Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.Von dem Grundbau lich, eine Ableitung aller Verstandeskräfte von ih-rer Bahn, ein Dornweg für die brauchbarsten Seelen, ein Anlaß schmerzlicher Strafen ohne wahres Verbrechen, eine Ursache des Studien- hasses vieler vermögenden Menschen, die unwis- send bleiben; ein Hauptgrund der Verachtung ge- gen Schuldictatoren, die ihre Fasces am häufig- sten brauchen, wenn der Knabe nicht auswendig gelernt und das ihm Unverständliche ohne Verstand oder ohne Lust übersetzt hat. 4) Ehe die vorneh- mern Stände mehr Einsicht und Tugend erlangen, als sie haben, wird die Welt nicht besser. Sie können aber ohne Hülfe von Hausbedienten nicht erzogen werden. Diese müssen ihre Pflichten des unschädlichen oder nützlichen Umganges mit den herrschaftlichen Kindern nicht nur einsehen, son- dern auch zu erfüllen sehr geübt seyn. Wo ist in einem Seminar Anstalt, taugliches oder nur un- schädliches Gesinde für die Erben grosser Häuser zu erziehen? (Die Lehrlinge dieses Stan- des in dem Seminare nenne ich Famulanten. Sie sind arme Kinder von guten Naturgaben, und werden durch Wohlthat erhalten und unter- richtet.) 5) Jn einem vollkommnen Schulsemi- nar muß der menschliche oder bürgerliche Unterricht und der kirchliche von einander abgesondert seyn, damit Jugend aus verschiednen Kirchen, ohne Widerspruch der Geistlichen, das Menschliche und Bürgerliche zusammen gemeinschaftlich lernen, und zugleich in den ersten Jahren sich zur heilsamen Vertragsamkeit gewöhnen könne. Also müssen förmlich
Von dem Grundbau lich, eine Ableitung aller Verſtandeskraͤfte von ih-rer Bahn, ein Dornweg fuͤr die brauchbarſten Seelen, ein Anlaß ſchmerzlicher Strafen ohne wahres Verbrechen, eine Urſache des Studien- haſſes vieler vermoͤgenden Menſchen, die unwiſ- ſend bleiben; ein Hauptgrund der Verachtung ge- gen Schuldictatoren, die ihre Faſces am haͤufig- ſten brauchen, wenn der Knabe nicht auswendig gelernt und das ihm Unverſtaͤndliche ohne Verſtand oder ohne Luſt uͤberſetzt hat. 4) Ehe die vorneh- mern Staͤnde mehr Einſicht und Tugend erlangen, als ſie haben, wird die Welt nicht beſſer. Sie koͤnnen aber ohne Huͤlfe von Hausbedienten nicht erzogen werden. Dieſe muͤſſen ihre Pflichten des unſchaͤdlichen oder nuͤtzlichen Umganges mit den herrſchaftlichen Kindern nicht nur einſehen, ſon- dern auch zu erfuͤllen ſehr geuͤbt ſeyn. Wo iſt in einem Seminar Anſtalt, taugliches oder nur un- ſchaͤdliches Geſinde fuͤr die Erben groſſer Haͤuſer zu erziehen? (Die Lehrlinge dieſes Stan- des in dem Seminare nenne ich Famulanten. Sie ſind arme Kinder von guten Naturgaben, und werden durch Wohlthat erhalten und unter- richtet.) 5) Jn einem vollkommnen Schulſemi- nar muß der menſchliche oder buͤrgerliche Unterricht und der kirchliche von einander abgeſondert ſeyn, damit Jugend aus verſchiednen Kirchen, ohne Widerſpruch der Geiſtlichen, das Menſchliche und Buͤrgerliche zuſammen gemeinſchaftlich lernen, und zugleich in den erſten Jahren ſich zur heilſamen Vertragſamkeit gewoͤhnen koͤnne. Alſo muͤſſen foͤrmlich
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Von dem Grundbau
lich, eine Ableitung aller Verſtandeskraͤfte von ih-
rer Bahn, ein Dornweg fuͤr die brauchbarſten
Seelen, ein Anlaß ſchmerzlicher Strafen ohne
wahres Verbrechen, eine Urſache des Studien-
haſſes vieler vermoͤgenden Menſchen, die unwiſ-
ſend bleiben; ein Hauptgrund der Verachtung ge-
gen Schuldictatoren, die ihre Faſces am haͤufig-
ſten brauchen, wenn der Knabe nicht auswendig
gelernt und das ihm Unverſtaͤndliche ohne Verſtand
oder ohne Luſt uͤberſetzt hat. 4) Ehe die vorneh-
mern Staͤnde mehr Einſicht und Tugend erlangen,
als ſie haben, wird die Welt nicht beſſer. Sie
koͤnnen aber ohne Huͤlfe von Hausbedienten nicht
erzogen werden. Dieſe muͤſſen ihre Pflichten des
unſchaͤdlichen oder nuͤtzlichen Umganges mit den
herrſchaftlichen Kindern nicht nur einſehen, ſon-
dern auch zu erfuͤllen ſehr geuͤbt ſeyn. Wo iſt in
einem Seminar Anſtalt, taugliches oder nur un-
ſchaͤdliches Geſinde fuͤr die Erben groſſer
Haͤuſer zu erziehen? (Die Lehrlinge dieſes Stan-
des in dem Seminare nenne ich Famulanten.
Sie ſind arme Kinder von guten Naturgaben,
und werden durch Wohlthat erhalten und unter-
richtet.) 5) Jn einem vollkommnen Schulſemi-
nar muß der menſchliche oder buͤrgerliche Unterricht
und der kirchliche von einander abgeſondert ſeyn,
damit Jugend aus verſchiednen Kirchen, ohne
Widerſpruch der Geiſtlichen, das Menſchliche und
Buͤrgerliche zuſammen gemeinſchaftlich lernen,
und zugleich in den erſten Jahren ſich zur heilſamen
Vertragſamkeit gewoͤhnen koͤnne. Alſo muͤſſen
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