förderndere einzunehmen. Er sagte: "Dieser Schritt -- anscheinend rückwärts, wird Sie nicht gereuen, da Sie wahre Liebe und Achtung für Ihren Beruf empfinden!"
Der erste Besuch unter Bethmann's Protektion wurde Madame Eunike abgestattet. Bethmann wollte die Runde mit mir bei seiner ältesten, bewährtesten Freundin be¬ ginnen. Madame Eunike spielt die komischen Alten mit Humor und liebenswürdiger Anmuth. In jüngeren Jahren war sie eine berühmte Gesangssoubrette. Die älteste Tochter Johanna ist eine sehr beliebte Sängerin, der Vater war einst ein herrlicher Tenorist. Seine erste von ihm geschiedene Gattin ist die berühmte Händel- Schütz, die Schöpferin der lebenden Bilder in Deutsch¬ land, die Meisterin in der Attitüde und Mimik -- Mutter von sechzehn Kindern und soeben auch von ihrem vierten Manne geschieden.
Ich fand eine wahrhaft liebenswürdige, glückliche Künstlerfamilie, das innige Liebesband von gegenseitiger Achtung geknüpft. Zwei reizende Mädchenknospen blühten neben der Schwester Johanna auf. Bald fühlte ich mich in diesem harmonischen Kreise wie zu Hause. Ich wurde gefragt: welche Vorstellung auf der königlichen Bühne und welcher Künstler mich am mächtigsten ergriffen habe? Ich war schnell fertig mit dem Wort: Ludwig Devrient! Begeistert fuhr ich fort: "Wie hat er mich als Mer¬ cutio entzückt, -- als armer Poet gerührt, -- in den Drillingen erheitert, -- und als Raimbaut in Waise und Mörder, und in den Galeerensklaven -- entsetzt!
förderndere einzunehmen. Er ſagte: »Dieſer Schritt — anſcheinend rückwärts, wird Sie nicht gereuen, da Sie wahre Liebe und Achtung für Ihren Beruf empfinden!«
Der erſte Beſuch unter Bethmann's Protektion wurde Madame Eunike abgeſtattet. Bethmann wollte die Runde mit mir bei ſeiner älteſten, bewährteſten Freundin be¬ ginnen. Madame Eunike ſpielt die komiſchen Alten mit Humor und liebenswürdiger Anmuth. In jüngeren Jahren war ſie eine berühmte Geſangsſoubrette. Die älteſte Tochter Johanna iſt eine ſehr beliebte Sängerin, der Vater war einſt ein herrlicher Tenoriſt. Seine erſte von ihm geſchiedene Gattin iſt die berühmte Händel- Schütz, die Schöpferin der lebenden Bilder in Deutſch¬ land, die Meiſterin in der Attitüde und Mimik — Mutter von ſechzehn Kindern und ſoeben auch von ihrem vierten Manne geſchieden.
Ich fand eine wahrhaft liebenswürdige, glückliche Künſtlerfamilie, das innige Liebesband von gegenſeitiger Achtung geknüpft. Zwei reizende Mädchenknospen blühten neben der Schweſter Johanna auf. Bald fühlte ich mich in dieſem harmoniſchen Kreiſe wie zu Hauſe. Ich wurde gefragt: welche Vorſtellung auf der königlichen Bühne und welcher Künſtler mich am mächtigſten ergriffen habe? Ich war ſchnell fertig mit dem Wort: Ludwig Devrient! Begeiſtert fuhr ich fort: »Wie hat er mich als Mer¬ cutio entzückt, — als armer Poet gerührt, — in den Drillingen erheitert, — und als Raimbaut in Waiſe und Mörder, und in den Galeerenſklaven — entſetzt!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0107"n="79"/>
förderndere einzunehmen. Er ſagte: »Dieſer Schritt —<lb/>
anſcheinend rückwärts, wird Sie nicht gereuen, da Sie<lb/>
wahre Liebe und Achtung für Ihren Beruf empfinden!«</p><lb/><p>Der erſte Beſuch unter Bethmann's Protektion wurde<lb/>
Madame Eunike abgeſtattet. Bethmann wollte die Runde<lb/>
mit mir bei ſeiner älteſten, bewährteſten Freundin be¬<lb/>
ginnen. Madame Eunike ſpielt die komiſchen Alten mit<lb/>
Humor und liebenswürdiger Anmuth. In jüngeren<lb/>
Jahren war ſie eine berühmte Geſangsſoubrette. Die<lb/>
älteſte Tochter Johanna iſt eine ſehr beliebte Sängerin,<lb/>
der Vater war einſt ein herrlicher Tenoriſt. Seine erſte<lb/>
von ihm geſchiedene Gattin iſt die berühmte Händel-<lb/>
Schütz, die Schöpferin der lebenden Bilder in Deutſch¬<lb/>
land, die Meiſterin in der Attitüde und Mimik —<lb/>
Mutter von ſechzehn Kindern und ſoeben auch von ihrem<lb/>
vierten Manne geſchieden.</p><lb/><p>Ich fand eine wahrhaft liebenswürdige, glückliche<lb/>
Künſtlerfamilie, das innige Liebesband von gegenſeitiger<lb/>
Achtung geknüpft. Zwei reizende Mädchenknospen blühten<lb/>
neben der Schweſter Johanna auf. Bald fühlte ich mich<lb/>
in dieſem harmoniſchen Kreiſe wie zu Hauſe. Ich wurde<lb/>
gefragt: welche Vorſtellung auf der königlichen Bühne<lb/>
und welcher Künſtler mich am mächtigſten ergriffen habe?<lb/>
Ich war ſchnell fertig mit dem Wort: Ludwig Devrient!<lb/>
Begeiſtert fuhr ich fort: »Wie hat er mich als Mer¬<lb/>
cutio entzückt, — als armer Poet gerührt, — in den<lb/>
Drillingen erheitert, — und als Raimbaut in Waiſe<lb/>
und Mörder, und in den Galeerenſklaven — entſetzt!<lb/></p></div></body></text></TEI>
[79/0107]
förderndere einzunehmen. Er ſagte: »Dieſer Schritt —
anſcheinend rückwärts, wird Sie nicht gereuen, da Sie
wahre Liebe und Achtung für Ihren Beruf empfinden!«
Der erſte Beſuch unter Bethmann's Protektion wurde
Madame Eunike abgeſtattet. Bethmann wollte die Runde
mit mir bei ſeiner älteſten, bewährteſten Freundin be¬
ginnen. Madame Eunike ſpielt die komiſchen Alten mit
Humor und liebenswürdiger Anmuth. In jüngeren
Jahren war ſie eine berühmte Geſangsſoubrette. Die
älteſte Tochter Johanna iſt eine ſehr beliebte Sängerin,
der Vater war einſt ein herrlicher Tenoriſt. Seine erſte
von ihm geſchiedene Gattin iſt die berühmte Händel-
Schütz, die Schöpferin der lebenden Bilder in Deutſch¬
land, die Meiſterin in der Attitüde und Mimik —
Mutter von ſechzehn Kindern und ſoeben auch von ihrem
vierten Manne geſchieden.
Ich fand eine wahrhaft liebenswürdige, glückliche
Künſtlerfamilie, das innige Liebesband von gegenſeitiger
Achtung geknüpft. Zwei reizende Mädchenknospen blühten
neben der Schweſter Johanna auf. Bald fühlte ich mich
in dieſem harmoniſchen Kreiſe wie zu Hauſe. Ich wurde
gefragt: welche Vorſtellung auf der königlichen Bühne
und welcher Künſtler mich am mächtigſten ergriffen habe?
Ich war ſchnell fertig mit dem Wort: Ludwig Devrient!
Begeiſtert fuhr ich fort: »Wie hat er mich als Mer¬
cutio entzückt, — als armer Poet gerührt, — in den
Drillingen erheitert, — und als Raimbaut in Waiſe
und Mörder, und in den Galeerenſklaven — entſetzt!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/107>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.