Sattler und der Theaterdiener, immer rufend und warnend vor morschen Stellen.
Wir schlossen die Augen, hielten uns umschlungen und fühlten, daß es rasch im Fluge weiter ging. Konnte nicht das muntere Klingen der Schlittenglocken unser Grabgeläute bedeuten? Wir wurden reichlich mit Wasser bespritzt, das schon fußhoch auf dem Eise stand. Oft glaubten wir zu sinken ... o, wie schaurig krachte das Eis! Dann fuhren wir erschreckt auf und blickten nach dem rettenden Ufer aus. Endlich war die Schreckens¬ fahrt überstanden. Direktor Dölle empfing uns mit seinem gesammten Personal am Ufer; er war bewegt, freudig ergriffen. Die Damen umarmten uns unter Lachen und Weinen; wie alte Bekannte wurden wir be¬ willkommt. Klopfenden Herzens hatten Alle den Windun¬ gen der Schlittenkarawane zugesehen, und geleiteten uns nun im Triumph nach Riga hinein zur Stadt London, wo wir zu unserer Aufnahme Alles sorglichst hergerichtet fanden.
Eine halbe Stunde darauf dröhnten die verhängni߬ vollen Kanonenschläge.
Der Erfolg meines Gastspiels war ein in jeder Hinsicht zufriedenstellender gewesen. Sämmtliche Reise¬ kosten wurden durch die Einnahmen gedeckt. Am meisten hatte ich als Agnes im "Mann im Feuer" gefallen, -- eine naive Konversationsrolle. Fünfmal spielte ich die Agnes, und im Ganzen vierzehnmal in drei Wochen. Die Mitglieder unterstützten mich auf so freundliche,
Sattler und der Theaterdiener, immer rufend und warnend vor morſchen Stellen.
Wir ſchloſſen die Augen, hielten uns umſchlungen und fühlten, daß es raſch im Fluge weiter ging. Konnte nicht das muntere Klingen der Schlittenglocken unſer Grabgeläute bedeuten? Wir wurden reichlich mit Waſſer beſpritzt, das ſchon fußhoch auf dem Eiſe ſtand. Oft glaubten wir zu ſinken … o, wie ſchaurig krachte das Eis! Dann fuhren wir erſchreckt auf und blickten nach dem rettenden Ufer aus. Endlich war die Schreckens¬ fahrt überſtanden. Direktor Dölle empfing uns mit ſeinem geſammten Perſonal am Ufer; er war bewegt, freudig ergriffen. Die Damen umarmten uns unter Lachen und Weinen; wie alte Bekannte wurden wir be¬ willkommt. Klopfenden Herzens hatten Alle den Windun¬ gen der Schlittenkarawane zugeſehen, und geleiteten uns nun im Triumph nach Riga hinein zur Stadt London, wo wir zu unſerer Aufnahme Alles ſorglichſt hergerichtet fanden.
Eine halbe Stunde darauf dröhnten die verhängni߬ vollen Kanonenſchläge.
Der Erfolg meines Gaſtſpiels war ein in jeder Hinſicht zufriedenſtellender geweſen. Sämmtliche Reiſe¬ koſten wurden durch die Einnahmen gedeckt. Am meiſten hatte ich als Agnes im »Mann im Feuer« gefallen, — eine naive Konverſationsrolle. Fünfmal ſpielte ich die Agnes, und im Ganzen vierzehnmal in drei Wochen. Die Mitglieder unterſtützten mich auf ſo freundliche,
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Sattler und der Theaterdiener, immer rufend und
warnend vor morſchen Stellen.
Wir ſchloſſen die Augen, hielten uns umſchlungen
und fühlten, daß es raſch im Fluge weiter ging. Konnte
nicht das muntere Klingen der Schlittenglocken unſer
Grabgeläute bedeuten? Wir wurden reichlich mit Waſſer
beſpritzt, das ſchon fußhoch auf dem Eiſe ſtand. Oft
glaubten wir zu ſinken … o, wie ſchaurig krachte das
Eis! Dann fuhren wir erſchreckt auf und blickten nach
dem rettenden Ufer aus. Endlich war die Schreckens¬
fahrt überſtanden. Direktor Dölle empfing uns mit
ſeinem geſammten Perſonal am Ufer; er war bewegt,
freudig ergriffen. Die Damen umarmten uns unter
Lachen und Weinen; wie alte Bekannte wurden wir be¬
willkommt. Klopfenden Herzens hatten Alle den Windun¬
gen der Schlittenkarawane zugeſehen, und geleiteten uns
nun im Triumph nach Riga hinein zur Stadt London,
wo wir zu unſerer Aufnahme Alles ſorglichſt hergerichtet
fanden.
Eine halbe Stunde darauf dröhnten die verhängni߬
vollen Kanonenſchläge.
Der Erfolg meines Gaſtſpiels war ein in jeder
Hinſicht zufriedenſtellender geweſen. Sämmtliche Reiſe¬
koſten wurden durch die Einnahmen gedeckt. Am meiſten
hatte ich als Agnes im »Mann im Feuer« gefallen, —
eine naive Konverſationsrolle. Fünfmal ſpielte ich die
Agnes, und im Ganzen vierzehnmal in drei Wochen.
Die Mitglieder unterſtützten mich auf ſo freundliche,
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/213>, abgerufen am 22.11.2024.
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