Frau von Spontini hat das exklusive Wesen ihres Mannes angenommen und gleich ihm noch nicht zehn Wörtchen Deutsch gelernt. Sie spricht nur von Paris -- gleich einer unglücklich hieher Verbannten. Sie bewohnen ein prachtvolles Logis, sind von vielen dienstbaren Geistern umschwirrt und machen ein glänzendes Haus.
Spontini lebt mit dem Grafen Brühl auf mehr als gespanntem Fuße -- aber er ist allmächtig, kann seine neu komponirten Opern nach Belieben und mit größter Verschwendung in Szene setzen, hundert Proben halten und die Stimmen der armen Sänger und Sängerinnen auf seinen beliebten Ambossen langsam zu Blech hämmern ... Niemand darf ihm hineinreden. Der König schützt ihn.
Das Publikum hat seine letzten Schöpfungen nicht beifällig aufgenommen und wirft ihm mit Recht Mangel an Melodie und zu massenhafte Orchester-Begleitung vor. Freunde Spontini's behaupten, dadurch sei sein Gemüth so verbittert worden. Daß die Vestalin, Ferdinand Cortez zu den Meisterwerken zählen, scheint ihn nicht zu beglücken. Graf Brühl hat viel von seinen Prätensionen zu leiden.
Und diesem steinernen Gaste mußte ich bei einem Diner, von seinen Verehrern ihm gegeben, gegenüber sitzen, -- sogar ein weihrauchduftiges Gedicht vortragen. Madame Milder, Madame Schulz -- unsere Primadonnen -- saßen zu seiner Rechten und Linken, Madame Spontini neben mir. Rauschende Musik wurde aus seinen Opern vorgetragen. Nach meiner Deklamation wurde ihm mit
Frau von Spontini hat das exkluſive Weſen ihres Mannes angenommen und gleich ihm noch nicht zehn Wörtchen Deutſch gelernt. Sie ſpricht nur von Paris — gleich einer unglücklich hieher Verbannten. Sie bewohnen ein prachtvolles Logis, ſind von vielen dienſtbaren Geiſtern umſchwirrt und machen ein glänzendes Haus.
Spontini lebt mit dem Grafen Brühl auf mehr als geſpanntem Fuße — aber er iſt allmächtig, kann ſeine neu komponirten Opern nach Belieben und mit größter Verſchwendung in Szene ſetzen, hundert Proben halten und die Stimmen der armen Sänger und Sängerinnen auf ſeinen beliebten Amboſſen langſam zu Blech hämmern … Niemand darf ihm hineinreden. Der König ſchützt ihn.
Das Publikum hat ſeine letzten Schöpfungen nicht beifällig aufgenommen und wirft ihm mit Recht Mangel an Melodie und zu maſſenhafte Orcheſter-Begleitung vor. Freunde Spontini's behaupten, dadurch ſei ſein Gemüth ſo verbittert worden. Daß die Veſtalin, Ferdinand Cortez zu den Meiſterwerken zählen, ſcheint ihn nicht zu beglücken. Graf Brühl hat viel von ſeinen Prätenſionen zu leiden.
Und dieſem ſteinernen Gaſte mußte ich bei einem Diner, von ſeinen Verehrern ihm gegeben, gegenüber ſitzen, — ſogar ein weihrauchduftiges Gedicht vortragen. Madame Milder, Madame Schulz — unſere Primadonnen — ſaßen zu ſeiner Rechten und Linken, Madame Spontini neben mir. Rauſchende Muſik wurde aus ſeinen Opern vorgetragen. Nach meiner Deklamation wurde ihm mit
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0122"n="94"/><p>Frau von Spontini hat das exkluſive Weſen ihres<lb/>
Mannes angenommen und gleich ihm noch nicht zehn<lb/>
Wörtchen Deutſch gelernt. Sie ſpricht nur von Paris —<lb/>
gleich einer unglücklich hieher Verbannten. Sie bewohnen<lb/>
ein prachtvolles Logis, ſind von vielen dienſtbaren Geiſtern<lb/>
umſchwirrt und machen ein glänzendes Haus.</p><lb/><p>Spontini lebt mit dem Grafen Brühl auf mehr als<lb/>
geſpanntem Fuße — aber er iſt allmächtig, kann ſeine<lb/>
neu komponirten Opern nach Belieben und mit größter<lb/>
Verſchwendung in Szene ſetzen, hundert Proben halten<lb/>
und die Stimmen der armen Sänger und Sängerinnen<lb/>
auf ſeinen beliebten Amboſſen langſam zu Blech hämmern …<lb/>
Niemand darf ihm hineinreden. Der König ſchützt ihn.</p><lb/><p>Das Publikum hat ſeine letzten Schöpfungen nicht<lb/>
beifällig aufgenommen und wirft ihm mit Recht Mangel<lb/>
an Melodie und zu maſſenhafte Orcheſter-Begleitung vor.<lb/>
Freunde Spontini's behaupten, dadurch ſei ſein Gemüth<lb/>ſo verbittert worden. Daß die Veſtalin, Ferdinand Cortez<lb/>
zu den Meiſterwerken zählen, ſcheint ihn nicht zu beglücken.<lb/>
Graf Brühl hat viel von ſeinen Prätenſionen zu<lb/>
leiden.</p><lb/><p>Und dieſem ſteinernen Gaſte mußte ich bei einem<lb/>
Diner, von ſeinen Verehrern ihm gegeben, gegenüber<lb/>ſitzen, —ſogar ein weihrauchduftiges Gedicht vortragen.<lb/>
Madame Milder, Madame Schulz — unſere Primadonnen<lb/>—ſaßen zu ſeiner Rechten und Linken, Madame Spontini<lb/>
neben mir. Rauſchende Muſik wurde aus ſeinen Opern<lb/>
vorgetragen. Nach meiner Deklamation wurde ihm mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[94/0122]
Frau von Spontini hat das exkluſive Weſen ihres
Mannes angenommen und gleich ihm noch nicht zehn
Wörtchen Deutſch gelernt. Sie ſpricht nur von Paris —
gleich einer unglücklich hieher Verbannten. Sie bewohnen
ein prachtvolles Logis, ſind von vielen dienſtbaren Geiſtern
umſchwirrt und machen ein glänzendes Haus.
Spontini lebt mit dem Grafen Brühl auf mehr als
geſpanntem Fuße — aber er iſt allmächtig, kann ſeine
neu komponirten Opern nach Belieben und mit größter
Verſchwendung in Szene ſetzen, hundert Proben halten
und die Stimmen der armen Sänger und Sängerinnen
auf ſeinen beliebten Amboſſen langſam zu Blech hämmern …
Niemand darf ihm hineinreden. Der König ſchützt ihn.
Das Publikum hat ſeine letzten Schöpfungen nicht
beifällig aufgenommen und wirft ihm mit Recht Mangel
an Melodie und zu maſſenhafte Orcheſter-Begleitung vor.
Freunde Spontini's behaupten, dadurch ſei ſein Gemüth
ſo verbittert worden. Daß die Veſtalin, Ferdinand Cortez
zu den Meiſterwerken zählen, ſcheint ihn nicht zu beglücken.
Graf Brühl hat viel von ſeinen Prätenſionen zu
leiden.
Und dieſem ſteinernen Gaſte mußte ich bei einem
Diner, von ſeinen Verehrern ihm gegeben, gegenüber
ſitzen, — ſogar ein weihrauchduftiges Gedicht vortragen.
Madame Milder, Madame Schulz — unſere Primadonnen
— ſaßen zu ſeiner Rechten und Linken, Madame Spontini
neben mir. Rauſchende Muſik wurde aus ſeinen Opern
vorgetragen. Nach meiner Deklamation wurde ihm mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/122>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.