Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

Bild:
<< vorherige Seite
aus natürlicher Erkenntniß etc.

Die Jugend kann ohne die Gunst der Alten
nicht glücklich werden. Eine unbescheidene Zu-
verläßigkeit
aber ist im höchsten Grade mißfällig.
Also, mein Sohn, bestrebe dich nach der deinem
Alter nöthigen Bescheidenheit. Halte dich in
Gesellschaften nicht für wichtig. Höre viel, und
denke in der Stille nach; aber rede wenig. Mußt
du dem Urtheile der Alten widersprechen; so trage
das Deinige so vor, als wenn du das Jhrige nicht
verstanden hättest.

So lange du unter häuslicher Herrschaft
stehst,
so beobachte ihren Vortheil in grossen und
kleinen Dingen so beständig und so sichtbar, daß
sie dich für ein nöthiges Werkzeug ihres Glückes
halten. Die Nachläßigkeit kann so viele Wir-
kungen haben, als die Untreue; und die Unvor-
sichtigkeit
schadet in einem Augenblicke oft mehr,
als die längste Nachläßigkeit. Handle so treu, als
wenn allenthalben lauter Augen deiner Herrschaft
wären. Ein jeder Unterschleif, ein jeder Genuß
solcher Dinge, welche man dir nicht zugedacht hat,
ist ein Betrug und ein Diebstahl, dessen Gewohn-
heit zu einem gewissen Unglücke der Jugend ohn-
fehlbar bald entdeckt, verabscheut und bestraft wird.
Laß dich das böse Exempel deiner Mitgenossen
nicht locken. Du siehst ihre Sünden, aber nicht
die künftigen und verborgnen Wirkungen derselben.

Wun-
F
aus natuͤrlicher Erkenntniß ꝛc.

Die Jugend kann ohne die Gunſt der Alten
nicht gluͤcklich werden. Eine unbeſcheidene Zu-
verlaͤßigkeit
aber iſt im hoͤchſten Grade mißfaͤllig.
Alſo, mein Sohn, beſtrebe dich nach der deinem
Alter noͤthigen Beſcheidenheit. Halte dich in
Geſellſchaften nicht fuͤr wichtig. Hoͤre viel, und
denke in der Stille nach; aber rede wenig. Mußt
du dem Urtheile der Alten widerſprechen; ſo trage
das Deinige ſo vor, als wenn du das Jhrige nicht
verſtanden haͤtteſt.

So lange du unter häuslicher Herrſchaft
ſtehſt,
ſo beobachte ihren Vortheil in groſſen und
kleinen Dingen ſo beſtaͤndig und ſo ſichtbar, daß
ſie dich fuͤr ein noͤthiges Werkzeug ihres Gluͤckes
halten. Die Nachläßigkeit kann ſo viele Wir-
kungen haben, als die Untreue; und die Unvor-
ſichtigkeit
ſchadet in einem Augenblicke oft mehr,
als die laͤngſte Nachlaͤßigkeit. Handle ſo treu, als
wenn allenthalben lauter Augen deiner Herrſchaft
waͤren. Ein jeder Unterſchleif, ein jeder Genuß
ſolcher Dinge, welche man dir nicht zugedacht hat,
iſt ein Betrug und ein Diebſtahl, deſſen Gewohn-
heit zu einem gewiſſen Ungluͤcke der Jugend ohn-
fehlbar bald entdeckt, verabſcheut und beſtraft wird.
Laß dich das boͤſe Exempel deiner Mitgenoſſen
nicht locken. Du ſiehſt ihre Suͤnden, aber nicht
die kuͤnftigen und verborgnen Wirkungen derſelben.

Wun-
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0105" n="81"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">aus natu&#x0364;rlicher Erkenntniß &#xA75B;c.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die Jugend kann ohne die Gun&#x017F;t der Alten<lb/>
nicht glu&#x0364;cklich werden. Eine <hi rendition="#fr">unbe&#x017F;cheidene Zu-<lb/>
verla&#x0364;ßigkeit</hi> aber i&#x017F;t im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade mißfa&#x0364;llig.<lb/>
Al&#x017F;o, mein Sohn, be&#x017F;trebe dich nach der deinem<lb/>
Alter no&#x0364;thigen Be&#x017F;cheidenheit. Halte dich in<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften nicht fu&#x0364;r wichtig. Ho&#x0364;re viel, und<lb/>
denke in der Stille nach; aber rede wenig. Mußt<lb/>
du dem Urtheile der Alten wider&#x017F;prechen; &#x017F;o trage<lb/>
das Deinige &#x017F;o vor, als wenn du das Jhrige nicht<lb/>
ver&#x017F;tanden ha&#x0364;tte&#x017F;t.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">So lange du unter häuslicher Herr&#x017F;chaft<lb/>
&#x017F;teh&#x017F;t,</hi> &#x017F;o beobachte ihren Vortheil in gro&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
kleinen Dingen &#x017F;o be&#x017F;ta&#x0364;ndig und &#x017F;o &#x017F;ichtbar, daß<lb/>
&#x017F;ie dich fu&#x0364;r ein no&#x0364;thiges Werkzeug ihres Glu&#x0364;ckes<lb/>
halten. Die <hi rendition="#fr">Nachläßigkeit</hi> kann &#x017F;o viele Wir-<lb/>
kungen haben, als die <hi rendition="#fr">Untreue;</hi> und die <hi rendition="#fr">Unvor-<lb/>
&#x017F;ichtigkeit</hi> &#x017F;chadet in einem Augenblicke oft mehr,<lb/>
als die la&#x0364;ng&#x017F;te Nachla&#x0364;ßigkeit. Handle &#x017F;o treu, als<lb/>
wenn allenthalben lauter Augen deiner Herr&#x017F;chaft<lb/>
wa&#x0364;ren. Ein jeder Unter&#x017F;chleif, ein jeder Genuß<lb/>
&#x017F;olcher Dinge, welche man dir nicht zugedacht hat,<lb/>
i&#x017F;t ein Betrug und ein Dieb&#x017F;tahl, de&#x017F;&#x017F;en Gewohn-<lb/>
heit zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Unglu&#x0364;cke der Jugend ohn-<lb/>
fehlbar bald entdeckt, verab&#x017F;cheut und be&#x017F;traft wird.<lb/>
Laß dich das bo&#x0364;&#x017F;e Exempel deiner Mitgeno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht locken. Du &#x017F;ieh&#x017F;t ihre Su&#x0364;nden, aber nicht<lb/>
die ku&#x0364;nftigen und verborgnen Wirkungen der&#x017F;elben.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">F</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Wun-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0105] aus natuͤrlicher Erkenntniß ꝛc. Die Jugend kann ohne die Gunſt der Alten nicht gluͤcklich werden. Eine unbeſcheidene Zu- verlaͤßigkeit aber iſt im hoͤchſten Grade mißfaͤllig. Alſo, mein Sohn, beſtrebe dich nach der deinem Alter noͤthigen Beſcheidenheit. Halte dich in Geſellſchaften nicht fuͤr wichtig. Hoͤre viel, und denke in der Stille nach; aber rede wenig. Mußt du dem Urtheile der Alten widerſprechen; ſo trage das Deinige ſo vor, als wenn du das Jhrige nicht verſtanden haͤtteſt. So lange du unter häuslicher Herrſchaft ſtehſt, ſo beobachte ihren Vortheil in groſſen und kleinen Dingen ſo beſtaͤndig und ſo ſichtbar, daß ſie dich fuͤr ein noͤthiges Werkzeug ihres Gluͤckes halten. Die Nachläßigkeit kann ſo viele Wir- kungen haben, als die Untreue; und die Unvor- ſichtigkeit ſchadet in einem Augenblicke oft mehr, als die laͤngſte Nachlaͤßigkeit. Handle ſo treu, als wenn allenthalben lauter Augen deiner Herrſchaft waͤren. Ein jeder Unterſchleif, ein jeder Genuß ſolcher Dinge, welche man dir nicht zugedacht hat, iſt ein Betrug und ein Diebſtahl, deſſen Gewohn- heit zu einem gewiſſen Ungluͤcke der Jugend ohn- fehlbar bald entdeckt, verabſcheut und beſtraft wird. Laß dich das boͤſe Exempel deiner Mitgenoſſen nicht locken. Du ſiehſt ihre Suͤnden, aber nicht die kuͤnftigen und verborgnen Wirkungen derſelben. Wun- F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/105
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/105>, abgerufen am 21.11.2024.