Empfehlungsbrief des geheimen Kämmerers Timm aus Berlin abzugeben, dann zum Fürsten Dolgoruki, dann zu Cutaizow ..."
"Um Gottes willen, warum denn zu vier hohen Herren? Sind Sie nicht Direktor der deutschen Bühne?"
"Ja wohl! Intendant derselben aber ist Fürst Cutaizow, Dolgoruki Intendant vom französischen Theater, der zur Vorstellung bei Hofe auch seine Mitglieder in Kenntniß setzen muß, denn diese spielen nach den Deutschen. Der Oberkammerherr muß Ihro Majestät der Kaiserin Alexandra Ihre Ankunft melden, und Fürst Wolkonski dann anfragen, ob noch eine Vorstellung stattfinden wird, und wann?"
"Hören Sie auf!" rief ich, in's Wort fallend, "wie soll ich das Alles behalten?"
"Es ist kein Augenblick zu verlieren," drängte Helmer¬ sen; "rasch, rasch! ich schicke nach einem Wagen."
"Aber es ist ja noch nicht ausgepackt," erwiderte ich in größter Aufregung; "ich kann mich doch nicht im Reisekleid vorstellen? Meine Wangen glühen, die Augen brennen mir von Staub, Hitze und Ermüdung."
"Und vor allen Dingen muß doch meine Tochter erst etwas essen!" rief die gute Mutter besorgt.
"Warum?" frug Helmersen sehr naiv, indem er seine wasserblauen Augen groß aufriß.
"Warum? weil ich hungrig bin!" entgegnete ich ent¬ rüstet. "Denken Sie doch, die ganze Nacht hindurch gefahren und nicht einmal eine Tasse Kaffee oder Thee zur Erquickung!"
Erinnerungen etc. 13
Empfehlungsbrief des geheimen Kämmerers Timm aus Berlin abzugeben, dann zum Fürſten Dolgoruki, dann zu Cutaizow …«
»Um Gottes willen, warum denn zu vier hohen Herren? Sind Sie nicht Direktor der deutſchen Bühne?«
»Ja wohl! Intendant derſelben aber iſt Fürſt Cutaizow, Dolgoruki Intendant vom franzöſiſchen Theater, der zur Vorſtellung bei Hofe auch ſeine Mitglieder in Kenntniß ſetzen muß, denn dieſe ſpielen nach den Deutſchen. Der Oberkammerherr muß Ihro Majeſtät der Kaiſerin Alexandra Ihre Ankunft melden, und Fürſt Wolkonski dann anfragen, ob noch eine Vorſtellung ſtattfinden wird, und wann?«
»Hören Sie auf!« rief ich, in's Wort fallend, »wie ſoll ich das Alles behalten?«
»Es iſt kein Augenblick zu verlieren,« drängte Helmer¬ ſen; »raſch, raſch! ich ſchicke nach einem Wagen.«
»Aber es iſt ja noch nicht ausgepackt,« erwiderte ich in größter Aufregung; »ich kann mich doch nicht im Reiſekleid vorſtellen? Meine Wangen glühen, die Augen brennen mir von Staub, Hitze und Ermüdung.«
»Und vor allen Dingen muß doch meine Tochter erſt etwas eſſen!« rief die gute Mutter beſorgt.
»Warum? weil ich hungrig bin!« entgegnete ich ent¬ rüſtet. »Denken Sie doch, die ganze Nacht hindurch gefahren und nicht einmal eine Taſſe Kaffee oder Thee zur Erquickung!«
Erinnerungen ꝛc. 13
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Empfehlungsbrief des geheimen Kämmerers Timm aus
Berlin abzugeben, dann zum Fürſten Dolgoruki, dann
zu Cutaizow …«
»Um Gottes willen, warum denn zu vier hohen
Herren? Sind Sie nicht Direktor der deutſchen Bühne?«
»Ja wohl! Intendant derſelben aber iſt Fürſt
Cutaizow, Dolgoruki Intendant vom franzöſiſchen Theater,
der zur Vorſtellung bei Hofe auch ſeine Mitglieder in
Kenntniß ſetzen muß, denn dieſe ſpielen nach den Deutſchen.
Der Oberkammerherr muß Ihro Majeſtät der Kaiſerin
Alexandra Ihre Ankunft melden, und Fürſt Wolkonski
dann anfragen, ob noch eine Vorſtellung ſtattfinden wird,
und wann?«
»Hören Sie auf!« rief ich, in's Wort
fallend, »wie ſoll ich das Alles behalten?«
»Es iſt kein Augenblick zu verlieren,« drängte Helmer¬
ſen; »raſch, raſch! ich ſchicke nach einem Wagen.«
»Aber es iſt ja noch nicht ausgepackt,« erwiderte
ich in größter Aufregung; »ich kann mich doch nicht im
Reiſekleid vorſtellen? Meine Wangen glühen, die Augen
brennen mir von Staub, Hitze und Ermüdung.«
»Und vor allen Dingen muß doch meine Tochter
erſt etwas eſſen!« rief die gute Mutter beſorgt.
»Warum?« frug Helmerſen ſehr naiv, indem er
ſeine waſſerblauen Augen groß aufriß.
»Warum? weil ich hungrig bin!« entgegnete ich ent¬
rüſtet. »Denken Sie doch, die ganze Nacht hindurch gefahren
und nicht einmal eine Taſſe Kaffee oder Thee zur Erquickung!«
Erinnerungen ꝛc. 13
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/221>, abgerufen am 22.11.2024.
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