Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Religion
Candidaten wird täglich im neuen Testamente die
altchristliche Religion oder mein bekannter
Auszug
der Evangelisten und Apostelgeschichte
vorgelesen. Dieses Buch enthält nur einen solchen
Auszug des Textes, und ist von allen Erklärungen
und Anmerkungen so frey, daß keine Kirche (auch
nicht die griechische oder catholische) Etwas daran
auszusetzen findet. Diese Lesung ist Allen gemein-
schaftlich. Ueberdies wird, nach Rathgebung der
Geistlichen, dem Candidaten jeder Kirche alle
Tage eine halbe Stunde eingeräumt, die Unter-
scheidungslehre ihrer Kirche durch gewöhnliche Ca-
techismen einzuflössen, doch mit der Bedingung,
daß entweder nicht memorirt werde, oder das
Memoriren freywillig geschehe (indem wir dabey
keine Strafe erlauben); auch daß während dieser
Lehre kein Menschenhaß wider die Dissidenten,
kein Urtheil über die Bosheit und Muthwilligkeit
ihres Jrrthumes, kein Verlangen, die Freyheit
der Andersdenkenden zu unterdrücken, eingeflößt
werde. Für ankommende Griechen würde nach
Rathgebung ihres Geistlichen oder Popen gesorgt.
Kurz, sowohl ich, der erste Fürsorger, als Herr
Wolke (davon hernach) und die zukünftige Di-
rection, verspricht auf Ehre und Gewissen, in den
Handlungen, welche das Philanthropinum ange-
hen, so unpartheyisch gegen die eine als gegen die
andern Kirchen zu handeln. Jn eine umständliche
Abrede wegen der Lehrmittel kann man sich noch nicht
einlassen, weil darüber mit kundigen, rechtschaff-
nen, friedfertigen und berühmten Geistlichen jeder

Kirche

Von der Religion
Candidaten wird taͤglich im neuen Teſtamente die
altchriſtliche Religion oder mein bekannter
Auszug
der Evangeliſten und Apoſtelgeſchichte
vorgeleſen. Dieſes Buch enthaͤlt nur einen ſolchen
Auszug des Textes, und iſt von allen Erklaͤrungen
und Anmerkungen ſo frey, daß keine Kirche (auch
nicht die griechiſche oder catholiſche) Etwas daran
auszuſetzen findet. Dieſe Leſung iſt Allen gemein-
ſchaftlich. Ueberdies wird, nach Rathgebung der
Geiſtlichen, dem Candidaten jeder Kirche alle
Tage eine halbe Stunde eingeraͤumt, die Unter-
ſcheidungslehre ihrer Kirche durch gewoͤhnliche Ca-
techismen einzufloͤſſen, doch mit der Bedingung,
daß entweder nicht memorirt werde, oder das
Memoriren freywillig geſchehe (indem wir dabey
keine Strafe erlauben); auch daß waͤhrend dieſer
Lehre kein Menſchenhaß wider die Diſſidenten,
kein Urtheil uͤber die Bosheit und Muthwilligkeit
ihres Jrrthumes, kein Verlangen, die Freyheit
der Andersdenkenden zu unterdruͤcken, eingefloͤßt
werde. Fuͤr ankommende Griechen wuͤrde nach
Rathgebung ihres Geiſtlichen oder Popen geſorgt.
Kurz, ſowohl ich, der erſte Fuͤrſorger, als Herr
Wolke (davon hernach) und die zukuͤnftige Di-
rection, verſpricht auf Ehre und Gewiſſen, in den
Handlungen, welche das Philanthropinum ange-
hen, ſo unpartheyiſch gegen die eine als gegen die
andern Kirchen zu handeln. Jn eine umſtaͤndliche
Abrede wegen der Lehrmittel kann man ſich noch nicht
einlaſſen, weil daruͤber mit kundigen, rechtſchaff-
nen, friedfertigen und beruͤhmten Geiſtlichen jeder

Kirche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0072" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Religion</hi></fw><lb/>
Candidaten wird ta&#x0364;glich im neuen Te&#x017F;tamente die<lb/><hi rendition="#fr">altchri&#x017F;tliche Religion oder mein bekannter<lb/>
Auszug</hi> der Evangeli&#x017F;ten und Apo&#x017F;telge&#x017F;chichte<lb/>
vorgele&#x017F;en. Die&#x017F;es Buch entha&#x0364;lt nur einen &#x017F;olchen<lb/>
Auszug des Textes, und i&#x017F;t von allen Erkla&#x0364;rungen<lb/>
und Anmerkungen &#x017F;o frey, daß keine Kirche (auch<lb/>
nicht die griechi&#x017F;che oder catholi&#x017F;che) Etwas daran<lb/>
auszu&#x017F;etzen findet. Die&#x017F;e Le&#x017F;ung i&#x017F;t Allen gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlich. Ueberdies wird, nach Rathgebung der<lb/>
Gei&#x017F;tlichen, dem Candidaten jeder Kirche alle<lb/>
Tage eine halbe Stunde eingera&#x0364;umt, die Unter-<lb/>
&#x017F;cheidungslehre ihrer Kirche durch gewo&#x0364;hnliche Ca-<lb/>
techismen einzuflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, doch mit der Bedingung,<lb/>
daß entweder nicht memorirt werde, oder das<lb/>
Memoriren freywillig ge&#x017F;chehe (indem wir dabey<lb/>
keine Strafe erlauben); auch daß wa&#x0364;hrend die&#x017F;er<lb/>
Lehre kein Men&#x017F;chenhaß wider die Di&#x017F;&#x017F;identen,<lb/>
kein Urtheil u&#x0364;ber die Bosheit und Muthwilligkeit<lb/>
ihres Jrrthumes, kein Verlangen, die Freyheit<lb/>
der Andersdenkenden zu unterdru&#x0364;cken, eingeflo&#x0364;ßt<lb/>
werde. Fu&#x0364;r ankommende Griechen wu&#x0364;rde nach<lb/>
Rathgebung ihres Gei&#x017F;tlichen oder Popen ge&#x017F;orgt.<lb/>
Kurz, &#x017F;owohl ich, der er&#x017F;te Fu&#x0364;r&#x017F;orger, als Herr<lb/>
Wolke (davon hernach) und die zuku&#x0364;nftige Di-<lb/>
rection, ver&#x017F;pricht auf Ehre und Gewi&#x017F;&#x017F;en, in den<lb/>
Handlungen, welche das Philanthropinum ange-<lb/>
hen, &#x017F;o unpartheyi&#x017F;ch gegen die eine als gegen die<lb/>
andern Kirchen zu handeln. Jn eine um&#x017F;ta&#x0364;ndliche<lb/>
Abrede wegen der Lehrmittel kann man &#x017F;ich noch nicht<lb/>
einla&#x017F;&#x017F;en, weil daru&#x0364;ber mit kundigen, recht&#x017F;chaff-<lb/>
nen, friedfertigen und beru&#x0364;hmten Gei&#x017F;tlichen jeder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kirche</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0072] Von der Religion Candidaten wird taͤglich im neuen Teſtamente die altchriſtliche Religion oder mein bekannter Auszug der Evangeliſten und Apoſtelgeſchichte vorgeleſen. Dieſes Buch enthaͤlt nur einen ſolchen Auszug des Textes, und iſt von allen Erklaͤrungen und Anmerkungen ſo frey, daß keine Kirche (auch nicht die griechiſche oder catholiſche) Etwas daran auszuſetzen findet. Dieſe Leſung iſt Allen gemein- ſchaftlich. Ueberdies wird, nach Rathgebung der Geiſtlichen, dem Candidaten jeder Kirche alle Tage eine halbe Stunde eingeraͤumt, die Unter- ſcheidungslehre ihrer Kirche durch gewoͤhnliche Ca- techismen einzufloͤſſen, doch mit der Bedingung, daß entweder nicht memorirt werde, oder das Memoriren freywillig geſchehe (indem wir dabey keine Strafe erlauben); auch daß waͤhrend dieſer Lehre kein Menſchenhaß wider die Diſſidenten, kein Urtheil uͤber die Bosheit und Muthwilligkeit ihres Jrrthumes, kein Verlangen, die Freyheit der Andersdenkenden zu unterdruͤcken, eingefloͤßt werde. Fuͤr ankommende Griechen wuͤrde nach Rathgebung ihres Geiſtlichen oder Popen geſorgt. Kurz, ſowohl ich, der erſte Fuͤrſorger, als Herr Wolke (davon hernach) und die zukuͤnftige Di- rection, verſpricht auf Ehre und Gewiſſen, in den Handlungen, welche das Philanthropinum ange- hen, ſo unpartheyiſch gegen die eine als gegen die andern Kirchen zu handeln. Jn eine umſtaͤndliche Abrede wegen der Lehrmittel kann man ſich noch nicht einlaſſen, weil daruͤber mit kundigen, rechtſchaff- nen, friedfertigen und beruͤhmten Geiſtlichen jeder Kirche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/72
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/72>, abgerufen am 25.11.2024.