und blühendsten Schönheiten. Obgleich groß und statt¬ lich, schwebte sie dahin wie eine Feenkönigin. Kaiserin Alexandra hatte von ihrer Mutter, der Königin Louise, nicht nur die Majestät, auch die bezaubernde Lieblichkeit geerbt, wie die Berliner mit Stolz von ihrer Königs¬ tochter sagten. -- Ich wagte die Kaiserin bei jener Au¬ dienz zu fragen: ob nicht auch das arme deutsche Theater bald auf die hohe Ehre eines Besuches hoffen dürfe? Da erwiderte sie gar holdselig und echt deutsch gemüthlich: "Ach! für mein Leben gern würde ich Sie als Käthchen von Heilbronn sehen, aber" -- fügte sie lächelnd hinzu -- "die andern Damen sind in dem Stück gewiß gar zu komisch; ich kann nicht vergessen, wie dieselben das Taschen¬ tuch halten ..." Dabei streckte sie den Arm steif von sich, faßte ihr Batisttuch zimperlich an, schlug die Augen nieder und machte ein so landfräuleinartiges Gesicht und schien so vergnügt über ihre Nachahmungskunst, daß ich alle Mühe hatte, ernst zu bleiben, und die Kaiserin bewun¬ dernd anblickte.
Man erzählte sich in Petersburg gern und mit Stolz: Nikolaus sei seiner Gemahlin innigst und treu ergeben; er wüßte ihren Charakter, Geist und ihre Anmuth zu würdigen, Alexandra sei seine erste Liebe und noch immer sein angebetetes Ideal. Dabei wurde dann gewöhnlich herzlich gelacht und gespöttelt über jene Frauen, die sich bemühten, den Kaiser in ihre Netze zu ziehen. So wurde mir einst die schönste Frau Petersburgs, die junge Frau eines alten Generals, gezeigt und dabei erzählt, die
und blühendſten Schönheiten. Obgleich groß und ſtatt¬ lich, ſchwebte ſie dahin wie eine Feenkönigin. Kaiſerin Alexandra hatte von ihrer Mutter, der Königin Louiſe, nicht nur die Majeſtät, auch die bezaubernde Lieblichkeit geerbt, wie die Berliner mit Stolz von ihrer Königs¬ tochter ſagten. — Ich wagte die Kaiſerin bei jener Au¬ dienz zu fragen: ob nicht auch das arme deutſche Theater bald auf die hohe Ehre eines Beſuches hoffen dürfe? Da erwiderte ſie gar holdſelig und echt deutſch gemüthlich: »Ach! für mein Leben gern würde ich Sie als Käthchen von Heilbronn ſehen, aber« — fügte ſie lächelnd hinzu — »die andern Damen ſind in dem Stück gewiß gar zu komiſch; ich kann nicht vergeſſen, wie dieſelben das Taſchen¬ tuch halten …« Dabei ſtreckte ſie den Arm ſteif von ſich, faßte ihr Batiſttuch zimperlich an, ſchlug die Augen nieder und machte ein ſo landfräuleinartiges Geſicht und ſchien ſo vergnügt über ihre Nachahmungskunſt, daß ich alle Mühe hatte, ernſt zu bleiben, und die Kaiſerin bewun¬ dernd anblickte.
Man erzählte ſich in Petersburg gern und mit Stolz: Nikolaus ſei ſeiner Gemahlin innigſt und treu ergeben; er wüßte ihren Charakter, Geiſt und ihre Anmuth zu würdigen, Alexandra ſei ſeine erſte Liebe und noch immer ſein angebetetes Ideal. Dabei wurde dann gewöhnlich herzlich gelacht und geſpöttelt über jene Frauen, die ſich bemühten, den Kaiſer in ihre Netze zu ziehen. So wurde mir einſt die ſchönſte Frau Petersburgs, die junge Frau eines alten Generals, gezeigt und dabei erzählt, die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0240"n="212"/>
und blühendſten Schönheiten. Obgleich groß und ſtatt¬<lb/>
lich, ſchwebte ſie dahin wie eine Feenkönigin. Kaiſerin<lb/>
Alexandra hatte von ihrer Mutter, der Königin Louiſe,<lb/>
nicht nur die Majeſtät, auch die bezaubernde Lieblichkeit<lb/>
geerbt, wie die Berliner mit Stolz von ihrer Königs¬<lb/>
tochter ſagten. — Ich wagte die Kaiſerin bei jener Au¬<lb/>
dienz zu fragen: ob nicht auch das arme deutſche Theater<lb/>
bald auf die hohe Ehre eines Beſuches hoffen dürfe? Da<lb/>
erwiderte ſie gar holdſelig und echt deutſch gemüthlich:<lb/>
»Ach! für mein Leben gern würde ich Sie als Käthchen<lb/>
von Heilbronn ſehen, aber« — fügte ſie lächelnd hinzu<lb/>— »die andern Damen ſind in dem Stück gewiß gar zu<lb/>
komiſch; ich kann nicht vergeſſen, wie dieſelben das Taſchen¬<lb/>
tuch halten …« Dabei ſtreckte ſie den Arm ſteif von ſich,<lb/>
faßte ihr Batiſttuch zimperlich an, ſchlug die Augen nieder<lb/>
und machte ein ſo landfräuleinartiges Geſicht und ſchien<lb/>ſo vergnügt über ihre Nachahmungskunſt, daß ich alle<lb/>
Mühe hatte, ernſt zu bleiben, und die Kaiſerin bewun¬<lb/>
dernd anblickte.</p><lb/><p>Man erzählte ſich in Petersburg gern und mit Stolz:<lb/>
Nikolaus ſei ſeiner Gemahlin innigſt und treu ergeben;<lb/>
er wüßte ihren Charakter, Geiſt und ihre Anmuth zu<lb/>
würdigen, Alexandra ſei ſeine erſte Liebe und noch immer<lb/>ſein angebetetes Ideal. Dabei wurde dann gewöhnlich<lb/>
herzlich gelacht und geſpöttelt über jene Frauen, die ſich<lb/>
bemühten, den Kaiſer in ihre Netze zu ziehen. So wurde<lb/>
mir einſt die ſchönſte Frau Petersburgs, die junge Frau<lb/>
eines alten Generals, gezeigt und dabei erzählt, die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[212/0240]
und blühendſten Schönheiten. Obgleich groß und ſtatt¬
lich, ſchwebte ſie dahin wie eine Feenkönigin. Kaiſerin
Alexandra hatte von ihrer Mutter, der Königin Louiſe,
nicht nur die Majeſtät, auch die bezaubernde Lieblichkeit
geerbt, wie die Berliner mit Stolz von ihrer Königs¬
tochter ſagten. — Ich wagte die Kaiſerin bei jener Au¬
dienz zu fragen: ob nicht auch das arme deutſche Theater
bald auf die hohe Ehre eines Beſuches hoffen dürfe? Da
erwiderte ſie gar holdſelig und echt deutſch gemüthlich:
»Ach! für mein Leben gern würde ich Sie als Käthchen
von Heilbronn ſehen, aber« — fügte ſie lächelnd hinzu
— »die andern Damen ſind in dem Stück gewiß gar zu
komiſch; ich kann nicht vergeſſen, wie dieſelben das Taſchen¬
tuch halten …« Dabei ſtreckte ſie den Arm ſteif von ſich,
faßte ihr Batiſttuch zimperlich an, ſchlug die Augen nieder
und machte ein ſo landfräuleinartiges Geſicht und ſchien
ſo vergnügt über ihre Nachahmungskunſt, daß ich alle
Mühe hatte, ernſt zu bleiben, und die Kaiſerin bewun¬
dernd anblickte.
Man erzählte ſich in Petersburg gern und mit Stolz:
Nikolaus ſei ſeiner Gemahlin innigſt und treu ergeben;
er wüßte ihren Charakter, Geiſt und ihre Anmuth zu
würdigen, Alexandra ſei ſeine erſte Liebe und noch immer
ſein angebetetes Ideal. Dabei wurde dann gewöhnlich
herzlich gelacht und geſpöttelt über jene Frauen, die ſich
bemühten, den Kaiſer in ihre Netze zu ziehen. So wurde
mir einſt die ſchönſte Frau Petersburgs, die junge Frau
eines alten Generals, gezeigt und dabei erzählt, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/240>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.