Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

hervor (der Phratrie, oder irokesisch, De-a-non-da-a-yoh), bei
der sich bereits die Spuren halbbewussten Eingreifens spür-
bar machen, die im "Contrat*) social" dann zum Staat führen
sollen (der schon phusei zu setzen).

Dieser gelangt aber nicht mehr zu seiner ideal berech-
tigten Verwirklichung, zu der Weihe eines in monumentaler
Ruhe thronenden Kunstwerkes, weil das jetzt brausend er-
wachende Leben des Volksgeistes in immer gewaltigeren
Fluthen anschwillt, um seine ethnischen Gefühlsströmungen
mit politischer Machtstellung in der Nation zu einen
und vermählen. Aristoteles Hauptformen der Regierung
im Königthum (oder Monarchie), Aristokratie und Politie
(neben Tyrannis, Oligarchie und Demokratie oder Ochlokratie)
war bereits, bei Heranziehung des semitischen Gesichtskreises
zu dem classischen, die Theokratie zuzufügen und bei dem
jetzt über den ganzen Globus erweiterten Blick drängen
sich so vielfache Modificationen der Berücksichtigung auf,
dass vergleichende Zusammenstellung der characteristischen
Typen tiefeingreifende Umgestaltungen der bisherigen Systeme
mit sich bringen würde.

Die Priesterkönige gliedern sich unter vielfachen Masken
(neben den archaistischen Formen im Basileus und Rex) von
dem in Cochin und Meroe, in Kioto, Tonga, Sogamoso
zum Muata-Yamvo oder östlichen Regenmachern, der
Herzog ex virtute, (auch ein Archonten zugegebener
Stratege) findet, wie in Lucian's Scythenland (und Asien
vielfach) seine Analogien in Amerika des Nordens und Südens,
die Orang kaya des indischen Archipelagos treffen ihre

*) Die Gesetzgebung auf dem Sinai, wo Jehovah als Bräutigam der
Braut entgegenkommt, wird als eine Eheschliessung betrachtet (s. F. Weber),
indem Israel dort volljährig geworden (nach Pesikta) im Bunde ewiger
Treue (mit der Thora das Königreich vom Himmel übernehmend), er-
neuert (nach dem Abfall im Stierwerk) seit den Tagen des Achaschwerosch
(durch Esra).

hervor (der Phratrie, oder irokesisch, De-a-non-da-a-yoh), bei
der sich bereits die Spuren halbbewussten Eingreifens spür-
bar machen, die im „Contrat*) social“ dann zum Staat führen
sollen (der schon φύσει zu setzen).

Dieser gelangt aber nicht mehr zu seiner ideal berech-
tigten Verwirklichung, zu der Weihe eines in monumentaler
Ruhe thronenden Kunstwerkes, weil das jetzt brausend er-
wachende Leben des Volksgeistes in immer gewaltigeren
Fluthen anschwillt, um seine ethnischen Gefühlsströmungen
mit politischer Machtstellung in der Nation zu einen
und vermählen. Aristoteles Hauptformen der Regierung
im Königthum (oder Monarchie), Aristokratie und Politie
(neben Tyrannis, Oligarchie und Demokratie oder Ochlokratie)
war bereits, bei Heranziehung des semitischen Gesichtskreises
zu dem classischen, die Theokratie zuzufügen und bei dem
jetzt über den ganzen Globus erweiterten Blick drängen
sich so vielfache Modificationen der Berücksichtigung auf,
dass vergleichende Zusammenstellung der characteristischen
Typen tiefeingreifende Umgestaltungen der bisherigen Systeme
mit sich bringen würde.

Die Priesterkönige gliedern sich unter vielfachen Masken
(neben den archaistischen Formen im Basileus und Rex) von
dem in Cochin und Meroe, in Kioto, Tonga, Sogamoso
zum Muata-Yamvo oder östlichen Regenmachern, der
Herzog ex virtute, (auch ein Archonten zugegebener
Stratege) findet, wie in Lucian’s Scythenland (und Asien
vielfach) seine Analogien in Amerika des Nordens und Südens,
die Orang kaya des indischen Archipelagos treffen ihre

*) Die Gesetzgebung auf dem Sinai, wo Jehovah als Bräutigam der
Braut entgegenkommt, wird als eine Eheschliessung betrachtet (s. F. Weber),
indem Israel dort volljährig geworden (nach Pesikta) im Bunde ewiger
Treue (mit der Thora das Königreich vom Himmel übernehmend), er-
neuert (nach dem Abfall im Stierwerk) seit den Tagen des Achaschwerosch
(durch Esra).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="22"/>
hervor (der Phratrie, oder irokesisch, <hi rendition="#i">De-a-non-da-a-yoh</hi>), bei<lb/>
der sich bereits die Spuren halbbewussten Eingreifens spür-<lb/>
bar machen, die im &#x201E;<hi rendition="#i">Contrat</hi><note place="foot" n="*)">Die Gesetzgebung auf dem Sinai, wo Jehovah als Bräutigam der<lb/>
Braut entgegenkommt, wird als eine Eheschliessung betrachtet (s. <hi rendition="#i">F. Weber</hi>),<lb/>
indem Israel dort volljährig geworden (nach Pesikta) im Bunde ewiger<lb/>
Treue (mit der Thora das Königreich vom Himmel übernehmend), er-<lb/>
neuert (nach dem Abfall im Stierwerk) seit den Tagen des Achaschwerosch<lb/>
(durch Esra).</note> <hi rendition="#i">social</hi>&#x201C; dann zum Staat führen<lb/>
sollen (der schon &#x03C6;&#x03CD;&#x03C3;&#x03B5;&#x03B9; zu setzen).</p><lb/>
        <p>Dieser gelangt aber nicht mehr zu seiner ideal berech-<lb/>
tigten Verwirklichung, zu der Weihe eines in monumentaler<lb/>
Ruhe thronenden Kunstwerkes, weil das jetzt brausend er-<lb/>
wachende Leben des Volksgeistes in immer gewaltigeren<lb/>
Fluthen anschwillt, um seine ethnischen Gefühlsströmungen<lb/>
mit politischer Machtstellung in der Nation zu einen<lb/>
und vermählen. Aristoteles Hauptformen der Regierung<lb/>
im Königthum (oder Monarchie), Aristokratie und Politie<lb/>
(neben Tyrannis, Oligarchie und Demokratie oder Ochlokratie)<lb/>
war bereits, bei Heranziehung des semitischen Gesichtskreises<lb/>
zu dem classischen, die Theokratie zuzufügen und bei dem<lb/>
jetzt über den ganzen Globus erweiterten Blick drängen<lb/>
sich so vielfache Modificationen der Berücksichtigung auf,<lb/>
dass vergleichende Zusammenstellung der characteristischen<lb/>
Typen tiefeingreifende Umgestaltungen der bisherigen Systeme<lb/>
mit sich bringen würde.</p><lb/>
        <p>Die Priesterkönige gliedern sich unter vielfachen Masken<lb/>
(neben den archaistischen Formen im Basileus und Rex) von<lb/>
dem in Cochin und Meroe, in Kioto, Tonga, Sogamoso<lb/>
zum Muata-Yamvo oder östlichen Regenmachern, der<lb/>
Herzog ex virtute, (auch ein Archonten zugegebener<lb/>
Stratege) findet, wie in Lucian&#x2019;s Scythenland (und Asien<lb/>
vielfach) seine Analogien in Amerika des Nordens und Südens,<lb/>
die Orang kaya des indischen Archipelagos treffen ihre<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0056] hervor (der Phratrie, oder irokesisch, De-a-non-da-a-yoh), bei der sich bereits die Spuren halbbewussten Eingreifens spür- bar machen, die im „Contrat *) social“ dann zum Staat führen sollen (der schon φύσει zu setzen). Dieser gelangt aber nicht mehr zu seiner ideal berech- tigten Verwirklichung, zu der Weihe eines in monumentaler Ruhe thronenden Kunstwerkes, weil das jetzt brausend er- wachende Leben des Volksgeistes in immer gewaltigeren Fluthen anschwillt, um seine ethnischen Gefühlsströmungen mit politischer Machtstellung in der Nation zu einen und vermählen. Aristoteles Hauptformen der Regierung im Königthum (oder Monarchie), Aristokratie und Politie (neben Tyrannis, Oligarchie und Demokratie oder Ochlokratie) war bereits, bei Heranziehung des semitischen Gesichtskreises zu dem classischen, die Theokratie zuzufügen und bei dem jetzt über den ganzen Globus erweiterten Blick drängen sich so vielfache Modificationen der Berücksichtigung auf, dass vergleichende Zusammenstellung der characteristischen Typen tiefeingreifende Umgestaltungen der bisherigen Systeme mit sich bringen würde. Die Priesterkönige gliedern sich unter vielfachen Masken (neben den archaistischen Formen im Basileus und Rex) von dem in Cochin und Meroe, in Kioto, Tonga, Sogamoso zum Muata-Yamvo oder östlichen Regenmachern, der Herzog ex virtute, (auch ein Archonten zugegebener Stratege) findet, wie in Lucian’s Scythenland (und Asien vielfach) seine Analogien in Amerika des Nordens und Südens, die Orang kaya des indischen Archipelagos treffen ihre *) Die Gesetzgebung auf dem Sinai, wo Jehovah als Bräutigam der Braut entgegenkommt, wird als eine Eheschliessung betrachtet (s. F. Weber), indem Israel dort volljährig geworden (nach Pesikta) im Bunde ewiger Treue (mit der Thora das Königreich vom Himmel übernehmend), er- neuert (nach dem Abfall im Stierwerk) seit den Tagen des Achaschwerosch (durch Esra).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/56
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/56>, abgerufen am 22.11.2024.