Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Joh. Barclayens Argenis/ einem vhralten edelen Lydischen Geschlechte: sonstlebendigen Geistes vnd reiffen Verstandes/ bey wich- tigen Geschäfften erzogen/ voll Wissenschafft vnd Fleisses: als auch grosses Reichthumb darzu kom- men/ welchs alle Würden zieren können/ hat er bald in der Jugend angefangen heyligen Geschäfften ob zuligen. Doch ist er etwas längsamer in den geistli- chen hohen Orden getretten als seine Freunde zwar gehoffet hetten; weil jhrer viel gemeynet/ daß er den- selben noch in der ersten Blüte deß Alters annehmen würde. Es ist jm aber rühmlich gewesen/ solche Ho- heit zuvor verdienen als erlangen. Nachmals hatt er sich im Recht sitzen/ Absendungen/ Verwaltung der Prouintzen/ vnd anderen Geschäfften also ver- halten/ daß man darvon nicht erst fragen darff. Er hat nit weniger Ehr eyngeleget wegen seiner Barm- hertzigkeit vnd Sanfftmuth/ als wegen der Gerech- tigkeit. Vnd wiewol er sich dermassen stattlich ge- halten/ auch gegen dürfftigen Leuten sehr freyge- big gewesen/ daß er in grosse Schmälerung deß seinigen gerahten/ so ist er doch von solcher Red- ligkeit/ daß er dem gemeinen Wesen nichts entzo- gen/ noch sich in Gerichts Sachen besiechen lassen (welche Laster jetzundt so gemein sind/ daß man sich vber dem verwundern muß der von jhnen frey ist.) So hat er auch nie wollen eynwilligen/ daß jhn die Könige (welches andere suchen) jhnen durch Ge- schencke verbündlich machten. Sein Gemüte ist zu gleich anmuhtig vnd herbe/ nach dem er Tugend o- der La-
Joh. Barclayens Argenis/ einem vhralten edelen Lydiſchen Geſchlechte: ſonſtlebendigen Geiſtes vñ reiffen Verſtandes/ bey wich- tigen Geſchaͤfften erzogen/ voll Wiſſenſchafft vnd Fleiſſes: als auch groſſes Reichthumb darzu kom- men/ welchs alle Wuͤrden zieren koͤnnen/ hat er bald in der Jugend angefangen heyligen Geſchaͤfften ob zuligen. Doch iſt er etwas laͤngſamer in den geiſtli- chen hohen Orden getretten als ſeine Freunde zwar gehoffet hetten; weil jhrer viel gemeynet/ daß er den- ſelben noch in der erſten Bluͤte deß Alters annehmen wuͤrde. Es iſt jm aber ruͤhmlich geweſen/ ſolche Ho- heit zuvor verdienen als erlangen. Nachmals hatt er ſich im Recht ſitzen/ Abſendungen/ Verwaltung der Prouintzen/ vnd anderen Geſchaͤfften alſo ver- halten/ daß man darvon nicht erſt fragen darff. Er hat nit weniger Ehr eyngeleget wegẽ ſeiner Barm- hertzigkeit vnd Sanfftmuth/ als wegen der Gerech- tigkeit. Vnd wiewol er ſich dermaſſen ſtattlich ge- halten/ auch gegen duͤrfftigen Leuten ſehr freyge- big geweſen/ daß er in groſſe Schmaͤlerung deß ſeinigen gerahten/ ſo iſt er doch von ſolcher Red- ligkeit/ daß er dem gemeinen Weſen nichts entzo- gen/ noch ſich in Gerichts Sachen beſiechen laſſen (welche Laſter jetzundt ſo gemein ſind/ daß man ſich vber dem verwundern muß der von jhnen frey iſt.) So hat er auch nie wollen eynwilligen/ daß jhn die Koͤnige (welches andere ſuchen) jhnen durch Ge- ſchencke verbuͤndlich machten. Sein Gemuͤte iſt zu gleich anmuhtig vnd herbe/ nach dem er Tugend o- der La-
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Joh. Barclayens Argenis/
einem vhralten edelen Lydiſchen Geſchlechte: ſonſt
lebendigen Geiſtes vñ reiffen Verſtandes/ bey wich-
tigen Geſchaͤfften erzogen/ voll Wiſſenſchafft vnd
Fleiſſes: als auch groſſes Reichthumb darzu kom-
men/ welchs alle Wuͤrden zieren koͤnnen/ hat er bald
in der Jugend angefangen heyligen Geſchaͤfften ob
zuligen. Doch iſt er etwas laͤngſamer in den geiſtli-
chen hohen Orden getretten als ſeine Freunde zwar
gehoffet hetten; weil jhrer viel gemeynet/ daß er den-
ſelben noch in der erſten Bluͤte deß Alters annehmen
wuͤrde. Es iſt jm aber ruͤhmlich geweſen/ ſolche Ho-
heit zuvor verdienen als erlangen. Nachmals hatt
er ſich im Recht ſitzen/ Abſendungen/ Verwaltung
der Prouintzen/ vnd anderen Geſchaͤfften alſo ver-
halten/ daß man darvon nicht erſt fragen darff. Er
hat nit weniger Ehr eyngeleget wegẽ ſeiner Barm-
hertzigkeit vnd Sanfftmuth/ als wegen der Gerech-
tigkeit. Vnd wiewol er ſich dermaſſen ſtattlich ge-
halten/ auch gegen duͤrfftigen Leuten ſehr freyge-
big geweſen/ daß er in groſſe Schmaͤlerung deß
ſeinigen gerahten/ ſo iſt er doch von ſolcher Red-
ligkeit/ daß er dem gemeinen Weſen nichts entzo-
gen/ noch ſich in Gerichts Sachen beſiechen laſſen
(welche Laſter jetzundt ſo gemein ſind/ daß man ſich
vber dem verwundern muß der von jhnen frey iſt.)
So hat er auch nie wollen eynwilligen/ daß jhn
die Koͤnige (welches andere ſuchen) jhnen durch Ge-
ſchencke verbuͤndlich machten. Sein Gemuͤte iſt zu
gleich anmuhtig vnd herbe/ nach dem er Tugend o-
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