Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

Bild:
<< vorherige Seite

der Prophet saget. Wer da nun wider den Türken fechten
will, der darf nicht fern ziehen, er ist im Lande. Wer aber
ein Stein der neuen Kirche sein will, der wage seinen Hals,
sonst wird er durch die Bauleute verworfen werden".

Er beruft sich auf Lukas 19, 27: "Nehmet meine
Feinde und würget sie vor meinen Augen". Er verwirft das
Christuswort "Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist,"
und hält sich an das alte Testament: Fürsten gemordet
auf Prophetengeheiss, im Namen Gottes verworfen; Haus
und Kind derselben erwürgt bis auf den letzten geflüchteten
Sprössling.

Gebet dem Volke, was des Volkes ist, das ist die
Losung. Denn Christus hat in der Hauptsache gelehrt: alle
Menschen sind Kinder eines Vaters, Brüder, unter sich selbst
gleich. Von der Rechtmässigkeit der geistlichen Fürstengewalt
stand nichts in der Bibel, von der weltlichen aber auch
nicht. "Gott hat die Herren und Fürsten in seinem Grimm
der Welt gegeben und er will sie in der Erbitterung wieder
wegtun. Darum dass der Mensch zu der Kreatur gefallen
ist, ist's über die Massen billig gewesen, dass er die Kreatur
auch mehr denn Gott muss fürchten". "Die Fürsten sind
um der henkerischen Furcht willen. Sie sind nichts anderes
denn Henker und Büttel, das ist ihr ganzes Handwerk".
"Wenn nun die Wüteriche (der Bürokratie) wollen vorgeben,
ihr sollt euren Fürsten und Herren gehorsam sein, so habt
ihr zu antworten: ein Fürst und Landesherr ist über zeitliche
Güter gestellt zu regieren und seine Gewalt erstreckt sich
auch nicht weiter" 54).

Das bedeutete auch die Trennung von Staat und Kirche,
aber jedenfalls die Unterordnung der Fürsten unter die geistige
Macht. An seine Landesfürsten wandte er sich: "Ihr aller-
teuersten und liebsten Regenten, lernt euer Urteil recht aus
dem Munde Gottes und lasst euch von euren heuchlerischen
Pfaffen nicht verführen und mit gedichteter Geduld und
Güte aufhalten" 55). An Luther aber folgendermassen: "Warum

der Prophet saget. Wer da nun wider den Türken fechten
will, der darf nicht fern ziehen, er ist im Lande. Wer aber
ein Stein der neuen Kirche sein will, der wage seinen Hals,
sonst wird er durch die Bauleute verworfen werden“.

Er beruft sich auf Lukas 19, 27: „Nehmet meine
Feinde und würget sie vor meinen Augen“. Er verwirft das
Christuswort „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist,“
und hält sich an das alte Testament: Fürsten gemordet
auf Prophetengeheiss, im Namen Gottes verworfen; Haus
und Kind derselben erwürgt bis auf den letzten geflüchteten
Sprössling.

Gebet dem Volke, was des Volkes ist, das ist die
Losung. Denn Christus hat in der Hauptsache gelehrt: alle
Menschen sind Kinder eines Vaters, Brüder, unter sich selbst
gleich. Von der Rechtmässigkeit der geistlichen Fürstengewalt
stand nichts in der Bibel, von der weltlichen aber auch
nicht. „Gott hat die Herren und Fürsten in seinem Grimm
der Welt gegeben und er will sie in der Erbitterung wieder
wegtun. Darum dass der Mensch zu der Kreatur gefallen
ist, ist's über die Massen billig gewesen, dass er die Kreatur
auch mehr denn Gott muss fürchten“. „Die Fürsten sind
um der henkerischen Furcht willen. Sie sind nichts anderes
denn Henker und Büttel, das ist ihr ganzes Handwerk“.
„Wenn nun die Wüteriche (der Bürokratie) wollen vorgeben,
ihr sollt euren Fürsten und Herren gehorsam sein, so habt
ihr zu antworten: ein Fürst und Landesherr ist über zeitliche
Güter gestellt zu regieren und seine Gewalt erstreckt sich
auch nicht weiter“ 54).

Das bedeutete auch die Trennung von Staat und Kirche,
aber jedenfalls die Unterordnung der Fürsten unter die geistige
Macht. An seine Landesfürsten wandte er sich: „Ihr aller-
teuersten und liebsten Regenten, lernt euer Urteil recht aus
dem Munde Gottes und lasst euch von euren heuchlerischen
Pfaffen nicht verführen und mit gedichteter Geduld und
Güte aufhalten“ 55). An Luther aber folgendermassen: „Warum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="45"/>
der Prophet saget. Wer da nun wider den Türken fechten<lb/>
will, der darf nicht fern ziehen, er ist im Lande. Wer aber<lb/>
ein Stein der neuen Kirche sein will, der wage seinen Hals,<lb/>
sonst wird er durch die Bauleute verworfen werden&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Er beruft sich auf Lukas 19, 27: &#x201E;Nehmet meine<lb/>
Feinde und würget sie vor meinen Augen&#x201C;. Er verwirft das<lb/>
Christuswort &#x201E;Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist,&#x201C;<lb/>
und hält sich an das alte Testament: Fürsten gemordet<lb/>
auf Prophetengeheiss, im Namen Gottes verworfen; Haus<lb/>
und Kind derselben erwürgt bis auf den letzten geflüchteten<lb/>
Sprössling.</p><lb/>
          <p>Gebet dem Volke, was des Volkes ist, das ist die<lb/>
Losung. Denn Christus hat in der Hauptsache gelehrt: alle<lb/>
Menschen sind Kinder eines Vaters, Brüder, unter sich selbst<lb/>
gleich. Von der Rechtmässigkeit der geistlichen Fürstengewalt<lb/>
stand nichts in der Bibel, von der weltlichen aber auch<lb/>
nicht. &#x201E;Gott hat die Herren und Fürsten in seinem Grimm<lb/>
der Welt gegeben und er will sie in der Erbitterung wieder<lb/>
wegtun. Darum dass der Mensch zu der Kreatur gefallen<lb/>
ist, ist's über die Massen billig gewesen, dass er die Kreatur<lb/>
auch mehr denn Gott muss fürchten&#x201C;. &#x201E;Die Fürsten sind<lb/>
um der henkerischen Furcht willen. Sie sind nichts anderes<lb/>
denn Henker und Büttel, das ist ihr ganzes Handwerk&#x201C;.<lb/>
&#x201E;Wenn nun die Wüteriche (der Bürokratie) wollen vorgeben,<lb/>
ihr sollt euren Fürsten und Herren gehorsam sein, so habt<lb/>
ihr zu antworten: ein Fürst und Landesherr ist über zeitliche<lb/>
Güter gestellt zu regieren und seine Gewalt erstreckt sich<lb/>
auch nicht weiter&#x201C; <note xml:id="id54a" next="id54a54a" place="end" n="54)"/>.</p><lb/>
          <p>Das bedeutete auch die Trennung von Staat und Kirche,<lb/>
aber jedenfalls die Unterordnung der Fürsten unter die geistige<lb/>
Macht. An seine Landesfürsten wandte er sich: &#x201E;Ihr aller-<lb/>
teuersten und liebsten Regenten, lernt euer Urteil recht aus<lb/>
dem Munde Gottes und lasst euch von euren heuchlerischen<lb/>
Pfaffen nicht verführen und mit gedichteter Geduld und<lb/>
Güte aufhalten&#x201C; <note xml:id="id55a" next="id55a55a" place="end" n="55)"/>. An Luther aber folgendermassen: &#x201E;Warum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0053] der Prophet saget. Wer da nun wider den Türken fechten will, der darf nicht fern ziehen, er ist im Lande. Wer aber ein Stein der neuen Kirche sein will, der wage seinen Hals, sonst wird er durch die Bauleute verworfen werden“. Er beruft sich auf Lukas 19, 27: „Nehmet meine Feinde und würget sie vor meinen Augen“. Er verwirft das Christuswort „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist,“ und hält sich an das alte Testament: Fürsten gemordet auf Prophetengeheiss, im Namen Gottes verworfen; Haus und Kind derselben erwürgt bis auf den letzten geflüchteten Sprössling. Gebet dem Volke, was des Volkes ist, das ist die Losung. Denn Christus hat in der Hauptsache gelehrt: alle Menschen sind Kinder eines Vaters, Brüder, unter sich selbst gleich. Von der Rechtmässigkeit der geistlichen Fürstengewalt stand nichts in der Bibel, von der weltlichen aber auch nicht. „Gott hat die Herren und Fürsten in seinem Grimm der Welt gegeben und er will sie in der Erbitterung wieder wegtun. Darum dass der Mensch zu der Kreatur gefallen ist, ist's über die Massen billig gewesen, dass er die Kreatur auch mehr denn Gott muss fürchten“. „Die Fürsten sind um der henkerischen Furcht willen. Sie sind nichts anderes denn Henker und Büttel, das ist ihr ganzes Handwerk“. „Wenn nun die Wüteriche (der Bürokratie) wollen vorgeben, ihr sollt euren Fürsten und Herren gehorsam sein, so habt ihr zu antworten: ein Fürst und Landesherr ist über zeitliche Güter gestellt zu regieren und seine Gewalt erstreckt sich auch nicht weiter“ ⁵⁴⁾ . Das bedeutete auch die Trennung von Staat und Kirche, aber jedenfalls die Unterordnung der Fürsten unter die geistige Macht. An seine Landesfürsten wandte er sich: „Ihr aller- teuersten und liebsten Regenten, lernt euer Urteil recht aus dem Munde Gottes und lasst euch von euren heuchlerischen Pfaffen nicht verführen und mit gedichteter Geduld und Güte aufhalten“ ⁵⁵⁾ . An Luther aber folgendermassen: „Warum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Schulz, Dienstleister (Muttersprachler): Bereitstellung der Texttranskription nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-02-17T09:20:45Z)
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-02-17T09:20:45Z)

Weitere Informationen:

  • Nach den Richtlinien des Deutschen Textarchivs (DTA) transkribiert und ausgezeichnet.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/53
Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/53>, abgerufen am 05.12.2024.