Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

kammerherrn erreichten. Wir wurden gemeldet und so¬
gleich empfangen. Ich verbeugte mich vor einem würdig
aussehenden Manne und überreichte den Empfehlungsbrief
seines Freundes Timm. Nachdem er das Schreiben rasch,
aber aufmerksam durchflogen, versicherte er auf sehr
liebenswürdige Art, daß er sogleich seine Herrin von
meiner Ankunft in Kenntniß setzen würde, und er hoffe
sicher, ich sei noch zu rechter Zeit angelangt. "Sagen
Sie dies Fürst Wolkonski," fügte er sich empfehlend
hinzu.

Helmersen durchwanderte wie verjüngt mit mir
abermals endlose Gangwindungen, es ging wieder trepp¬
auf, treppab. Dann war auch Wolkonski's Wohnung
erreicht. Im Vorzimmer saßen und standen eine Menge
hoher Militärpersonen; es blitzte förmlich von Ordens¬
sternen. Ich wurde mit Staunen angesehen, und ich
selbst fühlte nur zu sehr meine Wangen brennen, meine
Augen glühen. Helmersen mußte zuerst mit dem Fürsten
sprechen und kam bald zurück, um mich demselben vor¬
zustellen. Wolkonski's Aeußeres war nicht einnehmend:
klein, alt, häßlich, -- aber während des Sprechens ge¬
wann er sehr, denn neben den Formen des feinsten
Weltmannes wußte er sich klug und angenehm zu unter¬
halten. Er versprach ebenfalls, sogleich mit der Kaiserin
zu sprechen, ließ sich von Helmersen das Stück "Der
Mann im Feuer" aufschreiben, und händigte mir einige
Zeilen für Fürst Dolgoruki ein. Wir fuhren gewiß eine
halbe Stunde, ehe wir zu dessen Palais gelangten.

13 *

kammerherrn erreichten. Wir wurden gemeldet und ſo¬
gleich empfangen. Ich verbeugte mich vor einem würdig
ausſehenden Manne und überreichte den Empfehlungsbrief
ſeines Freundes Timm. Nachdem er das Schreiben raſch,
aber aufmerkſam durchflogen, verſicherte er auf ſehr
liebenswürdige Art, daß er ſogleich ſeine Herrin von
meiner Ankunft in Kenntniß ſetzen würde, und er hoffe
ſicher, ich ſei noch zu rechter Zeit angelangt. »Sagen
Sie dies Fürſt Wolkonski,« fügte er ſich empfehlend
hinzu.

Helmerſen durchwanderte wie verjüngt mit mir
abermals endloſe Gangwindungen, es ging wieder trepp¬
auf, treppab. Dann war auch Wolkonski's Wohnung
erreicht. Im Vorzimmer ſaßen und ſtanden eine Menge
hoher Militärperſonen; es blitzte förmlich von Ordens¬
ſternen. Ich wurde mit Staunen angeſehen, und ich
ſelbſt fühlte nur zu ſehr meine Wangen brennen, meine
Augen glühen. Helmerſen mußte zuerſt mit dem Fürſten
ſprechen und kam bald zurück, um mich demſelben vor¬
zuſtellen. Wolkonski's Aeußeres war nicht einnehmend:
klein, alt, häßlich, — aber während des Sprechens ge¬
wann er ſehr, denn neben den Formen des feinſten
Weltmannes wußte er ſich klug und angenehm zu unter¬
halten. Er verſprach ebenfalls, ſogleich mit der Kaiſerin
zu ſprechen, ließ ſich von Helmerſen das Stück »Der
Mann im Feuer« aufſchreiben, und händigte mir einige
Zeilen für Fürſt Dolgoruki ein. Wir fuhren gewiß eine
halbe Stunde, ehe wir zu deſſen Palais gelangten.

13 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0223" n="195"/>
kammerherrn erreichten. Wir wurden gemeldet und &#x017F;<lb/>
gleich empfangen. Ich verbeugte mich vor einem würdig<lb/>
aus&#x017F;ehenden Manne und überreichte den Empfehlungsbrief<lb/>
&#x017F;eines Freundes Timm. Nachdem er das Schreiben ra&#x017F;ch,<lb/>
aber aufmerk&#x017F;am durchflogen, ver&#x017F;icherte er auf &#x017F;ehr<lb/>
liebenswürdige Art, daß er &#x017F;ogleich &#x017F;eine Herrin von<lb/>
meiner Ankunft in Kenntniß &#x017F;etzen würde, und er hoffe<lb/>
&#x017F;icher, ich &#x017F;ei noch zu rechter Zeit angelangt. »Sagen<lb/>
Sie dies Für&#x017F;t Wolkonski,« fügte er &#x017F;ich empfehlend<lb/>
hinzu.</p><lb/>
        <p>Helmer&#x017F;en durchwanderte wie verjüngt mit mir<lb/>
abermals endlo&#x017F;e Gangwindungen, es ging wieder trepp¬<lb/>
auf, treppab. Dann war auch Wolkonski's Wohnung<lb/>
erreicht. Im Vorzimmer &#x017F;aßen und &#x017F;tanden eine Menge<lb/>
hoher Militärper&#x017F;onen; es blitzte förmlich von Ordens¬<lb/>
&#x017F;ternen. Ich wurde mit Staunen ange&#x017F;ehen, und ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t fühlte nur zu &#x017F;ehr meine Wangen brennen, meine<lb/>
Augen glühen. Helmer&#x017F;en mußte zuer&#x017F;t mit dem Für&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;prechen und kam bald zurück, um mich dem&#x017F;elben vor¬<lb/>
zu&#x017F;tellen. Wolkonski's Aeußeres war nicht einnehmend:<lb/>
klein, alt, häßlich, &#x2014; aber während des Sprechens ge¬<lb/>
wann er &#x017F;ehr, denn neben den Formen des fein&#x017F;ten<lb/>
Weltmannes wußte er &#x017F;ich klug und angenehm zu unter¬<lb/>
halten. Er ver&#x017F;prach ebenfalls, &#x017F;ogleich mit der Kai&#x017F;erin<lb/>
zu &#x017F;prechen, ließ &#x017F;ich von Helmer&#x017F;en das Stück »Der<lb/>
Mann im Feuer« auf&#x017F;chreiben, und händigte mir einige<lb/>
Zeilen für Für&#x017F;t Dolgoruki ein. Wir fuhren gewiß eine<lb/>
halbe Stunde, ehe wir zu de&#x017F;&#x017F;en Palais gelangten.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">13 *<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0223] kammerherrn erreichten. Wir wurden gemeldet und ſo¬ gleich empfangen. Ich verbeugte mich vor einem würdig ausſehenden Manne und überreichte den Empfehlungsbrief ſeines Freundes Timm. Nachdem er das Schreiben raſch, aber aufmerkſam durchflogen, verſicherte er auf ſehr liebenswürdige Art, daß er ſogleich ſeine Herrin von meiner Ankunft in Kenntniß ſetzen würde, und er hoffe ſicher, ich ſei noch zu rechter Zeit angelangt. »Sagen Sie dies Fürſt Wolkonski,« fügte er ſich empfehlend hinzu. Helmerſen durchwanderte wie verjüngt mit mir abermals endloſe Gangwindungen, es ging wieder trepp¬ auf, treppab. Dann war auch Wolkonski's Wohnung erreicht. Im Vorzimmer ſaßen und ſtanden eine Menge hoher Militärperſonen; es blitzte förmlich von Ordens¬ ſternen. Ich wurde mit Staunen angeſehen, und ich ſelbſt fühlte nur zu ſehr meine Wangen brennen, meine Augen glühen. Helmerſen mußte zuerſt mit dem Fürſten ſprechen und kam bald zurück, um mich demſelben vor¬ zuſtellen. Wolkonski's Aeußeres war nicht einnehmend: klein, alt, häßlich, — aber während des Sprechens ge¬ wann er ſehr, denn neben den Formen des feinſten Weltmannes wußte er ſich klug und angenehm zu unter¬ halten. Er verſprach ebenfalls, ſogleich mit der Kaiſerin zu ſprechen, ließ ſich von Helmerſen das Stück »Der Mann im Feuer« aufſchreiben, und händigte mir einige Zeilen für Fürſt Dolgoruki ein. Wir fuhren gewiß eine halbe Stunde, ehe wir zu deſſen Palais gelangten. 13 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/223
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/223>, abgerufen am 22.11.2024.