Aber wie sieht der unsterbliche Devrient denn außer der Bühne aus? -- wird man denn nicht geblendet von den Strahlen seiner merkwürdigen Augen?" -- Da lächelte Madame Eunike: "Sie sollen ihn nächsten Sonn¬ tag bei uns sehen -- ja, prosaisches Mittagsbrod mit dem Unsterblichen essen! Er flieht zwar jede Geselligkeit, besonders wenn Damen die Mehrzahl bilden, nur zu uns kommt er gern. Aber -- liebe Enthusiastin, ver¬ lieren Sie nicht Ihr Herz, denn das seinige ist felsenhart und nicht gestimmt, ein verlorenes Herz aufzuheben. Und sollte Ihrer Holdseligkeit es vorbehalten sein, dies Herz zu erweichen -- so würde ich Sie beklagen. Ich schätze Devrient als unseren Freund und den größten Künstler unserer Tage, -- aber zur Frau möchte ich ihm keine meiner Töchter geben!" -- "Er will uns ja auch gar nicht!" fiel das junge Trio lachend ein. -- "Um mich armes Ding wird ein Ludwig Devrient auch nicht minnen!" schloß ich mit Resignation. -- "Sie sollen ihm gegenüber sitzen," flüsterte mir der Vater zu, -- "da können Sie den Weiberfeind so recht con amore be¬ trachten und -- bestricken ... aber ja unbemerkt, -- denn wähnt er sich beobachtet, so wird er verlegen wie ein schüchternes Mädchen."
Drei Wochen vorher hatte ich als Minna von Barn¬ helm zu sagen: "Eine Freude erwarten ist auch eine Freude!" Wie fühlte ich die Wahrheit dieser Worte, -- wie freute ich mich auf den Sonntag! Endlich, end¬ lich waren wir bei Eunikes, -- endlich trat Ludwig
Aber wie ſieht der unſterbliche Devrient denn außer der Bühne aus? — wird man denn nicht geblendet von den Strahlen ſeiner merkwürdigen Augen?« — Da lächelte Madame Eunike: »Sie ſollen ihn nächſten Sonn¬ tag bei uns ſehen — ja, proſaiſches Mittagsbrod mit dem Unſterblichen eſſen! Er flieht zwar jede Geſelligkeit, beſonders wenn Damen die Mehrzahl bilden, nur zu uns kommt er gern. Aber — liebe Enthuſiaſtin, ver¬ lieren Sie nicht Ihr Herz, denn das ſeinige iſt felſenhart und nicht geſtimmt, ein verlorenes Herz aufzuheben. Und ſollte Ihrer Holdſeligkeit es vorbehalten ſein, dies Herz zu erweichen — ſo würde ich Sie beklagen. Ich ſchätze Devrient als unſeren Freund und den größten Künſtler unſerer Tage, — aber zur Frau möchte ich ihm keine meiner Töchter geben!« — »Er will uns ja auch gar nicht!« fiel das junge Trio lachend ein. — »Um mich armes Ding wird ein Ludwig Devrient auch nicht minnen!« ſchloß ich mit Reſignation. — »Sie ſollen ihm gegenüber ſitzen,« flüſterte mir der Vater zu, — »da können Sie den Weiberfeind ſo recht con amore be¬ trachten und — beſtricken … aber ja unbemerkt, — denn wähnt er ſich beobachtet, ſo wird er verlegen wie ein ſchüchternes Mädchen.«
Drei Wochen vorher hatte ich als Minna von Barn¬ helm zu ſagen: »Eine Freude erwarten iſt auch eine Freude!« Wie fühlte ich die Wahrheit dieſer Worte, — wie freute ich mich auf den Sonntag! Endlich, end¬ lich waren wir bei Eunikes, — endlich trat Ludwig
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Aber wie ſieht der unſterbliche Devrient denn außer
der Bühne aus? — wird man denn nicht geblendet von
den Strahlen ſeiner merkwürdigen Augen?« — Da
lächelte Madame Eunike: »Sie ſollen ihn nächſten Sonn¬
tag bei uns ſehen — ja, proſaiſches Mittagsbrod mit
dem Unſterblichen eſſen! Er flieht zwar jede Geſelligkeit,
beſonders wenn Damen die Mehrzahl bilden, nur zu
uns kommt er gern. Aber — liebe Enthuſiaſtin, ver¬
lieren Sie nicht Ihr Herz, denn das ſeinige iſt felſenhart
und nicht geſtimmt, ein verlorenes Herz aufzuheben.
Und ſollte Ihrer Holdſeligkeit es vorbehalten ſein, dies
Herz zu erweichen — ſo würde ich Sie beklagen. Ich
ſchätze Devrient als unſeren Freund und den größten
Künſtler unſerer Tage, — aber zur Frau möchte ich ihm
keine meiner Töchter geben!« — »Er will uns ja auch
gar nicht!« fiel das junge Trio lachend ein. — »Um
mich armes Ding wird ein Ludwig Devrient auch nicht
minnen!« ſchloß ich mit Reſignation. — »Sie ſollen ihm
gegenüber ſitzen,« flüſterte mir der Vater zu, — »da
können Sie den Weiberfeind ſo recht con amore be¬
trachten und — beſtricken … aber ja unbemerkt, —
denn wähnt er ſich beobachtet, ſo wird er verlegen wie
ein ſchüchternes Mädchen.«
Drei Wochen vorher hatte ich als Minna von Barn¬
helm zu ſagen: »Eine Freude erwarten iſt auch eine
Freude!« Wie fühlte ich die Wahrheit dieſer Worte,
— wie freute ich mich auf den Sonntag! Endlich, end¬
lich waren wir bei Eunikes, — endlich trat Ludwig
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/108>, abgerufen am 21.11.2024.
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