Tusch und Vivats ein Lorberkranz überreicht. Ich sah -- o Wunder! -- die wächsernen Züge Spontini's einen milden Ausdruck annehmen und etwas wie Thränen in den harten Augen blinken ... sie brachen sich aber keine Bahn -- diese Gefühl verrathenden, Herz erfrischenden Tropfen! Der Italiener hatte den Augenblick der Rüh¬ rung leicht überwunden; gefaßt, wie vorher berechnet, theilte er den Lorberkranz und überreichte die Hälften Madame Milder und Madame Schulz, in gebrochenem Deutsch hinzufügend: "Den Sängerinnen -- Lorber -- gebührt -- mir -- Sieg verholfen."
Wie gerne hätte ich ihm zugerufen: Nicht einmal für Augenblicke können Sie gemüthlich deutsch empfinden, selbst nicht im Kreise Ihrer Verehrer -- und möchten doch bei Deutschen Sympathie erwecken!" --
Da wurde mir es klar, daß Graf Brühl mit dem versteinerten Maestro viel auszustehen hat. Graf Brühl, ganz Hingebung und Begeisterung für die königliche Bühne, er, der Goethe und Schiller gekannt, Zeuge klassischer Darstellungen in Weimars Glanzperiode ge¬ wesen, -- muß so den Intriguen des schlau berechnenden Italieners nachstehen! -- Allgemein wird behauptet, daß der hochbegabte Intendant nicht allein Kunstsinn -- auch Kunstkenntniß besitze, -- seine Mitglieder zu schätzen wisse und selbst, wenn er Tadel aussprechen muß, nie verletze.
Tags darauf, nach diesem frostigen Fest, fuhren wir nach Potsdam, um in dem von Karl Blum dort arran¬
Tuſch und Vivats ein Lorberkranz überreicht. Ich ſah — o Wunder! — die wächſernen Züge Spontini's einen milden Ausdruck annehmen und etwas wie Thränen in den harten Augen blinken … ſie brachen ſich aber keine Bahn — dieſe Gefühl verrathenden, Herz erfriſchenden Tropfen! Der Italiener hatte den Augenblick der Rüh¬ rung leicht überwunden; gefaßt, wie vorher berechnet, theilte er den Lorberkranz und überreichte die Hälften Madame Milder und Madame Schulz, in gebrochenem Deutſch hinzufügend: »Den Sängerinnen — Lorber — gebührt — mir — Sieg verholfen.«
Wie gerne hätte ich ihm zugerufen: Nicht einmal für Augenblicke können Sie gemüthlich deutſch empfinden, ſelbſt nicht im Kreiſe Ihrer Verehrer — und möchten doch bei Deutſchen Sympathie erwecken!« —
Da wurde mir es klar, daß Graf Brühl mit dem verſteinerten Maeſtro viel auszuſtehen hat. Graf Brühl, ganz Hingebung und Begeiſterung für die königliche Bühne, er, der Goethe und Schiller gekannt, Zeuge klaſſiſcher Darſtellungen in Weimars Glanzperiode ge¬ weſen, — muß ſo den Intriguen des ſchlau berechnenden Italieners nachſtehen! — Allgemein wird behauptet, daß der hochbegabte Intendant nicht allein Kunſtſinn — auch Kunſtkenntniß beſitze, — ſeine Mitglieder zu ſchätzen wiſſe und ſelbſt, wenn er Tadel ausſprechen muß, nie verletze.
Tags darauf, nach dieſem froſtigen Feſt, fuhren wir nach Potsdam, um in dem von Karl Blum dort arran¬
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Tuſch und Vivats ein Lorberkranz überreicht. Ich ſah
— o Wunder! — die wächſernen Züge Spontini's einen
milden Ausdruck annehmen und etwas wie Thränen in
den harten Augen blinken … ſie brachen ſich aber keine
Bahn — dieſe Gefühl verrathenden, Herz erfriſchenden
Tropfen! Der Italiener hatte den Augenblick der Rüh¬
rung leicht überwunden; gefaßt, wie vorher berechnet,
theilte er den Lorberkranz und überreichte die Hälften
Madame Milder und Madame Schulz, in gebrochenem
Deutſch hinzufügend: »Den Sängerinnen — Lorber —
gebührt — mir — Sieg verholfen.«
Wie gerne hätte ich ihm zugerufen: Nicht einmal
für Augenblicke können Sie gemüthlich deutſch empfinden,
ſelbſt nicht im Kreiſe Ihrer Verehrer — und möchten
doch bei Deutſchen Sympathie erwecken!« —
Da wurde mir es klar, daß Graf Brühl mit dem
verſteinerten Maeſtro viel auszuſtehen hat. Graf Brühl,
ganz Hingebung und Begeiſterung für die königliche
Bühne, er, der Goethe und Schiller gekannt, Zeuge
klaſſiſcher Darſtellungen in Weimars Glanzperiode ge¬
weſen, — muß ſo den Intriguen des ſchlau berechnenden
Italieners nachſtehen! — Allgemein wird behauptet, daß
der hochbegabte Intendant nicht allein Kunſtſinn —
auch Kunſtkenntniß beſitze, — ſeine Mitglieder zu
ſchätzen wiſſe und ſelbſt, wenn er Tadel ausſprechen muß,
nie verletze.
Tags darauf, nach dieſem froſtigen Feſt, fuhren wir
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/123>, abgerufen am 24.11.2024.
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