müden Lächeln: "Ich dachte, ich sei wirklich gestorben!" -- und geht mit wankenden Schritten von der Bühne. So hatte er sich in seine Aufgabe hineingespielt, hinein¬ gelebt.
Nun von weniger Ernstem! In der Tragödie Raupach's, Raphaele, stellt Devrient einen Türken vor, Krüger und ich sind seine Kinder. Der Vater muß uns etwas Wichtiges mittheilen, und aufmerksam zuhörend sitzen wir auf einem Divan rechts und links von ihm, etwas entfernt vom Souffleurkasten. Die Rede beginnt mit: "Allah ist groß!" -- und: "Allah ist groß!" sagt Devrient zum zweiten Mal -- man merkt, er ist zer¬ streut -- "Allah ist groß!" zum dritten Mal ... Er kommt über Allah's Größe nicht hinweg. Da versuche ich ihm die von mir ganz gut gehörten Worte zu souffliren, ganz leise ... Devrient versteht mich, spricht nach, wird Herr seines Gedächtnisses und spielt mit gewohnter Meister¬ schaft weiter.
Nach dem Akt sehe ich ihn rasch auf mich zukommen; er legt seine Hand wie segnend auf meinen Turban und sagt sehr freundlich: "Brav, brav, liebe Kleine, -- ich danke! ich danke!" -- Wer war stolzer und glücklicher als ich!
Devrient half mir dann auch beim Einstudiren der Karoline in "Die Nachtwandlerin" von Blum. -- Ich theilte ihm mit, wie schwer mir die Nachtwandlerßene würde und wie Angst es mir sei, nach der Neumann diese Rolle zu spielen. Da erbot er sich, mir Rath zu
müden Lächeln: »Ich dachte, ich ſei wirklich geſtorben!« — und geht mit wankenden Schritten von der Bühne. So hatte er ſich in ſeine Aufgabe hineingeſpielt, hinein¬ gelebt.
Nun von weniger Ernſtem! In der Tragödie Raupach's, Raphaele, ſtellt Devrient einen Türken vor, Krüger und ich ſind ſeine Kinder. Der Vater muß uns etwas Wichtiges mittheilen, und aufmerkſam zuhörend ſitzen wir auf einem Divan rechts und links von ihm, etwas entfernt vom Souffleurkaſten. Die Rede beginnt mit: »Allah iſt groß!« — und: »Allah iſt groß!« ſagt Devrient zum zweiten Mal — man merkt, er iſt zer¬ ſtreut — »Allah iſt groß!« zum dritten Mal … Er kommt über Allah's Größe nicht hinweg. Da verſuche ich ihm die von mir ganz gut gehörten Worte zu ſouffliren, ganz leiſe … Devrient verſteht mich, ſpricht nach, wird Herr ſeines Gedächtniſſes und ſpielt mit gewohnter Meiſter¬ ſchaft weiter.
Nach dem Akt ſehe ich ihn raſch auf mich zukommen; er legt ſeine Hand wie ſegnend auf meinen Turban und ſagt ſehr freundlich: »Brav, brav, liebe Kleine, — ich danke! ich danke!« — Wer war ſtolzer und glücklicher als ich!
Devrient half mir dann auch beim Einſtudiren der Karoline in »Die Nachtwandlerin« von Blum. — Ich theilte ihm mit, wie ſchwer mir die Nachtwandlerſzene würde und wie Angſt es mir ſei, nach der Neumann dieſe Rolle zu ſpielen. Da erbot er ſich, mir Rath zu
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müden Lächeln: »Ich dachte, ich ſei wirklich geſtorben!«
— und geht mit wankenden Schritten von der Bühne.
So hatte er ſich in ſeine Aufgabe hineingeſpielt, hinein¬
gelebt.
Nun von weniger Ernſtem! In der Tragödie
Raupach's, Raphaele, ſtellt Devrient einen Türken vor,
Krüger und ich ſind ſeine Kinder. Der Vater muß uns
etwas Wichtiges mittheilen, und aufmerkſam zuhörend
ſitzen wir auf einem Divan rechts und links von ihm,
etwas entfernt vom Souffleurkaſten. Die Rede beginnt
mit: »Allah iſt groß!« — und: »Allah iſt groß!« ſagt
Devrient zum zweiten Mal — man merkt, er iſt zer¬
ſtreut — »Allah iſt groß!« zum dritten Mal … Er
kommt über Allah's Größe nicht hinweg. Da verſuche ich
ihm die von mir ganz gut gehörten Worte zu ſouffliren,
ganz leiſe … Devrient verſteht mich, ſpricht nach, wird
Herr ſeines Gedächtniſſes und ſpielt mit gewohnter Meiſter¬
ſchaft weiter.
Nach dem Akt ſehe ich ihn raſch auf mich zukommen;
er legt ſeine Hand wie ſegnend auf meinen Turban und
ſagt ſehr freundlich: »Brav, brav, liebe Kleine, — ich
danke! ich danke!« — Wer war ſtolzer und glücklicher
als ich!
Devrient half mir dann auch beim Einſtudiren der
Karoline in »Die Nachtwandlerin« von Blum. — Ich
theilte ihm mit, wie ſchwer mir die Nachtwandlerſzene
würde und wie Angſt es mir ſei, nach der Neumann
dieſe Rolle zu ſpielen. Da erbot er ſich, mir Rath zu
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/144>, abgerufen am 21.11.2024.
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