Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Das Dritte Buch. ches der Poet nicht würde auffgesetzet haben/ wannjhn nicht entweder Apollo rasende gemacht/ oder er geglaubet hette/ daß dieser dem er die Verß schriebe nicht bey Sinnen were. Er erzehlete jhnen etliche die jhm einfielen/ welche die Götter aller jhrer Ge- waldt vnd Herrligkeit beraubeten/ vnd dieselbe dem Radirobanes zueigneten. Sie lachten sämptlich vber der Gotteslästerlichen Schrifft des Poeten. Wiewol Nicopompus/ der auch ein Poet/ jhn et- licher massen entschuldigen wolte: Dann die Natur der Poesis sey also beschaffen/ daß sie die Ohren zu Vergnügen/ neben der Warheit her spatziere/ vnd zwar vmb so viel destomehr/ weil sie weiß daß man jhr nicht glaubet/ vnd alles was sie erdencket/ mehr ein Spiel ohne Boßheit/ als eine vnvorschämte Lüge zu nennen ist. So bringe es auch die Zeit also mit sich/ daß die Poeten in Erhebung der Könige gar zuweit außschreitten. Dann es würde dem Radi- robanes nicht allein ein solcher Dunst für das Ge- sichte gemacht. Wie offt würde auch der andere (vnd gab mit Gesichte vnd Geberden zu verstehen/ daß er Meleandern meinete) mit dergleichen Schmeichlerey herumb geführet? Letztlich so wür- den alle Fürsten vnter einer solchen Versehung ge- bohren/ daß sie an diesem Leime zum wenigsten et- liche Federn lassen musten. Aber/ sagte Dunalbius auß Trewhertzigkeit gegen das gemeine Wesen/ in dem jhr vnvorsichtigen Vnterthanen mit ewerem vbermeßigen Loben macht/ daß Könige jhre Laster lieb K k
Das Dritte Buch. ches der Poet nicht wuͤrde auffgeſetzet haben/ wannjhn nicht entweder Apollo raſende gemacht/ oder er geglaubet hette/ daß dieſer dem er die Verß ſchriebe nicht bey Sinnen were. Er erzehlete jhnen etliche die jhm einfielen/ welche die Goͤtter aller jhrer Ge- waldt vnd Herꝛligkeit beraubeten/ vnd dieſelbe dem Radirobanes zueigneten. Sie lachten ſaͤmptlich vber der Gotteslaͤſterlichen Schrifft des Poeten. Wiewol Nicopompus/ der auch ein Poet/ jhn et- licher maſſen entſchuldigen wolte: Dann die Natur der Poeſis ſey alſo beſchaffen/ daß ſie die Ohren zu Vergnuͤgen/ neben der Warheit her ſpatziere/ vnd zwar vmb ſo viel deſtomehr/ weil ſie weiß daß man jhr nicht glaubet/ vnd alles was ſie erdencket/ mehr ein Spiel ohne Boßheit/ als eine vnvorſchaͤmte Luͤge zu nennen iſt. So bringe es auch die Zeit alſo mit ſich/ daß die Poeten in Erhebung der Koͤnige gar zuweit außſchreitten. Dañ es wuͤꝛde dem Radi- robanes nicht allein ein ſolcher Dunſt fuͤr das Ge- ſichte gemacht. Wie offt wuͤrde auch der andere (vnd gab mit Geſichte vnd Geberden zu verſtehen/ daß er Meleandern meinete) mit dergleichen Schmeichlerey herumb gefuͤhret? Letztlich ſo wuͤr- den alle Fuͤrſten vnter einer ſolchen Verſehung ge- bohren/ daß ſie an dieſem Leime zum wenigſten et- liche Federn laſſen muſten. Aber/ ſagte Dunalbius auß Trewhertzigkeit gegen das gemeine Weſen/ in dem jhr vnvorſichtigen Vnterthanen mit ewerem vbermeßigen Loben macht/ daß Koͤnige jhre Laſter lieb K k
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Das Dritte Buch.
ches der Poet nicht wuͤrde auffgeſetzet haben/ wann
jhn nicht entweder Apollo raſende gemacht/ oder er
geglaubet hette/ daß dieſer dem er die Verß ſchriebe
nicht bey Sinnen were. Er erzehlete jhnen etliche
die jhm einfielen/ welche die Goͤtter aller jhrer Ge-
waldt vnd Herꝛligkeit beraubeten/ vnd dieſelbe dem
Radirobanes zueigneten. Sie lachten ſaͤmptlich
vber der Gotteslaͤſterlichen Schrifft des Poeten.
Wiewol Nicopompus/ der auch ein Poet/ jhn et-
licher maſſen entſchuldigen wolte: Dann die Natur
der Poeſis ſey alſo beſchaffen/ daß ſie die Ohren zu
Vergnuͤgen/ neben der Warheit her ſpatziere/ vnd
zwar vmb ſo viel deſtomehr/ weil ſie weiß daß man
jhr nicht glaubet/ vnd alles was ſie erdencket/ mehr
ein Spiel ohne Boßheit/ als eine vnvorſchaͤmte
Luͤge zu nennen iſt. So bringe es auch die Zeit alſo
mit ſich/ daß die Poeten in Erhebung der Koͤnige
gar zuweit außſchreitten. Dañ es wuͤꝛde dem Radi-
robanes nicht allein ein ſolcher Dunſt fuͤr das Ge-
ſichte gemacht. Wie offt wuͤrde auch der andere
(vnd gab mit Geſichte vnd Geberden zu verſtehen/
daß er Meleandern meinete) mit dergleichen
Schmeichlerey herumb gefuͤhret? Letztlich ſo wuͤr-
den alle Fuͤrſten vnter einer ſolchen Verſehung ge-
bohren/ daß ſie an dieſem Leime zum wenigſten et-
liche Federn laſſen muſten. Aber/ ſagte Dunalbius
auß Trewhertzigkeit gegen das gemeine Weſen/ in
dem jhr vnvorſichtigen Vnterthanen mit ewerem
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lieb
K k
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