Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.
Daneben gestaltet sich dann der öffentliche Cultus, zu- *) Bei Ankunft auf der Begräbnissstätte wird den Geistern früherer Todten zugerufen: dies ist der Eine, den ihr bekommt, aber ihr dürft seinen Hinterbliebenen, Enkeln oder Brüdern, nicht nachstellen (bei den Tonala). Bei den Sakalava wird den Todten die Ankunft eines Verwandten ange- zeigt, um ihn freundlich zu empfangen (auf Madagascar). Die Spiele bei der Leichenfeier der Ikongo bestehen besonders in Ringkämpfen und Speer- werfen (s. Sibree), in Analogie zu (etruskischen) Gladiatorenspielen (oder Agonen). **) Omnes homines natura aequales sunt, galt vor (römischem) Gericht (zur Zeit Antonin's), und konnte dann Ludwig's Decret veranlassen, wonach, da alle Menschen von Natur frei geboren, frühere Missgriffe, durch Be- freiung der Leibeigenen, wieder gut zu machen, während Rousseau's philo- sophische Conception sich auf der Union freiem Boden verwirklichen sollte, trotz der Farbenscheidungen. Mit Status (im Uebergang zum Contract) wird der phusei gegebene Zustand der Familienbedingungen bezeichnet. ***) In Agrigent wurden die Hierothyten, denen die Jahresberechnung
oblag, auf Staatskosten gespeist. In Syracus wurden die Jahre nach dem amphibolos, als iereus des Zeus, gezählt. Neben dem Magistrat (unter Vor- sitz des Basileus) sowie der boule und der agora, bildeten die fünf osioi ein priesterliches Collegium in Delphi. Zu Seiten des Königs (in Sparta) stan- den die Pythier oder Poitheer zur (priesterlichen) Vermittlung mit Delphi. Die Eteobutaden verwalteten das Oberpriesterthum im Dienst der Athene Polias (und des Erechtheus). Daneben gestaltet sich dann der öffentliche Cultus, zu- *) Bei Ankunft auf der Begräbnissstätte wird den Geistern früherer Todten zugerufen: dies ist der Eine, den ihr bekommt, aber ihr dürft seinen Hinterbliebenen, Enkeln oder Brüdern, nicht nachstellen (bei den Tonala). Bei den Sakalava wird den Todten die Ankunft eines Verwandten ange- zeigt, um ihn freundlich zu empfangen (auf Madagascar). Die Spiele bei der Leichenfeier der Ikongo bestehen besonders in Ringkämpfen und Speer- werfen (s. Sibree), in Analogie zu (etruskischen) Gladiatorenspielen (oder Agonen). **) Omnes homines natura aequales sunt, galt vor (römischem) Gericht (zur Zeit Antonin’s), und konnte dann Ludwig’s Decret veranlassen, wonach, da alle Menschen von Natur frei geboren, frühere Missgriffe, durch Be- freiung der Leibeigenen, wieder gut zu machen, während Rousseau’s philo- sophische Conception sich auf der Union freiem Boden verwirklichen sollte, trotz der Farbenscheidungen. Mit Status (im Uebergang zum Contract) wird der φυσει gegebene Zustand der Familienbedingungen bezeichnet. ***) In Agrigent wurden die Hierothyten, denen die Jahresberechnung
oblag, auf Staatskosten gespeist. In Syracus wurden die Jahre nach dem ἀμφίβολος, als ἱέρεύς des Zeus, gezählt. Neben dem Magistrat (unter Vor- sitz des Basileus) sowie der βουλή und der ἀγορά, bildeten die fünf ὅσιοι ein priesterliches Collegium in Delphi. Zu Seiten des Königs (in Sparta) stan- den die Pythier oder Poitheer zur (priesterlichen) Vermittlung mit Delphi. Die Eteobutaden verwalteten das Oberpriesterthum im Dienst der Athene Polias (und des Erechtheus). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0137" n="103"/> <p>Daneben gestaltet sich dann der öffentliche Cultus, zu-<lb/> nächst, ehe die Special-Götter einzelner Priester zu allgemei-<lb/> nen (auch unter officieller Anerkennung oder Stützen) erhoben<lb/> sind, durch die Festordner, welche die für massgebende<lb/> Lebensbedingungen, wie Ernteertrag oder Krankheitsschutz<lb/> mächtigen Influenzen der unsichtbaren Welt in guter Stimmung<lb/> und Einvernehmen zu halten haben (pacem deorum quaerere)<lb/> und deshalb auch dort nicht, (so wenig wie mit den Todten-<lb/> geistern<note place="foot" n="*)">Bei Ankunft auf der Begräbnissstätte wird den Geistern früherer<lb/> Todten zugerufen: dies ist der Eine, den ihr bekommt, aber ihr dürft seinen<lb/> Hinterbliebenen, Enkeln oder Brüdern, nicht nachstellen (bei den Tonala).<lb/> Bei den Sakalava wird den Todten die Ankunft eines Verwandten ange-<lb/> zeigt, um ihn freundlich zu empfangen (auf Madagascar). Die Spiele bei<lb/> der Leichenfeier der Ikongo bestehen besonders in Ringkämpfen und Speer-<lb/> werfen (s. Sibree), in Analogie zu (etruskischen) Gladiatorenspielen (oder<lb/> Agonen).</note> und deren Schicksale Vertraute), entbehrt werden<lb/> können, wo sonst der naturgemässe Zusammenschluss des<lb/> Gemeindewesens keiner anderen Regierung bedarf, ausser<lb/> etwa den für allgemeinnützige<note place="foot" n="**)">Omnes homines natura aequales sunt, galt vor (römischem) Gericht<lb/> (zur Zeit Antonin’s), und konnte dann Ludwig’s Decret veranlassen, wonach,<lb/> da alle Menschen von Natur frei geboren, frühere Missgriffe, durch Be-<lb/> freiung der Leibeigenen, wieder gut zu machen, während Rousseau’s philo-<lb/> sophische Conception sich auf der Union freiem Boden verwirklichen sollte,<lb/> trotz der Farbenscheidungen. Mit Status (im Uebergang zum Contract)<lb/> wird der φυσει gegebene Zustand der Familienbedingungen bezeichnet.</note> Arbeiten eingesetzten Beam-<lb/> ten (oder des Spruchmanns, für Verhandlungen nach Aussen)<lb/> und dann der Regulatoren des Jahresumlaufes<note place="foot" n="***)">In Agrigent wurden die Hierothyten, denen die Jahresberechnung<lb/> oblag, auf Staatskosten gespeist. In Syracus wurden die Jahre nach dem<lb/> ἀμφίβολος, als ἱέρεύς des Zeus, gezählt. Neben dem Magistrat (unter Vor-<lb/> sitz des Basileus) sowie der βουλή und der ἀγορά, bildeten die fünf ὅσιοι ein<lb/> priesterliches Collegium in Delphi. Zu Seiten des Königs (in Sparta) stan-<lb/> den die Pythier oder Poitheer zur (priesterlichen) Vermittlung mit Delphi.<lb/> Die Eteobutaden verwalteten das Oberpriesterthum im Dienst der Athene<lb/> Polias (und des Erechtheus).</note> mit den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [103/0137]
Daneben gestaltet sich dann der öffentliche Cultus, zu-
nächst, ehe die Special-Götter einzelner Priester zu allgemei-
nen (auch unter officieller Anerkennung oder Stützen) erhoben
sind, durch die Festordner, welche die für massgebende
Lebensbedingungen, wie Ernteertrag oder Krankheitsschutz
mächtigen Influenzen der unsichtbaren Welt in guter Stimmung
und Einvernehmen zu halten haben (pacem deorum quaerere)
und deshalb auch dort nicht, (so wenig wie mit den Todten-
geistern *) und deren Schicksale Vertraute), entbehrt werden
können, wo sonst der naturgemässe Zusammenschluss des
Gemeindewesens keiner anderen Regierung bedarf, ausser
etwa den für allgemeinnützige **) Arbeiten eingesetzten Beam-
ten (oder des Spruchmanns, für Verhandlungen nach Aussen)
und dann der Regulatoren des Jahresumlaufes ***) mit den
*) Bei Ankunft auf der Begräbnissstätte wird den Geistern früherer
Todten zugerufen: dies ist der Eine, den ihr bekommt, aber ihr dürft seinen
Hinterbliebenen, Enkeln oder Brüdern, nicht nachstellen (bei den Tonala).
Bei den Sakalava wird den Todten die Ankunft eines Verwandten ange-
zeigt, um ihn freundlich zu empfangen (auf Madagascar). Die Spiele bei
der Leichenfeier der Ikongo bestehen besonders in Ringkämpfen und Speer-
werfen (s. Sibree), in Analogie zu (etruskischen) Gladiatorenspielen (oder
Agonen).
**) Omnes homines natura aequales sunt, galt vor (römischem) Gericht
(zur Zeit Antonin’s), und konnte dann Ludwig’s Decret veranlassen, wonach,
da alle Menschen von Natur frei geboren, frühere Missgriffe, durch Be-
freiung der Leibeigenen, wieder gut zu machen, während Rousseau’s philo-
sophische Conception sich auf der Union freiem Boden verwirklichen sollte,
trotz der Farbenscheidungen. Mit Status (im Uebergang zum Contract)
wird der φυσει gegebene Zustand der Familienbedingungen bezeichnet.
***) In Agrigent wurden die Hierothyten, denen die Jahresberechnung
oblag, auf Staatskosten gespeist. In Syracus wurden die Jahre nach dem
ἀμφίβολος, als ἱέρεύς des Zeus, gezählt. Neben dem Magistrat (unter Vor-
sitz des Basileus) sowie der βουλή und der ἀγορά, bildeten die fünf ὅσιοι ein
priesterliches Collegium in Delphi. Zu Seiten des Königs (in Sparta) stan-
den die Pythier oder Poitheer zur (priesterlichen) Vermittlung mit Delphi.
Die Eteobutaden verwalteten das Oberpriesterthum im Dienst der Athene
Polias (und des Erechtheus).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/137 |
| Zitationshilfe: | Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/137>, abgerufen am 17.05.2024. |
