Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem zweyten Manne
"zusammen legt, in ordentlicher Verwahrung; und
"hat längst angefangen zu nähen und zu stricken.
"Das Lernen ist bey ihr gar nichts Verdienstliches,
"wie bey der gewöhnlichen Erziehung. Sie ist
"überzeugt, daß eine Menge von Kenntnissen sie
"nicht liebenswürdig machen könne, und daß sie
"dies nur durch Gehorsam, Gefälligkeit, Be-
"scheidenheit, Schamhaftigkeit, Dankbarkeit, und
"durch eine geschickte Ausübung weiblicher Arbei-
"ten zum besten Andrer, werde. Jhre Ueberzeu-
"gung hiervon ist so groß, daß die Bewundrer ih-
"rer Fertigkeiten durch lautes Lob ihr (so viel ich
"aus einer genauen Beobachtung wissen kann)
"nicht schaden. Denn sie sieht die Kenntnisse, die
"ich ihr mittheile, als Sachen an, die vor der gu-
"ten Anwendung derselben gar keinen Werth ha-
"ben, und nur als Mittel, wodurch sie einmal als
"Lehrerinn junger Kinder ihre Kleider
"und andern Unterhalt selbst verdienen wird.

"Jch habe jede Gelegenheit wahrgenommen,
"Emilie auf die Grösse, Güte und Weisheit Got-
"tes in Betrachtung der Natur aufmerksam zu
"machen. Sie freuet sich deswegen sehr oft über
"Gott, als über ihren und aller Menschen höchst
"mächtigen, höchst weisen und höchst gütigen Va-
"ter. Sie freuet sich bey Blitz und Donner, weil
"sie das Gewitter und den darauf erfolgenden Re-
"gen, als eine uns unentbehrliche göttliche Wohl-
"that erkennet, wodurch die, uns und den Thieren
"nahrhaften, Gewächse, und die angenehmen

"Blumen

Von dem zweyten Manne
„zuſammen legt, in ordentlicher Verwahrung; und
„hat laͤngſt angefangen zu naͤhen und zu ſtricken.
„Das Lernen iſt bey ihr gar nichts Verdienſtliches,
„wie bey der gewoͤhnlichen Erziehung. Sie iſt
„uͤberzeugt, daß eine Menge von Kenntniſſen ſie
„nicht liebenswuͤrdig machen koͤnne, und daß ſie
„dies nur durch Gehorſam, Gefaͤlligkeit, Be-
„ſcheidenheit, Schamhaftigkeit, Dankbarkeit, und
„durch eine geſchickte Ausuͤbung weiblicher Arbei-
„ten zum beſten Andrer, werde. Jhre Ueberzeu-
„gung hiervon iſt ſo groß, daß die Bewundrer ih-
„rer Fertigkeiten durch lautes Lob ihr (ſo viel ich
„aus einer genauen Beobachtung wiſſen kann)
„nicht ſchaden. Denn ſie ſieht die Kenntniſſe, die
„ich ihr mittheile, als Sachen an, die vor der gu-
„ten Anwendung derſelben gar keinen Werth ha-
„ben, und nur als Mittel, wodurch ſie einmal als
„Lehrerinn junger Kinder ihre Kleider
„und andern Unterhalt ſelbſt verdienen wird.

„Jch habe jede Gelegenheit wahrgenommen,
„Emilie auf die Groͤſſe, Guͤte und Weisheit Got-
„tes in Betrachtung der Natur aufmerkſam zu
„machen. Sie freuet ſich deswegen ſehr oft uͤber
„Gott, als uͤber ihren und aller Menſchen hoͤchſt
„maͤchtigen, hoͤchſt weiſen und hoͤchſt guͤtigen Va-
„ter. Sie freuet ſich bey Blitz und Donner, weil
„ſie das Gewitter und den darauf erfolgenden Re-
„gen, als eine uns unentbehrliche goͤttliche Wohl-
„that erkennet, wodurch die, uns und den Thieren
„nahrhaften, Gewaͤchſe, und die angenehmen

„Blumen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0084" n="48"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem zweyten Manne</hi></fw><lb/>
&#x201E;zu&#x017F;ammen legt, in ordentlicher Verwahrung; und<lb/>
&#x201E;hat la&#x0364;ng&#x017F;t angefangen zu na&#x0364;hen und zu &#x017F;tricken.<lb/>
&#x201E;Das Lernen i&#x017F;t bey ihr gar nichts Verdien&#x017F;tliches,<lb/>
&#x201E;wie bey der gewo&#x0364;hnlichen Erziehung. Sie i&#x017F;t<lb/>
&#x201E;u&#x0364;berzeugt, daß eine Menge von Kenntni&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;nicht liebenswu&#x0364;rdig machen ko&#x0364;nne, und daß &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;dies nur durch Gehor&#x017F;am, Gefa&#x0364;lligkeit, Be-<lb/>
&#x201E;&#x017F;cheidenheit, Schamhaftigkeit, Dankbarkeit, und<lb/>
&#x201E;durch eine ge&#x017F;chickte Ausu&#x0364;bung weiblicher Arbei-<lb/>
&#x201E;ten zum be&#x017F;ten Andrer, werde. Jhre Ueberzeu-<lb/>
&#x201E;gung hiervon i&#x017F;t &#x017F;o groß, daß die Bewundrer ih-<lb/>
&#x201E;rer Fertigkeiten durch lautes Lob ihr (&#x017F;o viel ich<lb/>
&#x201E;aus einer genauen Beobachtung wi&#x017F;&#x017F;en kann)<lb/>
&#x201E;nicht &#x017F;chaden. Denn &#x017F;ie &#x017F;ieht die Kenntni&#x017F;&#x017F;e, die<lb/>
&#x201E;ich ihr mittheile, als Sachen an, die vor der gu-<lb/>
&#x201E;ten Anwendung der&#x017F;elben gar keinen Werth ha-<lb/>
&#x201E;ben, und nur als Mittel, wodurch &#x017F;ie einmal als<lb/><hi rendition="#fr">&#x201E;Lehrerinn junger Kinder</hi> ihre Kleider<lb/>
&#x201E;und andern Unterhalt &#x017F;elb&#x017F;t verdienen wird.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jch habe jede Gelegenheit wahrgenommen,<lb/>
&#x201E;Emilie auf die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, Gu&#x0364;te und Weisheit Got-<lb/>
&#x201E;tes in Betrachtung der Natur aufmerk&#x017F;am zu<lb/>
&#x201E;machen. Sie freuet &#x017F;ich deswegen &#x017F;ehr oft u&#x0364;ber<lb/>
&#x201E;Gott, als u&#x0364;ber ihren und aller Men&#x017F;chen ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
&#x201E;ma&#x0364;chtigen, ho&#x0364;ch&#x017F;t wei&#x017F;en und ho&#x0364;ch&#x017F;t gu&#x0364;tigen Va-<lb/>
&#x201E;ter. Sie freuet &#x017F;ich bey Blitz und Donner, weil<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie das Gewitter und den darauf erfolgenden Re-<lb/>
&#x201E;gen, als eine uns unentbehrliche go&#x0364;ttliche Wohl-<lb/>
&#x201E;that erkennet, wodurch die, uns und den Thieren<lb/>
&#x201E;nahrhaften, Gewa&#x0364;ch&#x017F;e, und die angenehmen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Blumen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0084] Von dem zweyten Manne „zuſammen legt, in ordentlicher Verwahrung; und „hat laͤngſt angefangen zu naͤhen und zu ſtricken. „Das Lernen iſt bey ihr gar nichts Verdienſtliches, „wie bey der gewoͤhnlichen Erziehung. Sie iſt „uͤberzeugt, daß eine Menge von Kenntniſſen ſie „nicht liebenswuͤrdig machen koͤnne, und daß ſie „dies nur durch Gehorſam, Gefaͤlligkeit, Be- „ſcheidenheit, Schamhaftigkeit, Dankbarkeit, und „durch eine geſchickte Ausuͤbung weiblicher Arbei- „ten zum beſten Andrer, werde. Jhre Ueberzeu- „gung hiervon iſt ſo groß, daß die Bewundrer ih- „rer Fertigkeiten durch lautes Lob ihr (ſo viel ich „aus einer genauen Beobachtung wiſſen kann) „nicht ſchaden. Denn ſie ſieht die Kenntniſſe, die „ich ihr mittheile, als Sachen an, die vor der gu- „ten Anwendung derſelben gar keinen Werth ha- „ben, und nur als Mittel, wodurch ſie einmal als „Lehrerinn junger Kinder ihre Kleider „und andern Unterhalt ſelbſt verdienen wird. „Jch habe jede Gelegenheit wahrgenommen, „Emilie auf die Groͤſſe, Guͤte und Weisheit Got- „tes in Betrachtung der Natur aufmerkſam zu „machen. Sie freuet ſich deswegen ſehr oft uͤber „Gott, als uͤber ihren und aller Menſchen hoͤchſt „maͤchtigen, hoͤchſt weiſen und hoͤchſt guͤtigen Va- „ter. Sie freuet ſich bey Blitz und Donner, weil „ſie das Gewitter und den darauf erfolgenden Re- „gen, als eine uns unentbehrliche goͤttliche Wohl- „that erkennet, wodurch die, uns und den Thieren „nahrhaften, Gewaͤchſe, und die angenehmen „Blumen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/84
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/84>, abgerufen am 22.11.2024.