Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.Von dem Grundbau schon, was ich der andern Leser halber hier gleichanfangs beweisen muß, daß nämlich die Welt bis- her kein so gutes Schulwesen haben kann, welches nicht selbst in seinem Grundbaue höchst fehlerhaft seyn sollte? Von sehr vielen Fehlern aber, deren Wahrheit den weisern Men- schenfreunden höchst unangenehm seyn muß, will ich hier nur diejenigen anführen, die nach einigen Jahren nicht mehr wahr seyn werden, wenigstens nicht an solchen Orten, wo man nach den Grund- sätzen, deren Ausführung ich zeigen und durch Dessau für das ganze Publicum erleichtern will, wird handeln wollen. Denn es giebt viel Krum- mes, das niemals, oder noch jetzund nicht, gerade gemacht werden kann. Unser Jahrhundert ist in mancher, auch die Erziehung und das Schulwesen angehenden, Bedeutung ganz unheilbar krank, und will (wenn von den meisten die Rede ist) gar nicht gesund seyn. Solche Krankheiten gehn mich hier nicht an. Nur von heilbaren Uebeln will ich Etwas erwähnen. 1) Die Unterweisung und Er- ziehung der Jugend ist ein nicht nur der wichtig- sten, sondern auch der künstlichsten Geschäfte. Künste aber müssen von solchen, die sich darinnen hervorgethan haben, die Andern ordentlich lernen, aber (um des Himmels willen!) nicht bloß lernen, sondern auch bey beständiger Aufsicht und Rathge- bung der Erfahrnen, wirklich in Ausübung bringen. Durch Vorlesung über die Pädagogie ist die Sache nicht ausgemacht. Noch weniger durch Schul- verordnungen und Examens. Wo ist aber das prakti-
Von dem Grundbau ſchon, was ich der andern Leſer halber hier gleichanfangs beweiſen muß, daß naͤmlich die Welt bis- her kein ſo gutes Schulweſen haben kann, welches nicht ſelbſt in ſeinem Grundbaue hoͤchſt fehlerhaft ſeyn ſollte? Von ſehr vielen Fehlern aber, deren Wahrheit den weiſern Men- ſchenfreunden hoͤchſt unangenehm ſeyn muß, will ich hier nur diejenigen anfuͤhren, die nach einigen Jahren nicht mehr wahr ſeyn werden, wenigſtens nicht an ſolchen Orten, wo man nach den Grund- ſaͤtzen, deren Ausfuͤhrung ich zeigen und durch Deſſau fuͤr das ganze Publicum erleichtern will, wird handeln wollen. Denn es giebt viel Krum- mes, das niemals, oder noch jetzund nicht, gerade gemacht werden kann. Unſer Jahrhundert iſt in mancher, auch die Erziehung und das Schulweſen angehenden, Bedeutung ganz unheilbar krank, und will (wenn von den meiſten die Rede iſt) gar nicht geſund ſeyn. Solche Krankheiten gehn mich hier nicht an. Nur von heilbaren Uebeln will ich Etwas erwaͤhnen. 1) Die Unterweiſung und Er- ziehung der Jugend iſt ein nicht nur der wichtig- ſten, ſondern auch der kuͤnſtlichſten Geſchaͤfte. Kuͤnſte aber muͤſſen von ſolchen, die ſich darinnen hervorgethan haben, die Andern ordentlich lernen, aber (um des Himmels willen!) nicht bloß lernen, ſondern auch bey beſtaͤndiger Aufſicht und Rathge- bung der Erfahrnen, wirklich in Ausuͤbung bringen. Durch Vorleſung uͤber die Paͤdagogie iſt die Sache nicht ausgemacht. Noch weniger durch Schul- verordnungen und Examens. Wo iſt aber das prakti-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0040" n="4"/><fw place="top" type="header">Von dem Grundbau</fw><lb/> ſchon, was ich der andern Leſer halber hier gleich<lb/> anfangs beweiſen muß, daß naͤmlich die Welt bis-<lb/> her <hi rendition="#fr">kein ſo gutes Schulweſen haben kann,<lb/> welches nicht ſelbſt in ſeinem Grundbaue<lb/> hoͤchſt fehlerhaft ſeyn ſollte?</hi> Von ſehr vielen<lb/> Fehlern aber, deren Wahrheit den weiſern Men-<lb/> ſchenfreunden hoͤchſt unangenehm ſeyn muß, will<lb/> ich hier nur diejenigen anfuͤhren, die nach einigen<lb/> Jahren nicht mehr wahr ſeyn werden, wenigſtens<lb/> nicht an ſolchen Orten, wo man nach den Grund-<lb/> ſaͤtzen, deren Ausfuͤhrung ich zeigen und durch<lb/> Deſſau fuͤr das ganze Publicum erleichtern will,<lb/> wird handeln wollen. Denn es giebt viel Krum-<lb/> mes, das niemals, oder noch jetzund nicht, gerade<lb/> gemacht werden kann. Unſer Jahrhundert iſt in<lb/> mancher, auch die Erziehung und das Schulweſen<lb/> angehenden, Bedeutung ganz unheilbar krank,<lb/> und will (wenn von den meiſten die Rede iſt) gar<lb/> nicht geſund ſeyn. Solche Krankheiten gehn mich<lb/> hier nicht an. Nur von heilbaren Uebeln will ich<lb/> Etwas erwaͤhnen. 1) Die Unterweiſung und Er-<lb/> ziehung der Jugend iſt ein nicht nur der wichtig-<lb/> ſten, ſondern auch der kuͤnſtlichſten Geſchaͤfte.<lb/> Kuͤnſte aber muͤſſen von ſolchen, die ſich darinnen<lb/> hervorgethan haben, die Andern ordentlich lernen,<lb/> aber (um des Himmels willen!) nicht bloß lernen,<lb/> ſondern auch bey beſtaͤndiger Aufſicht und Rathge-<lb/> bung der Erfahrnen, wirklich in Ausuͤbung bringen.<lb/> Durch Vorleſung uͤber die Paͤdagogie iſt die Sache<lb/> nicht ausgemacht. Noch weniger durch Schul-<lb/> verordnungen und Examens. Wo iſt aber das<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">prakti-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0040]
Von dem Grundbau
ſchon, was ich der andern Leſer halber hier gleich
anfangs beweiſen muß, daß naͤmlich die Welt bis-
her kein ſo gutes Schulweſen haben kann,
welches nicht ſelbſt in ſeinem Grundbaue
hoͤchſt fehlerhaft ſeyn ſollte? Von ſehr vielen
Fehlern aber, deren Wahrheit den weiſern Men-
ſchenfreunden hoͤchſt unangenehm ſeyn muß, will
ich hier nur diejenigen anfuͤhren, die nach einigen
Jahren nicht mehr wahr ſeyn werden, wenigſtens
nicht an ſolchen Orten, wo man nach den Grund-
ſaͤtzen, deren Ausfuͤhrung ich zeigen und durch
Deſſau fuͤr das ganze Publicum erleichtern will,
wird handeln wollen. Denn es giebt viel Krum-
mes, das niemals, oder noch jetzund nicht, gerade
gemacht werden kann. Unſer Jahrhundert iſt in
mancher, auch die Erziehung und das Schulweſen
angehenden, Bedeutung ganz unheilbar krank,
und will (wenn von den meiſten die Rede iſt) gar
nicht geſund ſeyn. Solche Krankheiten gehn mich
hier nicht an. Nur von heilbaren Uebeln will ich
Etwas erwaͤhnen. 1) Die Unterweiſung und Er-
ziehung der Jugend iſt ein nicht nur der wichtig-
ſten, ſondern auch der kuͤnſtlichſten Geſchaͤfte.
Kuͤnſte aber muͤſſen von ſolchen, die ſich darinnen
hervorgethan haben, die Andern ordentlich lernen,
aber (um des Himmels willen!) nicht bloß lernen,
ſondern auch bey beſtaͤndiger Aufſicht und Rathge-
bung der Erfahrnen, wirklich in Ausuͤbung bringen.
Durch Vorleſung uͤber die Paͤdagogie iſt die Sache
nicht ausgemacht. Noch weniger durch Schul-
verordnungen und Examens. Wo iſt aber das
prakti-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |