derselben reichte. Sie probirten, indem die Sontag Ton für Ton auf dem Klavier antippte und mitsang ... aber bald rief sie lachend: "Ich komme nicht nach!" Dann gab sie den Bitten der Tyroler nach, setzte sich an's Klavier, auch etwas zu singen. Sie wählte Mo¬ zart's göttliches: "Ihr, die ihr Triebe des Herzens kennt --". Wir dankten entzückt. Die Tyroler sagten mit größter Ruhe, dabei mit den Köpfen nickend, in ihrem Dialekt: "Du singscht recht artig!" Schallendes Gelächter antwortete auf dies Lob, und Henriette schien es sehr zu amüsiren, artig singen zu können.
Dann mußten die Tyroler uns ihren Ländler zeigen, den wirklichen einfachen Ländler. Der Aelteste tanzte ihn mit seiner Frau, die drei Andern sangen die Tanzmelodie dazu; es währte nicht lange, so drehten wir uns sämmtlich nach der gesungenen Ländlermelodie. -- Justizrath Ludolf wollte seinem Abgott noch einen Triumph bereiten und forderte einen Tyroler auf, zu sagen, welche von uns Damen den schönsten Fuß besäße.
Wir widersetzten uns dem Scherz nicht, um dem liebenswürdigen Wirth nicht die Freude zu verderben, sondern stellten uns in einen Kreis um unsern Richter, jede die Fußspitze zeigend, Henriette ihr Cendrillonfüßchen äußerst graziös neben meinen stellend.
Der Tyroler faßte aber seine Aufgabe sehr gravi¬ tätisch auf, betrachtete mit größter Ruhe aufmerksam Damen und Fußspitzen, und, o Entsetzen! ertheilte meinem, Fuße den Preis.
Erinnerungen etc. 10
derſelben reichte. Sie probirten, indem die Sontag Ton für Ton auf dem Klavier antippte und mitſang … aber bald rief ſie lachend: »Ich komme nicht nach!« Dann gab ſie den Bitten der Tyroler nach, ſetzte ſich an's Klavier, auch etwas zu ſingen. Sie wählte Mo¬ zart's göttliches: »Ihr, die ihr Triebe des Herzens kennt —«. Wir dankten entzückt. Die Tyroler ſagten mit größter Ruhe, dabei mit den Köpfen nickend, in ihrem Dialekt: »Du ſingſcht recht artig!« Schallendes Gelächter antwortete auf dies Lob, und Henriette ſchien es ſehr zu amüſiren, artig ſingen zu können.
Dann mußten die Tyroler uns ihren Ländler zeigen, den wirklichen einfachen Ländler. Der Aelteſte tanzte ihn mit ſeiner Frau, die drei Andern ſangen die Tanzmelodie dazu; es währte nicht lange, ſo drehten wir uns ſämmtlich nach der geſungenen Ländlermelodie. — Juſtizrath Ludolf wollte ſeinem Abgott noch einen Triumph bereiten und forderte einen Tyroler auf, zu ſagen, welche von uns Damen den ſchönſten Fuß beſäße.
Wir widerſetzten uns dem Scherz nicht, um dem liebenswürdigen Wirth nicht die Freude zu verderben, ſondern ſtellten uns in einen Kreis um unſern Richter, jede die Fußſpitze zeigend, Henriette ihr Cendrillonfüßchen äußerſt graziös neben meinen ſtellend.
Der Tyroler faßte aber ſeine Aufgabe ſehr gravi¬ tätiſch auf, betrachtete mit größter Ruhe aufmerkſam Damen und Fußſpitzen, und, o Entſetzen! ertheilte meinem, Fuße den Preis.
Erinnerungen ꝛc. 10
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0173"n="145"/>
derſelben reichte. Sie probirten, indem die Sontag Ton<lb/>
für Ton auf dem Klavier antippte und mitſang …<lb/>
aber bald rief ſie lachend: »Ich komme nicht nach!«<lb/>
Dann gab ſie den Bitten der Tyroler nach, ſetzte ſich<lb/>
an's Klavier, auch etwas zu ſingen. Sie wählte Mo¬<lb/>
zart's göttliches: »Ihr, die ihr Triebe des Herzens<lb/>
kennt —«. Wir dankten entzückt. Die Tyroler ſagten<lb/>
mit größter Ruhe, dabei mit den Köpfen nickend, in<lb/>
ihrem Dialekt: »Du ſingſcht recht artig!« Schallendes<lb/>
Gelächter antwortete auf dies Lob, und Henriette ſchien<lb/>
es ſehr zu amüſiren, artig ſingen zu können.</p><lb/><p>Dann mußten die Tyroler uns ihren Ländler<lb/>
zeigen, den wirklichen einfachen Ländler. Der Aelteſte<lb/>
tanzte ihn mit ſeiner Frau, die drei Andern ſangen die<lb/>
Tanzmelodie dazu; es währte nicht lange, ſo drehten<lb/>
wir uns ſämmtlich nach der geſungenen Ländlermelodie.<lb/>— Juſtizrath Ludolf wollte ſeinem Abgott noch einen<lb/>
Triumph bereiten und forderte einen Tyroler auf, zu<lb/>ſagen, welche von uns Damen den ſchönſten Fuß beſäße.</p><lb/><p>Wir widerſetzten uns dem Scherz nicht, um dem<lb/>
liebenswürdigen Wirth nicht die Freude zu verderben,<lb/>ſondern ſtellten uns in einen Kreis um unſern Richter,<lb/>
jede die Fußſpitze zeigend, Henriette ihr Cendrillonfüßchen<lb/>
äußerſt graziös neben meinen ſtellend.</p><lb/><p>Der Tyroler faßte aber ſeine Aufgabe ſehr gravi¬<lb/>
tätiſch auf, betrachtete mit größter Ruhe aufmerkſam<lb/>
Damen und Fußſpitzen, und, o Entſetzen! ertheilte<lb/>
meinem, Fuße den Preis.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Erinnerungen ꝛc. 10<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[145/0173]
derſelben reichte. Sie probirten, indem die Sontag Ton
für Ton auf dem Klavier antippte und mitſang …
aber bald rief ſie lachend: »Ich komme nicht nach!«
Dann gab ſie den Bitten der Tyroler nach, ſetzte ſich
an's Klavier, auch etwas zu ſingen. Sie wählte Mo¬
zart's göttliches: »Ihr, die ihr Triebe des Herzens
kennt —«. Wir dankten entzückt. Die Tyroler ſagten
mit größter Ruhe, dabei mit den Köpfen nickend, in
ihrem Dialekt: »Du ſingſcht recht artig!« Schallendes
Gelächter antwortete auf dies Lob, und Henriette ſchien
es ſehr zu amüſiren, artig ſingen zu können.
Dann mußten die Tyroler uns ihren Ländler
zeigen, den wirklichen einfachen Ländler. Der Aelteſte
tanzte ihn mit ſeiner Frau, die drei Andern ſangen die
Tanzmelodie dazu; es währte nicht lange, ſo drehten
wir uns ſämmtlich nach der geſungenen Ländlermelodie.
— Juſtizrath Ludolf wollte ſeinem Abgott noch einen
Triumph bereiten und forderte einen Tyroler auf, zu
ſagen, welche von uns Damen den ſchönſten Fuß beſäße.
Wir widerſetzten uns dem Scherz nicht, um dem
liebenswürdigen Wirth nicht die Freude zu verderben,
ſondern ſtellten uns in einen Kreis um unſern Richter,
jede die Fußſpitze zeigend, Henriette ihr Cendrillonfüßchen
äußerſt graziös neben meinen ſtellend.
Der Tyroler faßte aber ſeine Aufgabe ſehr gravi¬
tätiſch auf, betrachtete mit größter Ruhe aufmerkſam
Damen und Fußſpitzen, und, o Entſetzen! ertheilte
meinem, Fuße den Preis.
Erinnerungen ꝛc. 10
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/173>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.