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Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.

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Das Erste Buch.
gegangen? wie leichte vnd geschwinde were er doch
gefallen?

In dem sie solche Gedancken hatten/ waren die
ersten auff den Platz kommen/ darinnen die Opf-
fer mit schönen Bändern gezieret waren; vnd die
Priester warteten schon gantz bereytet/ biß Argenis
mit gebührlichen Worten die Götter solche Opf-
ferung anzunehmen beruffete. Sie aber ward mehr
vnd mehr vom Schmertzen vberlauffen/ hieß die
andern ein wenig von jhr tretten/ vnd redete in ei-
nem heimlichen Orte deß Tempels also mit sich
selber: Was hast du gesehen/ du elende Argenis?
Was hast du gesehen/ du Vrsache deß Vbels ei-
nes so fürtrefflichen Mannes? Was hast du ge-
sehen/ vnd zu was für einem Vnglücke wirst du
fürbehalten? Daß Poliarchus fliehe/ vnd Lyco-
genes triumphiere? Kanst du das leyden? Du ei-
ne königliche Tochter? Der die Krone bestimmet
ist? Wann du dich für eine Fürstin erkennest/ wa-
rumb erhältest du jhn nicht hier? Bist du seine
Braut/ warumb fleuchst du nicht mit jhm? Ich
sehe wol es hat nichts gemangelt/ als daß du ein
Heroldt würdest/ den Frieden helffen fortzustel-
len/ welchen dein Vatter vnd Lycogenes tref-
fen. Den Frieden/ o jhr Götter/ welchen sie gemacht
haben zum Vntergange deß Poliarchus. Mit
was für Gewissen wirst du künfftig den Poliar-
chusich sage nicht dörffen schawen/ sondern nur ab-
wesende anreden/ seiner Tugendt erwehnen/ sein

Gesichte

Das Erſte Buch.
gegangen? wie leichte vnd geſchwinde were er doch
gefallen?

In dem ſie ſolche Gedancken hatten/ waren die
erſten auff den Platz kommen/ darinnen die Opf-
fer mit ſchoͤnen Baͤndern gezieret waren; vnd die
Prieſter warteten ſchon gantz bereytet/ biß Argenis
mit gebuͤhrlichen Worten die Goͤtter ſolche Opf-
ferung anzunehmen beruffete. Sie aber ward mehr
vnd mehr vom Schmertzen vberlauffen/ hieß die
andern ein wenig von jhr tretten/ vnd redete in ei-
nem heimlichen Orte deß Tempels alſo mit ſich
ſelber: Was haſt du geſehen/ du elende Argenis?
Was haſt du geſehen/ du Vrſache deß Vbels ei-
nes ſo fuͤrtrefflichen Mannes? Was haſt du ge-
ſehen/ vnd zu was fuͤr einem Vngluͤcke wirſt du
fuͤrbehalten? Daß Poliarchus fliehe/ vnd Lyco-
genes triumphiere? Kanſt du das leyden? Du ei-
ne koͤnigliche Tochter? Der die Krone beſtimmet
iſt? Wann du dich fuͤr eine Fuͤrſtin erkenneſt/ wa-
rumb erhaͤlteſt du jhn nicht hier? Biſt du ſeine
Braut/ warumb fleuchſt du nicht mit jhm? Ich
ſehe wol es hat nichts gemangelt/ als daß du ein
Heroldt wuͤrdeſt/ den Frieden helffen fortzuſtel-
len/ welchen dein Vatter vnd Lycogenes tref-
fen. Den Frieden/ o jhr Goͤtter/ welchen ſie gemacht
haben zum Vntergange deß Poliarchus. Mit
was fuͤr Gewiſſen wirſt du kuͤnfftig den Poliar-
chusich ſage nicht doͤrffen ſchawen/ ſondern nur ab-
weſende anreden/ ſeiner Tugendt erwehnen/ ſein

Geſichte
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[175/0219] Das Erſte Buch. gegangen? wie leichte vnd geſchwinde were er doch gefallen? In dem ſie ſolche Gedancken hatten/ waren die erſten auff den Platz kommen/ darinnen die Opf- fer mit ſchoͤnen Baͤndern gezieret waren; vnd die Prieſter warteten ſchon gantz bereytet/ biß Argenis mit gebuͤhrlichen Worten die Goͤtter ſolche Opf- ferung anzunehmen beruffete. Sie aber ward mehr vnd mehr vom Schmertzen vberlauffen/ hieß die andern ein wenig von jhr tretten/ vnd redete in ei- nem heimlichen Orte deß Tempels alſo mit ſich ſelber: Was haſt du geſehen/ du elende Argenis? Was haſt du geſehen/ du Vrſache deß Vbels ei- nes ſo fuͤrtrefflichen Mannes? Was haſt du ge- ſehen/ vnd zu was fuͤr einem Vngluͤcke wirſt du fuͤrbehalten? Daß Poliarchus fliehe/ vnd Lyco- genes triumphiere? Kanſt du das leyden? Du ei- ne koͤnigliche Tochter? Der die Krone beſtimmet iſt? Wann du dich fuͤr eine Fuͤrſtin erkenneſt/ wa- rumb erhaͤlteſt du jhn nicht hier? Biſt du ſeine Braut/ warumb fleuchſt du nicht mit jhm? Ich ſehe wol es hat nichts gemangelt/ als daß du ein Heroldt wuͤrdeſt/ den Frieden helffen fortzuſtel- len/ welchen dein Vatter vnd Lycogenes tref- fen. Den Frieden/ o jhr Goͤtter/ welchen ſie gemacht haben zum Vntergange deß Poliarchus. Mit was fuͤr Gewiſſen wirſt du kuͤnfftig den Poliar- chusich ſage nicht doͤrffen ſchawen/ ſondern nur ab- weſende anreden/ ſeiner Tugendt erwehnen/ ſein Geſichte

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Zitationshilfe: Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/219>, abgerufen am 24.11.2024.