Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

und unterster Fundamente, sprach Gatterer von dem "Ideal
einer allgemeinen Weltstatistik" oder Süssmilch von "Gött-
licher Ordnung in den Veränderungen des menschlichen
Geschlechts". Die Statistik hat für den Staat den Zweck
"of ascertaining the quantum of happiness enjoyed by its
inhabitants and the means of its future improvement" (s. Sin-
clair), den Zustand der Gesundheit zu wahren, als "Physio-
logie der Staaten" (s. Fischer) und zugleich "la connaissance
approfondie de la societe (s. Moreau de Jonnes), als "Wissen-
schaft ewig neu quellenden Lebens" (bei Fr. Meyer). Die
"Verwirklichung der das Leben der Menschheit beherr-
schenden Entwicklungsgesetze und dadurch den wirk-
lichen Fortschritt oder Rückschritt im Leben, den Stand-
punkt der menschlichen Cultur nachzuweisen" bildet die
höchste Aufgabe der Statistik 22)" (s. Jonak) und (nach
Wörl) "aus dem vielfach Wandelbaren das Constante zu
ermitteln, und im wieder Neuen ein bestehendes Gesetz zu
erkennen".

In Beobachtung und Erforschung der Thatsachen sind
die "physischen und ethnischen Factoren" (s. Wappäus) in
ihren Combinationen für die Einzelwirkungen und in ihren
Wechselwirkungen zu erforschen, die Causalverknüpfungen
der einzelnen Erscheinungen des öffentlichen Lebens, die
Regel in den scheinbar "zufälligen und willkührlichen Er-
scheinungen".

Die Möglichkeit einer "politischen Arithmetik" beweist
nun eben das Organische des Status als Staat, weil sie darin
liegen muss und darin allein liegen kann, denn nur indem
in dem aufgestellten Exempel ein innerlich in sich abgeschlos-
senes Ganze gegeben ist, lässt sich Gesetzliches heraus-
rechnen, durch waltende Einheit in der Vielheit.

Wie im Staat haben wir in jeder Gesellschaft, in jedem
der jenen zusammensetzenden Kreisungen, einen Organismus
vor uns, einen Organismus dann aber auch in der höchsten
und letzten Kreislinie die das Ganze umschliesst, in der

und unterster Fundamente, sprach Gatterer von dem „Ideal
einer allgemeinen Weltstatistik“ oder Süssmilch von „Gött-
licher Ordnung in den Veränderungen des menschlichen
Geschlechts“. Die Statistik hat für den Staat den Zweck
„of ascertaining the quantum of happiness enjoyed by its
inhabitants and the means of its future improvement“ (s. Sin-
claïr), den Zustand der Gesundheit zu wahren, als „Physio-
logie der Staaten“ (s. Fischer) und zugleich „la connaissance
approfondie de la société (s. Moreau de Jonnés), als „Wissen-
schaft ewig neu quellenden Lebens“ (bei Fr. Meyer). Die
„Verwirklichung der das Leben der Menschheit beherr-
schenden Entwicklungsgesetze und dadurch den wirk-
lichen Fortschritt oder Rückschritt im Leben, den Stand-
punkt der menschlichen Cultur nachzuweisen“ bildet die
höchste Aufgabe der Statistik 22)“ (s. Jonák) und (nach
Wörl) „aus dem vielfach Wandelbaren das Constante zu
ermitteln, und im wieder Neuen ein bestehendes Gesetz zu
erkennen“.

In Beobachtung und Erforschung der Thatsachen sind
die „physischen und ethnischen Factoren“ (s. Wappäus) in
ihren Combinationen für die Einzelwirkungen und in ihren
Wechselwirkungen zu erforschen, die Causalverknüpfungen
der einzelnen Erscheinungen des öffentlichen Lebens, die
Regel in den scheinbar „zufälligen und willkührlichen Er-
scheinungen“.

Die Möglichkeit einer „politischen Arithmetik“ beweist
nun eben das Organische des Status als Staat, weil sie darin
liegen muss und darin allein liegen kann, denn nur indem
in dem aufgestellten Exempel ein innerlich in sich abgeschlos-
senes Ganze gegeben ist, lässt sich Gesetzliches heraus-
rechnen, durch waltende Einheit in der Vielheit.

Wie im Staat haben wir in jeder Gesellschaft, in jedem
der jenen zusammensetzenden Kreisungen, einen Organismus
vor uns, einen Organismus dann aber auch in der höchsten
und letzten Kreislinie die das Ganze umschliesst, in der

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="XV"/>
und unterster Fundamente, sprach Gatterer von dem &#x201E;Ideal<lb/>
einer allgemeinen Weltstatistik&#x201C; oder Süssmilch von &#x201E;Gött-<lb/>
licher Ordnung in den Veränderungen des menschlichen<lb/>
Geschlechts&#x201C;. Die Statistik hat für den Staat den Zweck<lb/>
&#x201E;of ascertaining the quantum of happiness enjoyed by its<lb/>
inhabitants and the means of its future improvement&#x201C; (s. Sin-<lb/>
claïr), den Zustand der Gesundheit zu wahren, als &#x201E;Physio-<lb/>
logie der Staaten&#x201C; (s. Fischer) und zugleich &#x201E;la connaissance<lb/>
approfondie de la société (s. Moreau de Jonnés), als &#x201E;Wissen-<lb/>
schaft ewig neu quellenden Lebens&#x201C; (bei Fr. Meyer). Die<lb/>
&#x201E;Verwirklichung der das Leben der Menschheit beherr-<lb/>
schenden Entwicklungsgesetze und dadurch den wirk-<lb/>
lichen Fortschritt oder Rückschritt im Leben, den Stand-<lb/>
punkt der menschlichen Cultur nachzuweisen&#x201C; bildet die<lb/>
höchste Aufgabe der Statistik <note xml:id="note-n-22" next="#note-22" place="end" n="22)"/>&#x201C; (s. Jonák) und (nach<lb/>
Wörl) &#x201E;aus dem vielfach Wandelbaren das Constante zu<lb/>
ermitteln, und im wieder Neuen ein bestehendes Gesetz zu<lb/>
erkennen&#x201C;.</p><lb/>
        <p>In Beobachtung und Erforschung der Thatsachen sind<lb/>
die &#x201E;physischen und ethnischen Factoren&#x201C; (s. Wappäus) in<lb/>
ihren Combinationen für die Einzelwirkungen und in ihren<lb/>
Wechselwirkungen zu erforschen, die Causalverknüpfungen<lb/>
der einzelnen Erscheinungen des öffentlichen Lebens, die<lb/>
Regel in den scheinbar &#x201E;zufälligen und willkührlichen Er-<lb/>
scheinungen&#x201C;.</p><lb/>
        <p>Die Möglichkeit einer &#x201E;politischen Arithmetik&#x201C; beweist<lb/>
nun eben das Organische des Status als Staat, weil sie darin<lb/>
liegen muss und darin allein liegen kann, denn nur indem<lb/>
in dem aufgestellten Exempel ein innerlich in sich abgeschlos-<lb/>
senes Ganze gegeben ist, lässt sich Gesetzliches heraus-<lb/>
rechnen, durch waltende Einheit in der Vielheit.</p><lb/>
        <p>Wie im Staat haben wir in jeder Gesellschaft, in jedem<lb/>
der jenen zusammensetzenden Kreisungen, einen Organismus<lb/>
vor uns, einen Organismus dann aber auch in der höchsten<lb/>
und letzten Kreislinie die das Ganze umschliesst, in der<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XV/0021] und unterster Fundamente, sprach Gatterer von dem „Ideal einer allgemeinen Weltstatistik“ oder Süssmilch von „Gött- licher Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts“. Die Statistik hat für den Staat den Zweck „of ascertaining the quantum of happiness enjoyed by its inhabitants and the means of its future improvement“ (s. Sin- claïr), den Zustand der Gesundheit zu wahren, als „Physio- logie der Staaten“ (s. Fischer) und zugleich „la connaissance approfondie de la société (s. Moreau de Jonnés), als „Wissen- schaft ewig neu quellenden Lebens“ (bei Fr. Meyer). Die „Verwirklichung der das Leben der Menschheit beherr- schenden Entwicklungsgesetze und dadurch den wirk- lichen Fortschritt oder Rückschritt im Leben, den Stand- punkt der menschlichen Cultur nachzuweisen“ bildet die höchste Aufgabe der Statistik ²²⁾ “ (s. Jonák) und (nach Wörl) „aus dem vielfach Wandelbaren das Constante zu ermitteln, und im wieder Neuen ein bestehendes Gesetz zu erkennen“. In Beobachtung und Erforschung der Thatsachen sind die „physischen und ethnischen Factoren“ (s. Wappäus) in ihren Combinationen für die Einzelwirkungen und in ihren Wechselwirkungen zu erforschen, die Causalverknüpfungen der einzelnen Erscheinungen des öffentlichen Lebens, die Regel in den scheinbar „zufälligen und willkührlichen Er- scheinungen“. Die Möglichkeit einer „politischen Arithmetik“ beweist nun eben das Organische des Status als Staat, weil sie darin liegen muss und darin allein liegen kann, denn nur indem in dem aufgestellten Exempel ein innerlich in sich abgeschlos- senes Ganze gegeben ist, lässt sich Gesetzliches heraus- rechnen, durch waltende Einheit in der Vielheit. Wie im Staat haben wir in jeder Gesellschaft, in jedem der jenen zusammensetzenden Kreisungen, einen Organismus vor uns, einen Organismus dann aber auch in der höchsten und letzten Kreislinie die das Ganze umschliesst, in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/21
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/21>, abgerufen am 03.05.2024.