Apotheker, klopfte mir so recht wie ein guter Vater auf die Schulter und sagte herzlich: "Aber ich liebe und lobe die Gefühle -- des Kindskopfes!"
Das war die Art und Weise, wie große Künstler und beliebte Anfänger damals zusammen verkehrten. Während meines fünfjährigen Engagements bei der könig¬ lichen Bühne in Berlin habe ich nicht eine boshafte Bemerkung, nicht eine unliebsame Aeußerung vernommen. Die Mitglieder gingen Hand in Hand, gegenseitig wohl¬ wollend gesinnt, und lösten undankbare wie belohnende Aufgaben mit gleicher Hingebung und gewissenhaftem Fleiß, -- und das Wolff'sche Ehepaar ging mit bestem Beispiel voran. Alexander Wolff verdiente, was Goethe über ihn sagte, als er Weimar längst verlassen hatte: "So viel ich auch in's Ganze gewirkt habe und so Manches durch mich angeregt worden ist, so kann ich doch nur einen Menschen, der sich ganz nach meinem Sinn gebildet hatte, nennen: das ist der Schauspieler Wolff!"
Aber Ludwig Devrient? Habe ich denn über ihn nichts zu sagen -- über mein Idol? Da liegt wieder ein altes, verblichenes Blatt vor mir, das ich 1826 über Ludwig Devrient an meinen verehrten, würdigen Lehrer Aloys Schreiber nach Karlsruhe schrieb. Es mag hier seinen Platz finden -- meine heutige Feder würde doch nicht so frisch und lebensvoll zeichnen können.
" ... Ludwig Devrient ist der genialste Künstler, die interessanteste Persönlichkeit, welche ich bis jetzt ge¬
Apotheker, klopfte mir ſo recht wie ein guter Vater auf die Schulter und ſagte herzlich: »Aber ich liebe und lobe die Gefühle — des Kindskopfes!«
Das war die Art und Weiſe, wie große Künſtler und beliebte Anfänger damals zuſammen verkehrten. Während meines fünfjährigen Engagements bei der könig¬ lichen Bühne in Berlin habe ich nicht eine boshafte Bemerkung, nicht eine unliebſame Aeußerung vernommen. Die Mitglieder gingen Hand in Hand, gegenſeitig wohl¬ wollend geſinnt, und löſten undankbare wie belohnende Aufgaben mit gleicher Hingebung und gewiſſenhaftem Fleiß, — und das Wolff'ſche Ehepaar ging mit beſtem Beiſpiel voran. Alexander Wolff verdiente, was Goethe über ihn ſagte, als er Weimar längſt verlaſſen hatte: »So viel ich auch in's Ganze gewirkt habe und ſo Manches durch mich angeregt worden iſt, ſo kann ich doch nur einen Menſchen, der ſich ganz nach meinem Sinn gebildet hatte, nennen: das iſt der Schauſpieler Wolff!«
Aber Ludwig Devrient? Habe ich denn über ihn nichts zu ſagen — über mein Idol? Da liegt wieder ein altes, verblichenes Blatt vor mir, das ich 1826 über Ludwig Devrient an meinen verehrten, würdigen Lehrer Aloys Schreiber nach Karlsruhe ſchrieb. Es mag hier ſeinen Platz finden — meine heutige Feder würde doch nicht ſo friſch und lebensvoll zeichnen können.
» … Ludwig Devrient iſt der genialſte Künſtler, die intereſſanteſte Perſönlichkeit, welche ich bis jetzt ge¬
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Apotheker, klopfte mir ſo recht wie ein guter Vater auf
die Schulter und ſagte herzlich: »Aber ich liebe und
lobe die Gefühle — des Kindskopfes!«
Das war die Art und Weiſe, wie große Künſtler
und beliebte Anfänger damals zuſammen verkehrten.
Während meines fünfjährigen Engagements bei der könig¬
lichen Bühne in Berlin habe ich nicht eine boshafte
Bemerkung, nicht eine unliebſame Aeußerung vernommen.
Die Mitglieder gingen Hand in Hand, gegenſeitig wohl¬
wollend geſinnt, und löſten undankbare wie belohnende
Aufgaben mit gleicher Hingebung und gewiſſenhaftem
Fleiß, — und das Wolff'ſche Ehepaar ging mit beſtem
Beiſpiel voran. Alexander Wolff verdiente, was Goethe
über ihn ſagte, als er Weimar längſt verlaſſen hatte:
»So viel ich auch in's Ganze gewirkt habe und ſo
Manches durch mich angeregt worden iſt, ſo kann ich
doch nur einen Menſchen, der ſich ganz nach meinem
Sinn gebildet hatte, nennen: das iſt der Schauſpieler
Wolff!«
Aber Ludwig Devrient? Habe ich denn über ihn
nichts zu ſagen — über mein Idol? Da liegt wieder
ein altes, verblichenes Blatt vor mir, das ich 1826 über
Ludwig Devrient an meinen verehrten, würdigen Lehrer
Aloys Schreiber nach Karlsruhe ſchrieb. Es mag hier
ſeinen Platz finden — meine heutige Feder würde doch
nicht ſo friſch und lebensvoll zeichnen können.
» … Ludwig Devrient iſt der genialſte Künſtler,
die intereſſanteſte Perſönlichkeit, welche ich bis jetzt ge¬
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/139>, abgerufen am 16.02.2025.
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