Du hast keine Idee, Louis, auf welche liebenswürdig humoristische, geistreiche Weise die Unterhaltung geführt wurde! Wie diese alten Herren uns in's angenehmste Gespräch zu ziehen wußten, und wie meine unbefangenen Aeußerungen sie erfreuten. Ich mußte von Karlsruhe -- die Mutter vom seligen Vater erzählen. Sie lachten herzlich über meine enthusiastischen Lobeserhebungen -- über Berlin und die Berliner.
Beim Dessert las ich "Hebel's Sommerabend" und "Hans und Verene". Die alemannische Mundart war ihnen etwas Neues, und General Lestock, mein Nachbar, bat immer wieder:
"O, nur noch einmal den Schluß" ... und ich wurde nicht müde zu sagen: "jo frili willi, jo!"
Die Mutter sah wie verklärt aus und -- lobte mich auch später. Beim Abschiednehmen mußten wir ver¬ sprechen: nächstes Jahr dem Diner wieder beizuwohnen, und -- -- der Abwesenden zu gedenken. "Niemand wird fehlen!" -- rief ich lebhaft -- "ich ahne es!" -- und herzlich tönte es von beiden Seiten: "Auf frohes Wieder¬ sehen -- über's Jahr!"*)
Und nun von den Bällen. Einer der hübschesten war der des General Herwarth, -- ein lieber alter Herr, seine Gemahlin die Sanftmuth selbst. Beide sind noch gar nicht von den Gebrechen des Alters heimgesucht,
*) Es fehlte auch Niemand im nächsten Jahre. Aber heute -- bin ich allein nur noch übrig aus jenem heiteren Kreise.
Du haſt keine Idee, Louis, auf welche liebenswürdig humoriſtiſche, geiſtreiche Weiſe die Unterhaltung geführt wurde! Wie dieſe alten Herren uns in's angenehmſte Geſpräch zu ziehen wußten, und wie meine unbefangenen Aeußerungen ſie erfreuten. Ich mußte von Karlsruhe — die Mutter vom ſeligen Vater erzählen. Sie lachten herzlich über meine enthuſiaſtiſchen Lobeserhebungen — über Berlin und die Berliner.
Beim Deſſert las ich »Hebel's Sommerabend« und »Hans und Verene«. Die alemanniſche Mundart war ihnen etwas Neues, und General Leſtock, mein Nachbar, bat immer wieder:
»O, nur noch einmal den Schluß« … und ich wurde nicht müde zu ſagen: »jo frili willi, jo!«
Die Mutter ſah wie verklärt aus und — lobte mich auch ſpäter. Beim Abſchiednehmen mußten wir ver¬ ſprechen: nächſtes Jahr dem Diner wieder beizuwohnen, und — — der Abweſenden zu gedenken. »Niemand wird fehlen!« — rief ich lebhaft — »ich ahne es!« — und herzlich tönte es von beiden Seiten: »Auf frohes Wieder¬ ſehen — über's Jahr!«*)
Und nun von den Bällen. Einer der hübſcheſten war der des General Herwarth, — ein lieber alter Herr, ſeine Gemahlin die Sanftmuth ſelbſt. Beide ſind noch gar nicht von den Gebrechen des Alters heimgeſucht,
*) Es fehlte auch Niemand im nächſten Jahre. Aber heute — bin ich allein nur noch übrig aus jenem heiteren Kreiſe.
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Du haſt keine Idee, Louis, auf welche liebenswürdig
humoriſtiſche, geiſtreiche Weiſe die Unterhaltung geführt
wurde! Wie dieſe alten Herren uns in's angenehmſte
Geſpräch zu ziehen wußten, und wie meine unbefangenen
Aeußerungen ſie erfreuten. Ich mußte von Karlsruhe —
die Mutter vom ſeligen Vater erzählen. Sie lachten
herzlich über meine enthuſiaſtiſchen Lobeserhebungen —
über Berlin und die Berliner.
Beim Deſſert las ich »Hebel's Sommerabend« und
»Hans und Verene«. Die alemanniſche Mundart war
ihnen etwas Neues, und General Leſtock, mein Nachbar,
bat immer wieder:
»O, nur noch einmal den Schluß« … und ich wurde
nicht müde zu ſagen: »jo frili willi, jo!«
Die Mutter ſah wie verklärt aus und — lobte mich
auch ſpäter. Beim Abſchiednehmen mußten wir ver¬
ſprechen: nächſtes Jahr dem Diner wieder beizuwohnen,
und — — der Abweſenden zu gedenken. »Niemand wird
fehlen!« — rief ich lebhaft — »ich ahne es!« — und
herzlich tönte es von beiden Seiten: »Auf frohes Wieder¬
ſehen — über's Jahr!« *)
Und nun von den Bällen. Einer der hübſcheſten
war der des General Herwarth, — ein lieber alter Herr,
ſeine Gemahlin die Sanftmuth ſelbſt. Beide ſind noch
gar nicht von den Gebrechen des Alters heimgeſucht,
*)
Es fehlte auch Niemand im nächſten Jahre. Aber heute —
bin ich allein nur noch übrig aus jenem heiteren Kreiſe.
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/129>, abgerufen am 21.11.2024.
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