ertheilen, kam pünktlich zur verabredeten Stunde, und mit wahrer Engelsgeduld ließ er mich die Szene wieder¬ holen, -- zeigte, wie die Augen blicken müßten, beschrieb das gewisse schleppende, doch lieblich klingende Sprechen beim Nachtwandeln, -- Gang, Bewegungen sicher, leicht, und doch wie mechanisch ... Genug, ich begriff, hatte großen Erfolg und dankte Devrient innigst für seinen Beistand.
Seine Eigenheit kommt zuletzt. Devrient's Tochter lebte in Braunschweig bei dem Schauspieldirektor Klinge¬ mann, geliebt und gepflegt wie von guten Eltern. Sie kommt als 16 jähriges Mädchen nach Berlin, um den Vater zu umarmen und -- vor ihm zu spielen. Devrient stellt uns die Tochter vor; ein holdes Mädchen mit des Vaters Zügen, aber jugendlich weiblich, dieselben Pracht¬ augen! -- Ich frage: "Ist Ihr Vater schon die Rolle mit Ihnen durchgegangen? Was sagte er? Das ist ein Lehrer, ein vortrefflicher!" -- Da erwiderte sie kleinlaut: "Ach nein! -- er meinte ich spräche ..." -- "Nun?!" -- "Etwas affektirt -- in so kurzer Zeit sei es nicht möglich, anders zu werden -- er wolle erst sehen, wie ich die "Toni" spiele, dann mir Unterricht geben. Er wieder¬ holt immer: Klingemann'sche Manier ist mir zuwider! Unnatur! -- Nun begreifen Sie wohl meine Angst -- wie wird es mir gehen!"
Wir sprachen ihr Muth zu. "Die Gouvernante" von Körner sollte als Nachspiel gegeben werden, und während der Probe gefiel sie nur sehr gut. Devrient
ertheilen, kam pünktlich zur verabredeten Stunde, und mit wahrer Engelsgeduld ließ er mich die Szene wieder¬ holen, — zeigte, wie die Augen blicken müßten, beſchrieb das gewiſſe ſchleppende, doch lieblich klingende Sprechen beim Nachtwandeln, — Gang, Bewegungen ſicher, leicht, und doch wie mechaniſch … Genug, ich begriff, hatte großen Erfolg und dankte Devrient innigſt für ſeinen Beiſtand.
Seine Eigenheit kommt zuletzt. Devrient's Tochter lebte in Braunſchweig bei dem Schauſpieldirektor Klinge¬ mann, geliebt und gepflegt wie von guten Eltern. Sie kommt als 16 jähriges Mädchen nach Berlin, um den Vater zu umarmen und — vor ihm zu ſpielen. Devrient ſtellt uns die Tochter vor; ein holdes Mädchen mit des Vaters Zügen, aber jugendlich weiblich, dieſelben Pracht¬ augen! — Ich frage: »Iſt Ihr Vater ſchon die Rolle mit Ihnen durchgegangen? Was ſagte er? Das iſt ein Lehrer, ein vortrefflicher!« — Da erwiderte ſie kleinlaut: »Ach nein! — er meinte ich ſpräche …« — »Nun?!« — »Etwas affektirt — in ſo kurzer Zeit ſei es nicht möglich, anders zu werden — er wolle erſt ſehen, wie ich die »Toni« ſpiele, dann mir Unterricht geben. Er wieder¬ holt immer: Klingemann'ſche Manier iſt mir zuwider! Unnatur! — Nun begreifen Sie wohl meine Angſt — wie wird es mir gehen!«
Wir ſprachen ihr Muth zu. »Die Gouvernante« von Körner ſollte als Nachſpiel gegeben werden, und während der Probe gefiel ſie nur ſehr gut. Devrient
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ertheilen, kam pünktlich zur verabredeten Stunde, und
mit wahrer Engelsgeduld ließ er mich die Szene wieder¬
holen, — zeigte, wie die Augen blicken müßten, beſchrieb
das gewiſſe ſchleppende, doch lieblich klingende Sprechen
beim Nachtwandeln, — Gang, Bewegungen ſicher, leicht,
und doch wie mechaniſch … Genug, ich begriff, hatte
großen Erfolg und dankte Devrient innigſt für ſeinen
Beiſtand.
Seine Eigenheit kommt zuletzt. Devrient's Tochter
lebte in Braunſchweig bei dem Schauſpieldirektor Klinge¬
mann, geliebt und gepflegt wie von guten Eltern. Sie
kommt als 16 jähriges Mädchen nach Berlin, um den
Vater zu umarmen und — vor ihm zu ſpielen. Devrient
ſtellt uns die Tochter vor; ein holdes Mädchen mit des
Vaters Zügen, aber jugendlich weiblich, dieſelben Pracht¬
augen! — Ich frage: »Iſt Ihr Vater ſchon die Rolle
mit Ihnen durchgegangen? Was ſagte er? Das iſt ein
Lehrer, ein vortrefflicher!« — Da erwiderte ſie kleinlaut:
»Ach nein! — er meinte ich ſpräche …« — »Nun?!« —
»Etwas affektirt — in ſo kurzer Zeit ſei es nicht möglich,
anders zu werden — er wolle erſt ſehen, wie ich die
»Toni« ſpiele, dann mir Unterricht geben. Er wieder¬
holt immer: Klingemann'ſche Manier iſt mir zuwider!
Unnatur! — Nun begreifen Sie wohl meine Angſt —
wie wird es mir gehen!«
Wir ſprachen ihr Muth zu. »Die Gouvernante«
von Körner ſollte als Nachſpiel gegeben werden, und
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/145>, abgerufen am 24.11.2024.
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