erwiderte: "Meine Tochter hatte Sie ja bereits mündlich davon in Kenntniß gesetzt!" ... "Das habe ich nicht für Ernst genommen!" entgegnete er. -- "Weshalb nicht?" fiel ich ein. "Und in wie fern bin ich undankbar? Erst wurde ich von der Direktion zurückgedrängt, dann half mir das Publikum siegen. Jetzt versucht Karoline Müller auch wieder, mich zurück zu drängen -- nein! Lassen Sie mich in Frieden ziehen, lieber die Dritte bei der königlichen Bühne, als hier die Erste sein . . Kunowsky stürzte fort, um mit den Aktionären Rücksprache zu nehmen, -- und nach einigen Stunden langte ein Brief der Direktoren an, mit dem Anerbieten "doppelter Gage" und allen möglichen Versprechungen.
Ich hatte bereits den Kontrakt von der königlichen Intendanz unterzeichnet -- und wenn auch nicht, ich hätte mich nicht verlocken lassen.
Nun folgten schreckliche Tage: alle Rollen wurden mir abgefordert, sogar die Elsbeth dem Fräulein Müller eingehändigt, und mir schriftlich erklärt: ich dürfe nicht mehr auftreten, die Gage würde bis zum Dezember fort¬ bezahlt ... So glaubte man mich dem Publikum zu entfremden.
Sollen wir prozessiren? Vor Schluß des Prozesses dürfte ich doch nicht spielen. Alles hätte ich verschmerzt, nur die Elsbeth that mir leid und -- ich bekam ordent¬ lich Heimweh nach der Rolle und -- -- nach dem Schimmel! Du glaubst nicht, wie prächtig ich mich zu Pferde ausnahm, wie eine rechte Soldatentochter! Ich
erwiderte: »Meine Tochter hatte Sie ja bereits mündlich davon in Kenntniß geſetzt!« … »Das habe ich nicht für Ernſt genommen!« entgegnete er. — »Weshalb nicht?« fiel ich ein. »Und in wie fern bin ich undankbar? Erſt wurde ich von der Direktion zurückgedrängt, dann half mir das Publikum ſiegen. Jetzt verſucht Karoline Müller auch wieder, mich zurück zu drängen — nein! Laſſen Sie mich in Frieden ziehen, lieber die Dritte bei der königlichen Bühne, als hier die Erſte ſein . . Kunowsky ſtürzte fort, um mit den Aktionären Rückſprache zu nehmen, — und nach einigen Stunden langte ein Brief der Direktoren an, mit dem Anerbieten »doppelter Gage« und allen möglichen Verſprechungen.
Ich hatte bereits den Kontrakt von der königlichen Intendanz unterzeichnet — und wenn auch nicht, ich hätte mich nicht verlocken laſſen.
Nun folgten ſchreckliche Tage: alle Rollen wurden mir abgefordert, ſogar die Elsbeth dem Fräulein Müller eingehändigt, und mir ſchriftlich erklärt: ich dürfe nicht mehr auftreten, die Gage würde bis zum Dezember fort¬ bezahlt … So glaubte man mich dem Publikum zu entfremden.
Sollen wir prozeſſiren? Vor Schluß des Prozeſſes dürfte ich doch nicht ſpielen. Alles hätte ich verſchmerzt, nur die Elsbeth that mir leid und — ich bekam ordent¬ lich Heimweh nach der Rolle und — — nach dem Schimmel! Du glaubſt nicht, wie prächtig ich mich zu Pferde ausnahm, wie eine rechte Soldatentochter! Ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0101"n="73"/>
erwiderte: »Meine Tochter hatte Sie ja bereits mündlich<lb/>
davon in Kenntniß geſetzt!« … »Das habe ich nicht für<lb/>
Ernſt genommen!« entgegnete er. — »Weshalb nicht?«<lb/>
fiel ich ein. »Und in wie fern bin ich undankbar? Erſt<lb/>
wurde ich von der Direktion zurückgedrängt, dann half<lb/>
mir das Publikum ſiegen. Jetzt verſucht Karoline Müller<lb/>
auch wieder, mich zurück zu drängen — nein! Laſſen Sie<lb/>
mich in Frieden ziehen, lieber die Dritte bei der königlichen<lb/>
Bühne, als hier die Erſte ſein . . Kunowsky ſtürzte<lb/>
fort, um mit den Aktionären Rückſprache zu nehmen, —<lb/>
und nach einigen Stunden langte ein Brief der Direktoren<lb/>
an, mit dem Anerbieten »doppelter Gage« und allen<lb/>
möglichen Verſprechungen.</p><lb/><p>Ich hatte bereits den Kontrakt von der königlichen<lb/>
Intendanz unterzeichnet — und wenn auch nicht, ich<lb/>
hätte mich nicht verlocken laſſen.</p><lb/><p>Nun folgten ſchreckliche Tage: alle Rollen wurden<lb/>
mir abgefordert, ſogar die Elsbeth dem Fräulein Müller<lb/>
eingehändigt, und mir ſchriftlich erklärt: ich dürfe nicht<lb/>
mehr auftreten, die Gage würde bis zum Dezember fort¬<lb/>
bezahlt … So glaubte man mich dem Publikum zu<lb/>
entfremden.</p><lb/><p>Sollen wir prozeſſiren? Vor Schluß des Prozeſſes<lb/>
dürfte ich doch nicht ſpielen. Alles hätte ich verſchmerzt,<lb/>
nur die Elsbeth that mir leid und — ich bekam ordent¬<lb/>
lich Heimweh nach der Rolle und —— nach dem<lb/>
Schimmel! Du glaubſt nicht, wie prächtig ich mich zu<lb/>
Pferde ausnahm, wie eine rechte Soldatentochter! Ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[73/0101]
erwiderte: »Meine Tochter hatte Sie ja bereits mündlich
davon in Kenntniß geſetzt!« … »Das habe ich nicht für
Ernſt genommen!« entgegnete er. — »Weshalb nicht?«
fiel ich ein. »Und in wie fern bin ich undankbar? Erſt
wurde ich von der Direktion zurückgedrängt, dann half
mir das Publikum ſiegen. Jetzt verſucht Karoline Müller
auch wieder, mich zurück zu drängen — nein! Laſſen Sie
mich in Frieden ziehen, lieber die Dritte bei der königlichen
Bühne, als hier die Erſte ſein . . Kunowsky ſtürzte
fort, um mit den Aktionären Rückſprache zu nehmen, —
und nach einigen Stunden langte ein Brief der Direktoren
an, mit dem Anerbieten »doppelter Gage« und allen
möglichen Verſprechungen.
Ich hatte bereits den Kontrakt von der königlichen
Intendanz unterzeichnet — und wenn auch nicht, ich
hätte mich nicht verlocken laſſen.
Nun folgten ſchreckliche Tage: alle Rollen wurden
mir abgefordert, ſogar die Elsbeth dem Fräulein Müller
eingehändigt, und mir ſchriftlich erklärt: ich dürfe nicht
mehr auftreten, die Gage würde bis zum Dezember fort¬
bezahlt … So glaubte man mich dem Publikum zu
entfremden.
Sollen wir prozeſſiren? Vor Schluß des Prozeſſes
dürfte ich doch nicht ſpielen. Alles hätte ich verſchmerzt,
nur die Elsbeth that mir leid und — ich bekam ordent¬
lich Heimweh nach der Rolle und — — nach dem
Schimmel! Du glaubſt nicht, wie prächtig ich mich zu
Pferde ausnahm, wie eine rechte Soldatentochter! Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/101>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.