Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Seitenstücke*) bei den Beluchen sowohl, wie bei den Aht
und Benachbarten, zu dem Senat (kirgisischer) Weissbärte
weisen auch die Weisen und Greise**) in den Gnekbade unter
den Altersstufen der Kru, und die Ariki, die vor den poly-
nesischen Fahrten jenseits des Gesichtskreises lagen, führen
ins Jenseits hinüber in der bei Mikronesiern schon im Leben
eintretenden Apotheose.

Bei Stämmen, die (nach Art der Celten am macedonischen
Hofe) nichts fürchten, als dass der Himmel etwa einfalle, die
den Todesgott höhnend schelten (wie die Anghami und
Sumba) und ihn zum Kampf herausfordern, ob des Mordes
ihres Freundes, die, gleich den Abor, die sonst sorgsam in
heiligen Hainen gepflegten Walddämone durch Baumumhauen
zu schrecken suchen -- bei dieser Art wilden Gesellen wird
von Regierung***) nicht viel die Rede sein, und nur der priester-
lichen Festordner bedürfen sie vielleicht, um die für den
Lebensunterhalt unentbehrlichen Mächte (wie die des Pflanzen-
wachsthums, der Aussaat und Ernte) in guter Stimmung zu
halten. Abgesehen von diesen Spruchmännern für die un-
sichtbare Welt, finden sich in den Dörfern der Naga (soweit
nicht bereits aus der Zeit der Ahom-Raja Assam's beeinflusst)
z. B. nur solche Beamte, welche die öffentlichen Arbeiten
(besonders an den Wegen) versehen und beaufsichtigen.
Ausserdem bietet das Gebot der Selbsterhaltung, um, inner-
halb der Befestigungen des auf steiler Höhe liegenden
Dorfes, sich der Existenz gegen die ringsumgebenden Feinde

*) Auf den Gilbert wurde der Rang durch Reichthum ertheilt. In
Acalan herrschte der Reichste (s. Gomara). Kosi (bei den Beschuanen)
bezeichnet den Häuptling als den Reichen (s. Burchell).
**) Die Häuptlinge (in Australien) sind "those, who were oldest"
(s. Howitt). In Nicaragua herrschten die Guegues (als Rath der Alten),
wie die Huehue, als Pilli (Häuptlinge) der Chichimeken
***) Die Cyclopen herrschen über Frauen und Kinder ohne weitere Ver-
sammlungen (bei Homer). Unter den brasilischen Wilden herrscht der
Mann (nach dem Recht des Stärkeren) über das schwächere Geschlecht, und
über den Sohn, so lange dieser noch nicht zum Erstarken herangewachsen.

Seitenstücke*) bei den Beluchen sowohl, wie bei den Aht
und Benachbarten, zu dem Senat (kirgisischer) Weissbärte
weisen auch die Weisen und Greise**) in den Gnekbade unter
den Altersstufen der Kru, und die Ariki, die vor den poly-
nesischen Fahrten jenseits des Gesichtskreises lagen, führen
ins Jenseits hinüber in der bei Mikronesiern schon im Leben
eintretenden Apotheose.

Bei Stämmen, die (nach Art der Celten am macedonischen
Hofe) nichts fürchten, als dass der Himmel etwa einfalle, die
den Todesgott höhnend schelten (wie die Anghami und
Sumba) und ihn zum Kampf herausfordern, ob des Mordes
ihres Freundes, die, gleich den Abor, die sonst sorgsam in
heiligen Hainen gepflegten Walddämone durch Baumumhauen
zu schrecken suchen — bei dieser Art wilden Gesellen wird
von Regierung***) nicht viel die Rede sein, und nur der priester-
lichen Festordner bedürfen sie vielleicht, um die für den
Lebensunterhalt unentbehrlichen Mächte (wie die des Pflanzen-
wachsthums, der Aussaat und Ernte) in guter Stimmung zu
halten. Abgesehen von diesen Spruchmännern für die un-
sichtbare Welt, finden sich in den Dörfern der Naga (soweit
nicht bereits aus der Zeit der Ahom-Raja Assam’s beeinflusst)
z. B. nur solche Beamte, welche die öffentlichen Arbeiten
(besonders an den Wegen) versehen und beaufsichtigen.
Ausserdem bietet das Gebot der Selbsterhaltung, um, inner-
halb der Befestigungen des auf steiler Höhe liegenden
Dorfes, sich der Existenz gegen die ringsumgebenden Feinde

*) Auf den Gilbert wurde der Rang durch Reichthum ertheilt. In
Acalan herrschte der Reichste (s. Gomara). Kosi (bei den Beschuanen)
bezeichnet den Häuptling als den Reichen (s. Burchell).
**) Die Häuptlinge (in Australien) sind „those, who were oldest“
(s. Howitt). In Nicaragua herrschten die Guegues (als Rath der Alten),
wie die Huehue, als Pilli (Häuptlinge) der Chichimeken
***) Die Cyclopen herrschen über Frauen und Kinder ohne weitere Ver-
sammlungen (bei Homer). Unter den brasilischen Wilden herrscht der
Mann (nach dem Recht des Stärkeren) über das schwächere Geschlecht, und
über den Sohn, so lange dieser noch nicht zum Erstarken herangewachsen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="23"/>
Seitenstücke<note place="foot" n="*)">Auf den Gilbert wurde der Rang durch Reichthum ertheilt. In<lb/>
Acalan herrschte der Reichste (s. Gomara). Kosi (bei den Beschuanen)<lb/>
bezeichnet den Häuptling als den Reichen (s. Burchell).</note> bei den Beluchen sowohl, wie bei den Aht<lb/>
und Benachbarten, zu dem Senat (kirgisischer) Weissbärte<lb/>
weisen auch die Weisen und Greise<note place="foot" n="**)">Die Häuptlinge (in Australien) sind &#x201E;those, who were oldest&#x201C;<lb/>
(s. Howitt). In Nicaragua herrschten die Guegues (als Rath der Alten),<lb/>
wie die Huehue, als Pilli (Häuptlinge) der Chichimeken</note> in den Gnekbade unter<lb/>
den Altersstufen der Kru, und die Ariki, die vor den poly-<lb/>
nesischen Fahrten jenseits des Gesichtskreises lagen, führen<lb/>
ins Jenseits hinüber in der bei Mikronesiern schon im Leben<lb/>
eintretenden Apotheose.</p><lb/>
        <p>Bei Stämmen, die (nach Art der Celten am macedonischen<lb/>
Hofe) nichts fürchten, als dass der Himmel etwa einfalle, die<lb/>
den Todesgott höhnend schelten (wie die Anghami und<lb/>
Sumba) und ihn zum Kampf herausfordern, ob des Mordes<lb/>
ihres Freundes, die, gleich den Abor, die sonst sorgsam in<lb/>
heiligen Hainen gepflegten Walddämone durch Baumumhauen<lb/>
zu schrecken suchen &#x2014; bei dieser Art wilden Gesellen wird<lb/>
von Regierung<note place="foot" n="***)">Die Cyclopen herrschen über Frauen und Kinder ohne weitere Ver-<lb/>
sammlungen (bei Homer). Unter den brasilischen Wilden herrscht der<lb/>
Mann (nach dem Recht des Stärkeren) über das schwächere Geschlecht, und<lb/>
über den Sohn, so lange dieser noch nicht zum Erstarken herangewachsen.</note> nicht viel die Rede sein, und nur der priester-<lb/>
lichen Festordner bedürfen sie vielleicht, um die für den<lb/>
Lebensunterhalt unentbehrlichen Mächte (wie die des Pflanzen-<lb/>
wachsthums, der Aussaat und Ernte) in guter Stimmung zu<lb/>
halten. Abgesehen von diesen Spruchmännern für die un-<lb/>
sichtbare Welt, finden sich in den Dörfern der Naga (soweit<lb/>
nicht bereits aus der Zeit der Ahom-Raja Assam&#x2019;s beeinflusst)<lb/>
z. B. nur solche Beamte, welche die öffentlichen Arbeiten<lb/>
(besonders an den Wegen) versehen und beaufsichtigen.<lb/>
Ausserdem bietet das Gebot der Selbsterhaltung, um, inner-<lb/>
halb der Befestigungen des auf steiler Höhe liegenden<lb/>
Dorfes, sich der Existenz gegen die ringsumgebenden Feinde<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0057] Seitenstücke *) bei den Beluchen sowohl, wie bei den Aht und Benachbarten, zu dem Senat (kirgisischer) Weissbärte weisen auch die Weisen und Greise **) in den Gnekbade unter den Altersstufen der Kru, und die Ariki, die vor den poly- nesischen Fahrten jenseits des Gesichtskreises lagen, führen ins Jenseits hinüber in der bei Mikronesiern schon im Leben eintretenden Apotheose. Bei Stämmen, die (nach Art der Celten am macedonischen Hofe) nichts fürchten, als dass der Himmel etwa einfalle, die den Todesgott höhnend schelten (wie die Anghami und Sumba) und ihn zum Kampf herausfordern, ob des Mordes ihres Freundes, die, gleich den Abor, die sonst sorgsam in heiligen Hainen gepflegten Walddämone durch Baumumhauen zu schrecken suchen — bei dieser Art wilden Gesellen wird von Regierung ***) nicht viel die Rede sein, und nur der priester- lichen Festordner bedürfen sie vielleicht, um die für den Lebensunterhalt unentbehrlichen Mächte (wie die des Pflanzen- wachsthums, der Aussaat und Ernte) in guter Stimmung zu halten. Abgesehen von diesen Spruchmännern für die un- sichtbare Welt, finden sich in den Dörfern der Naga (soweit nicht bereits aus der Zeit der Ahom-Raja Assam’s beeinflusst) z. B. nur solche Beamte, welche die öffentlichen Arbeiten (besonders an den Wegen) versehen und beaufsichtigen. Ausserdem bietet das Gebot der Selbsterhaltung, um, inner- halb der Befestigungen des auf steiler Höhe liegenden Dorfes, sich der Existenz gegen die ringsumgebenden Feinde *) Auf den Gilbert wurde der Rang durch Reichthum ertheilt. In Acalan herrschte der Reichste (s. Gomara). Kosi (bei den Beschuanen) bezeichnet den Häuptling als den Reichen (s. Burchell). **) Die Häuptlinge (in Australien) sind „those, who were oldest“ (s. Howitt). In Nicaragua herrschten die Guegues (als Rath der Alten), wie die Huehue, als Pilli (Häuptlinge) der Chichimeken ***) Die Cyclopen herrschen über Frauen und Kinder ohne weitere Ver- sammlungen (bei Homer). Unter den brasilischen Wilden herrscht der Mann (nach dem Recht des Stärkeren) über das schwächere Geschlecht, und über den Sohn, so lange dieser noch nicht zum Erstarken herangewachsen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/57
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/57>, abgerufen am 22.11.2024.