marxisten“ bei weitem besser arbeiten lässt, als mit
einer von religiöser Feindschaft getragenen Monarchie. Und die
Ereignisse bewiesen, dass es dem Generalstab gelang, Russland
durch seine Marxisten gründlicher zu ruinieren, als zehn schreck-
liche Iwans es vermocht hätten.
78) Aus Bakunins „Abschiedsbrief an die jurassische Föde-
ration“ nach dem Kongress der anti-autoritären Internationalisten,
1873: „So ist Euer Sieg, der Sieg der Freiheit und der Inter-
nationale gegen die autoritäre Intrige, vollständig. Aber bevor
wir uns trennen, gestattet mir noch einen letzten brüderlichen
Rat: Meine Freunde, die internationale Reaktion hat ihr Zentrum
heute nicht mehr in diesem armen Frankreich — so possierlich von
der Versailler Versammlung dem Sacré-Cœur geweiht —, sondern
in Deutschland, in Berlin; und ihre beiden Vertreter sind ebenso
gut der Sozialismus von Marx als die Diplomatie Bismarcks.
Diese Reaktion setzt sich als Endziel die Veralldeutschung Eu-
ropas
und droht zu dieser Stunde alles zu verschlingen und um-
zukehren. Sie hat der Internationale, die heute nur noch aus den
autonomen und freien Föderationen besteht, den Krieg aufs
Messer erklärt. Wie die Proletarier aller anderen Länder, sollt
auch Ihr, obgleich Ihr zu einer heute noch freien Republik ge-
hört, die Reaktion bekämpfen, denn sie steht zwischen Euch und
dem Endziel, der Emanzipation des Proletariats der ganzen Welt“.
(Brupbacher, „Marx und Bakunin“, S. 160).
79) Walter Rathenau, „Von kommenden Dingen“, S. 263.
Wörtlich beginnt dies Zitat: „Dieses hingebungsvolle Unter-
schichten- und Untertanenbewusstsein erfüllt in Preussen Mil-
lionen von Seelen und dringt bis hinauf in das freiere (!) Bürger-
tum, wo es dann freilich verderbte und sittlich gefährliche Formen
annimmt. In seiner reinsten Form zeigt es kindlich schöne
Züge (!) und fügt sich in das glückliche Patriarchenverhältnis,
das uns in jeder Völkerjugend rührt. Volkspsychologisch sind
diese Züge von hohem Wert; sie schaffen die disziplinierbarste
und organisierbarste Masse, die wir kennen etc. etc“. Der solchen
Galimathias schreibt, erlässt heute als „Führer der Nation“ und
Präsident der A. E. G. Aufrufe an die Jugend und versteht es
auch sonst, die „spekulative“ deutsche Tradition bestens zu
handhaben.
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einen geläuterten Nationalismus, der das Heil der Menschheit
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[312/0320] ⁷⁷⁾ gar nicht zu reden), wusste sehr wohl, dass sich mit „revolu- tionären Marxisten“ bei weitem besser arbeiten lässt, als mit einer von religiöser Feindschaft getragenen Monarchie. Und die Ereignisse bewiesen, dass es dem Generalstab gelang, Russland durch seine Marxisten gründlicher zu ruinieren, als zehn schreck- liche Iwans es vermocht hätten. ⁷⁸⁾ Aus Bakunins „Abschiedsbrief an die jurassische Föde- ration“ nach dem Kongress der anti-autoritären Internationalisten, 1873: „So ist Euer Sieg, der Sieg der Freiheit und der Inter- nationale gegen die autoritäre Intrige, vollständig. Aber bevor wir uns trennen, gestattet mir noch einen letzten brüderlichen Rat: Meine Freunde, die internationale Reaktion hat ihr Zentrum heute nicht mehr in diesem armen Frankreich — so possierlich von der Versailler Versammlung dem Sacré-Cœur geweiht —, sondern in Deutschland, in Berlin; und ihre beiden Vertreter sind ebenso gut der Sozialismus von Marx als die Diplomatie Bismarcks. Diese Reaktion setzt sich als Endziel die Veralldeutschung Eu- ropas und droht zu dieser Stunde alles zu verschlingen und um- zukehren. Sie hat der Internationale, die heute nur noch aus den autonomen und freien Föderationen besteht, den Krieg aufs Messer erklärt. Wie die Proletarier aller anderen Länder, sollt auch Ihr, obgleich Ihr zu einer heute noch freien Republik ge- hört, die Reaktion bekämpfen, denn sie steht zwischen Euch und dem Endziel, der Emanzipation des Proletariats der ganzen Welt“. (Brupbacher, „Marx und Bakunin“, S. 160). ⁷⁹⁾ Walter Rathenau, „Von kommenden Dingen“, S. 263. Wörtlich beginnt dies Zitat: „Dieses hingebungsvolle Unter- schichten- und Untertanenbewusstsein erfüllt in Preussen Mil- lionen von Seelen und dringt bis hinauf in das freiere (!) Bürger- tum, wo es dann freilich verderbte und sittlich gefährliche Formen annimmt. In seiner reinsten Form zeigt es kindlich schöne Züge (!) und fügt sich in das glückliche Patriarchenverhältnis, das uns in jeder Völkerjugend rührt. Volkspsychologisch sind diese Züge von hohem Wert; sie schaffen die disziplinierbarste und organisierbarste Masse, die wir kennen etc. etc“. Der solchen Galimathias schreibt, erlässt heute als „Führer der Nation“ und Präsident der A. E. G. Aufrufe an die Jugend und versteht es auch sonst, die „spekulative“ deutsche Tradition bestens zu handhaben. ⁸⁰⁾ Die Bekämpfung dieser junkerlichen Ideologie erfordert einen geläuterten Nationalismus, der das Heil der Menschheit nicht in der Umgehung der Nation und im Verzicht auf ihre

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/320>, abgerufen am 21.11.2024.