war es vorbehalten, mich zu überreden. Frau Brede kam, uns bei Rahel einzuführen.
Als sie vernahm, weshalb ich nicht mitgehen wollte, ermuthigte sie mich: "Recht bald werden Sie Herr Ihrer Befangenheit werden. Meine Freundin ist gern heiter mit der Jugend, sie erwartet Sie und freut sich, die Abtrünnige vom Königstädter Theater, die so gerühmte Elsbeth aus dem Turnier zu Kronstein zu sehen. Rahel war krank und konnte keiner Vorstellung beiwohnen. Kommen Sie getrost, Sie werden mir noch für mein Zureden danken." Und ich ging wirklich mit -- und dankte Frau Brede später von Herzen.
Das Vorzimmer bei Varnhagens war nicht einla¬ dend, klein und düster, und die Visitenstube, obgleich ge¬ räumig und hübsch möblirt, gefiel mir erst recht nicht. Auch hier hatte sich die in Berlin so beliebte dunkelblaue Tapete eingebürgert, welche Jedermann so blaß erscheinen läßt. Die grau-weißen Gardinen schienen sehnlichst einer Wäsche zu harren, und gaben dem Zimmer ein schwer¬ müthiges Aussehen.
Frau von Varnhagen bewillkommte uns herzlich mit sanfter, angenehm klingender Stimme. Als wir Platz genommen hatten, hoffte ich die gepriesene Frau recht aufmerksam betrachten zu können, doch ich vermochte es nicht unbemerkt zu thun, denn während des lebhaften Gesprächs spielte sie beständig mit einem Augenglas, und öfters führte sie es blitzschnell an die Augen, mich dadurch fixirend.
war es vorbehalten, mich zu überreden. Frau Brede kam, uns bei Rahel einzuführen.
Als ſie vernahm, weshalb ich nicht mitgehen wollte, ermuthigte ſie mich: »Recht bald werden Sie Herr Ihrer Befangenheit werden. Meine Freundin iſt gern heiter mit der Jugend, ſie erwartet Sie und freut ſich, die Abtrünnige vom Königſtädter Theater, die ſo gerühmte Elsbeth aus dem Turnier zu Kronſtein zu ſehen. Rahel war krank und konnte keiner Vorſtellung beiwohnen. Kommen Sie getroſt, Sie werden mir noch für mein Zureden danken.« Und ich ging wirklich mit — und dankte Frau Brede ſpäter von Herzen.
Das Vorzimmer bei Varnhagens war nicht einla¬ dend, klein und düſter, und die Viſitenſtube, obgleich ge¬ räumig und hübſch möblirt, gefiel mir erſt recht nicht. Auch hier hatte ſich die in Berlin ſo beliebte dunkelblaue Tapete eingebürgert, welche Jedermann ſo blaß erſcheinen läßt. Die grau-weißen Gardinen ſchienen ſehnlichſt einer Wäſche zu harren, und gaben dem Zimmer ein ſchwer¬ müthiges Ausſehen.
Frau von Varnhagen bewillkommte uns herzlich mit ſanfter, angenehm klingender Stimme. Als wir Platz genommen hatten, hoffte ich die geprieſene Frau recht aufmerkſam betrachten zu können, doch ich vermochte es nicht unbemerkt zu thun, denn während des lebhaften Geſprächs ſpielte ſie beſtändig mit einem Augenglas, und öfters führte ſie es blitzſchnell an die Augen, mich dadurch fixirend.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0115"n="87"/>
war es vorbehalten, mich zu überreden. Frau Brede<lb/>
kam, uns bei Rahel einzuführen.</p><lb/><p>Als ſie vernahm, weshalb ich nicht mitgehen wollte,<lb/>
ermuthigte ſie mich: »Recht bald werden Sie Herr Ihrer<lb/>
Befangenheit werden. Meine Freundin iſt gern heiter<lb/>
mit der Jugend, ſie erwartet Sie und freut ſich, die<lb/>
Abtrünnige vom Königſtädter Theater, die ſo gerühmte<lb/>
Elsbeth aus dem Turnier zu Kronſtein zu ſehen. Rahel<lb/>
war krank und konnte keiner Vorſtellung beiwohnen.<lb/>
Kommen Sie getroſt, Sie werden mir noch für mein<lb/>
Zureden danken.« Und ich ging wirklich mit — und<lb/>
dankte Frau Brede ſpäter von Herzen.</p><lb/><p>Das Vorzimmer bei Varnhagens war nicht einla¬<lb/>
dend, klein und düſter, und die Viſitenſtube, obgleich ge¬<lb/>
räumig und hübſch möblirt, gefiel mir erſt recht nicht.<lb/>
Auch hier hatte ſich die in Berlin ſo beliebte dunkelblaue<lb/>
Tapete eingebürgert, welche Jedermann ſo blaß erſcheinen<lb/>
läßt. Die grau-weißen Gardinen ſchienen ſehnlichſt einer<lb/>
Wäſche zu harren, und gaben dem Zimmer ein ſchwer¬<lb/>
müthiges Ausſehen.</p><lb/><p>Frau von Varnhagen bewillkommte uns herzlich mit<lb/>ſanfter, angenehm klingender Stimme. Als wir Platz<lb/>
genommen hatten, hoffte ich die geprieſene Frau recht<lb/>
aufmerkſam betrachten zu können, doch ich vermochte es<lb/>
nicht unbemerkt zu thun, denn während des lebhaften<lb/>
Geſprächs ſpielte ſie beſtändig mit einem Augenglas, und<lb/>
öfters führte ſie es blitzſchnell an die Augen, mich<lb/>
dadurch fixirend.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[87/0115]
war es vorbehalten, mich zu überreden. Frau Brede
kam, uns bei Rahel einzuführen.
Als ſie vernahm, weshalb ich nicht mitgehen wollte,
ermuthigte ſie mich: »Recht bald werden Sie Herr Ihrer
Befangenheit werden. Meine Freundin iſt gern heiter
mit der Jugend, ſie erwartet Sie und freut ſich, die
Abtrünnige vom Königſtädter Theater, die ſo gerühmte
Elsbeth aus dem Turnier zu Kronſtein zu ſehen. Rahel
war krank und konnte keiner Vorſtellung beiwohnen.
Kommen Sie getroſt, Sie werden mir noch für mein
Zureden danken.« Und ich ging wirklich mit — und
dankte Frau Brede ſpäter von Herzen.
Das Vorzimmer bei Varnhagens war nicht einla¬
dend, klein und düſter, und die Viſitenſtube, obgleich ge¬
räumig und hübſch möblirt, gefiel mir erſt recht nicht.
Auch hier hatte ſich die in Berlin ſo beliebte dunkelblaue
Tapete eingebürgert, welche Jedermann ſo blaß erſcheinen
läßt. Die grau-weißen Gardinen ſchienen ſehnlichſt einer
Wäſche zu harren, und gaben dem Zimmer ein ſchwer¬
müthiges Ausſehen.
Frau von Varnhagen bewillkommte uns herzlich mit
ſanfter, angenehm klingender Stimme. Als wir Platz
genommen hatten, hoffte ich die geprieſene Frau recht
aufmerkſam betrachten zu können, doch ich vermochte es
nicht unbemerkt zu thun, denn während des lebhaften
Geſprächs ſpielte ſie beſtändig mit einem Augenglas, und
öfters führte ſie es blitzſchnell an die Augen, mich
dadurch fixirend.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/115>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.