was er, was seine Mutter gelitten, er erspart seinem Vater keinen Vorwurf, läßt aber auch seine edlen Gefühle, seinen Geist den Vater erkennen, und dieser -- zu seinem qualvollen Entzücken -- fühlt eine rasende Liebe für den Verstoßenen in seinem Herzen auflodern. Er erkennt jetzt den Werth seines armen Kindes ... zu spät.
Der Sekretär nimmt Gift, um die Ehre seines Vaters zu retten. Frau und Tochter des Präsidenten stürzen mit der von ihnen liebevoll aufgenommenen Schwester herein, und in ihren Armen stirbt der Unglückliche. Herr Hofrath! -- zu schildern, wie Devrient stirbt, welchen Blick er dem um Verzeihung flehenden Vater schenkt, indem er ihm die Hand reicht ... das muß man sehen -- zu beschreiben ist es nicht.
Und erst der Todeskampf! -- das Zucken der Augen¬ wimpern, der Schmerzenszug um den Mund, das Er¬ löschen der Stimme, das Beben des Körpers -- dann das letzte Aufflammen des Lebenslichtes vor dem Erlöschen -- Alles unnennbar ergreifend und doch nichts übertrieben, kein krasses, zurückstoßendes Mienenspiel ... Devrient sinkt, uns mit sich niederziehend, hin -- der Vorhang fällt.
Tiefe Stille im Publikum -- wie noch unter dem Eindruck des Gesehenen. Dann ertönt's: "Devrient! Beschort!" Wir wollen Devrient aufhelfen -- er rührt sich nicht! -- Man kommt uns zu Hülfe, ich sage: "Sie werden gerufen!" -- Da schlägt er mit einem tiefen Seufzer die Augen auf und sagt leise -- mit wehmüthigem,
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was er, was ſeine Mutter gelitten, er erſpart ſeinem Vater keinen Vorwurf, läßt aber auch ſeine edlen Gefühle, ſeinen Geiſt den Vater erkennen, und dieſer — zu ſeinem qualvollen Entzücken — fühlt eine raſende Liebe für den Verſtoßenen in ſeinem Herzen auflodern. Er erkennt jetzt den Werth ſeines armen Kindes … zu ſpät.
Der Sekretär nimmt Gift, um die Ehre ſeines Vaters zu retten. Frau und Tochter des Präſidenten ſtürzen mit der von ihnen liebevoll aufgenommenen Schweſter herein, und in ihren Armen ſtirbt der Unglückliche. Herr Hofrath! — zu ſchildern, wie Devrient ſtirbt, welchen Blick er dem um Verzeihung flehenden Vater ſchenkt, indem er ihm die Hand reicht … das muß man ſehen — zu beſchreiben iſt es nicht.
Und erſt der Todeskampf! — das Zucken der Augen¬ wimpern, der Schmerzenszug um den Mund, das Er¬ löſchen der Stimme, das Beben des Körpers — dann das letzte Aufflammen des Lebenslichtes vor dem Erlöſchen — Alles unnennbar ergreifend und doch nichts übertrieben, kein kraſſes, zurückſtoßendes Mienenſpiel … Devrient ſinkt, uns mit ſich niederziehend, hin — der Vorhang fällt.
Tiefe Stille im Publikum — wie noch unter dem Eindruck des Geſehenen. Dann ertönt's: »Devrient! Beſchort!« Wir wollen Devrient aufhelfen — er rührt ſich nicht! — Man kommt uns zu Hülfe, ich ſage: »Sie werden gerufen!« — Da ſchlägt er mit einem tiefen Seufzer die Augen auf und ſagt leiſe — mit wehmüthigem,
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was er, was ſeine Mutter gelitten, er erſpart ſeinem
Vater keinen Vorwurf, läßt aber auch ſeine edlen Gefühle,
ſeinen Geiſt den Vater erkennen, und dieſer — zu ſeinem
qualvollen Entzücken — fühlt eine raſende Liebe für den
Verſtoßenen in ſeinem Herzen auflodern. Er erkennt jetzt
den Werth ſeines armen Kindes … zu ſpät.
Der Sekretär nimmt Gift, um die Ehre ſeines Vaters
zu retten. Frau und Tochter des Präſidenten ſtürzen
mit der von ihnen liebevoll aufgenommenen Schweſter
herein, und in ihren Armen ſtirbt der Unglückliche. Herr
Hofrath! — zu ſchildern, wie Devrient ſtirbt, welchen
Blick er dem um Verzeihung flehenden Vater ſchenkt, indem
er ihm die Hand reicht … das muß man ſehen — zu
beſchreiben iſt es nicht.
Und erſt der Todeskampf! — das Zucken der Augen¬
wimpern, der Schmerzenszug um den Mund, das Er¬
löſchen der Stimme, das Beben des Körpers — dann
das letzte Aufflammen des Lebenslichtes vor dem Erlöſchen
— Alles unnennbar ergreifend und doch nichts übertrieben,
kein kraſſes, zurückſtoßendes Mienenſpiel … Devrient
ſinkt, uns mit ſich niederziehend, hin — der Vorhang
fällt.
Tiefe Stille im Publikum — wie noch unter dem
Eindruck des Geſehenen. Dann ertönt's: »Devrient!
Beſchort!« Wir wollen Devrient aufhelfen — er rührt
ſich nicht! — Man kommt uns zu Hülfe, ich ſage: »Sie
werden gerufen!« — Da ſchlägt er mit einem tiefen
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/143>, abgerufen am 21.11.2024.
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