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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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kam auch glücklich vom Schimmel wieder herab, ohne
mich in die Schleppe zu verwickeln. -- Denke nur: die
Herren Aktionäre sollen an dem Tage, als Kunowsky
sie von meinem Abgang in Kenntniß gesetzt hatte, gar
nicht auf die Börse gegangen sein, -- es ist, als ob
jetzt ohne mich das Institut gar nicht bestehen könnte.
Erst unterschätzt man mich, jetzt werde ich überschätzt.
Und die vielen Gratulations-, Kondolenz- und Neugier¬
besuche! Die Mutter wird sicher noch krank und ich habe
verweinte Augen. Plötzlich bin ich berühmt geworden,
in so kurzer Zeit: vom 4. August bis 21. Oktober! --
aber es freut mich nicht, -- ich bin tief betrübt.

Nun habe ich Muße bis zum 15. Dezember und
kann mit Bethmann, der jetzt wieder hier ist und mich
den ehemaligen Kollegen an der königlichen Bühne vor¬
stellen und empfehlen will, Besuche machen. Einladungen
giebt's auch die Fülle und wir dürfen den Vorstellungen
der königlichen Bühne beiwohnen; aber es ist eine traurige,
unfreiwillige Muße ... Ich hätte doch nie gedacht, daß
die weltbedeutenden Bretter so rothglühend und furchtbar
heiß werden könnten ..."


kam auch glücklich vom Schimmel wieder herab, ohne
mich in die Schleppe zu verwickeln. — Denke nur: die
Herren Aktionäre ſollen an dem Tage, als Kunowsky
ſie von meinem Abgang in Kenntniß geſetzt hatte, gar
nicht auf die Börſe gegangen ſein, — es iſt, als ob
jetzt ohne mich das Inſtitut gar nicht beſtehen könnte.
Erſt unterſchätzt man mich, jetzt werde ich überſchätzt.
Und die vielen Gratulations-, Kondolenz- und Neugier¬
beſuche! Die Mutter wird ſicher noch krank und ich habe
verweinte Augen. Plötzlich bin ich berühmt geworden,
in ſo kurzer Zeit: vom 4. Auguſt bis 21. Oktober! —
aber es freut mich nicht, — ich bin tief betrübt.

Nun habe ich Muße bis zum 15. Dezember und
kann mit Bethmann, der jetzt wieder hier iſt und mich
den ehemaligen Kollegen an der königlichen Bühne vor¬
ſtellen und empfehlen will, Beſuche machen. Einladungen
giebt's auch die Fülle und wir dürfen den Vorſtellungen
der königlichen Bühne beiwohnen; aber es iſt eine traurige,
unfreiwillige Muße … Ich hätte doch nie gedacht, daß
die weltbedeutenden Bretter ſo rothglühend und furchtbar
heiß werden könnten …«


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[74/0102] kam auch glücklich vom Schimmel wieder herab, ohne mich in die Schleppe zu verwickeln. — Denke nur: die Herren Aktionäre ſollen an dem Tage, als Kunowsky ſie von meinem Abgang in Kenntniß geſetzt hatte, gar nicht auf die Börſe gegangen ſein, — es iſt, als ob jetzt ohne mich das Inſtitut gar nicht beſtehen könnte. Erſt unterſchätzt man mich, jetzt werde ich überſchätzt. Und die vielen Gratulations-, Kondolenz- und Neugier¬ beſuche! Die Mutter wird ſicher noch krank und ich habe verweinte Augen. Plötzlich bin ich berühmt geworden, in ſo kurzer Zeit: vom 4. Auguſt bis 21. Oktober! — aber es freut mich nicht, — ich bin tief betrübt. Nun habe ich Muße bis zum 15. Dezember und kann mit Bethmann, der jetzt wieder hier iſt und mich den ehemaligen Kollegen an der königlichen Bühne vor¬ ſtellen und empfehlen will, Beſuche machen. Einladungen giebt's auch die Fülle und wir dürfen den Vorſtellungen der königlichen Bühne beiwohnen; aber es iſt eine traurige, unfreiwillige Muße … Ich hätte doch nie gedacht, daß die weltbedeutenden Bretter ſo rothglühend und furchtbar heiß werden könnten …«

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/102>, abgerufen am 21.11.2024.