Generalin habe einst dem Kaiser beim Tanzen zärtlich zu¬ geflüstert: "O, wie glücklich bin ich, Majestät, mit dem schönsten Manne des Kaiserreichs tanzen zu dürfen" ... und Nikolaus habe ihr kalt erwidert: "Madame, ich bin nur für meine Frau schön ..." Wenn auch der Czar seine Huldigungen der Schönheit und Jugend nicht versagte, sein Herz blieb seiner Gemahlin, und Eifersucht soll Kaiserin Alexandra nie gezeigt haben.
Als Charlotte von Hagn, meine Nachfolgerin an der Berliner Bühne, die jetzige Frau von Oven, 1833 am deutschen Theater in Petersburg gastirte, besuchten der ganze glänzende Hof und die ersten Familien der Residenz die deutschen Vorstellungen fleißig, ja, Stock¬ russen bemühten sich oft vergebens um Plätze.
Um während dieses Gastspiels die Aufführung einiger klassischer Stücke zu ermöglichen, übernahm ich gern so¬ genannte zweite Rollen. In Kabale und Liebe spielte Fräulein von Hagn die Louise, ich Lady Milfort, in Don Carlos war sie Eboli, ich die Königin, sie gab Elise Valberg, ich die Fürstin. Sogar in dem kleinen Lust¬ spiel "Die Papageien" spielten wir zusammen. Der Kaiser hatte nämlich befohlen, der von der französischen Gesellschaft gegebenen Tragödie: "Le Duc de Guise" solle ein kleines deutsches Lustspiel vorangehen, in dem Charlotte von Hagn und ich zwei gleich bedeutende Rollen hätten -- es war fast, als sollten wir vor den kaiser¬ lichen Augen ein olympisches Wettspiel beginnen. Es war nicht leicht, in zwei Tagen ein passendes Stück zu
Generalin habe einſt dem Kaiſer beim Tanzen zärtlich zu¬ geflüſtert: »O, wie glücklich bin ich, Majeſtät, mit dem ſchönſten Manne des Kaiſerreichs tanzen zu dürfen« … und Nikolaus habe ihr kalt erwidert: »Madame, ich bin nur für meine Frau ſchön …« Wenn auch der Czar ſeine Huldigungen der Schönheit und Jugend nicht verſagte, ſein Herz blieb ſeiner Gemahlin, und Eiferſucht ſoll Kaiſerin Alexandra nie gezeigt haben.
Als Charlotte von Hagn, meine Nachfolgerin an der Berliner Bühne, die jetzige Frau von Oven, 1833 am deutſchen Theater in Petersburg gaſtirte, beſuchten der ganze glänzende Hof und die erſten Familien der Reſidenz die deutſchen Vorſtellungen fleißig, ja, Stock¬ ruſſen bemühten ſich oft vergebens um Plätze.
Um während dieſes Gaſtſpiels die Aufführung einiger klaſſiſcher Stücke zu ermöglichen, übernahm ich gern ſo¬ genannte zweite Rollen. In Kabale und Liebe ſpielte Fräulein von Hagn die Louiſe, ich Lady Milfort, in Don Carlos war ſie Eboli, ich die Königin, ſie gab Eliſe Valberg, ich die Fürſtin. Sogar in dem kleinen Luſt¬ ſpiel »Die Papageien« ſpielten wir zuſammen. Der Kaiſer hatte nämlich befohlen, der von der franzöſiſchen Geſellſchaft gegebenen Tragödie: »Le Duc de Guise« ſolle ein kleines deutſches Luſtſpiel vorangehen, in dem Charlotte von Hagn und ich zwei gleich bedeutende Rollen hätten — es war faſt, als ſollten wir vor den kaiſer¬ lichen Augen ein olympiſches Wettſpiel beginnen. Es war nicht leicht, in zwei Tagen ein paſſendes Stück zu
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Generalin habe einſt dem Kaiſer beim Tanzen zärtlich zu¬
geflüſtert: »O, wie glücklich bin ich, Majeſtät, mit dem
ſchönſten Manne des Kaiſerreichs tanzen zu dürfen« … und
Nikolaus habe ihr kalt erwidert: »Madame, ich bin nur
für meine Frau ſchön …« Wenn auch der Czar ſeine
Huldigungen der Schönheit und Jugend nicht verſagte, ſein
Herz blieb ſeiner Gemahlin, und Eiferſucht ſoll Kaiſerin
Alexandra nie gezeigt haben.
Als Charlotte von Hagn, meine Nachfolgerin an
der Berliner Bühne, die jetzige Frau von Oven, 1833
am deutſchen Theater in Petersburg gaſtirte, beſuchten
der ganze glänzende Hof und die erſten Familien der
Reſidenz die deutſchen Vorſtellungen fleißig, ja, Stock¬
ruſſen bemühten ſich oft vergebens um Plätze.
Um während dieſes Gaſtſpiels die Aufführung einiger
klaſſiſcher Stücke zu ermöglichen, übernahm ich gern ſo¬
genannte zweite Rollen. In Kabale und Liebe ſpielte
Fräulein von Hagn die Louiſe, ich Lady Milfort, in
Don Carlos war ſie Eboli, ich die Königin, ſie gab Eliſe
Valberg, ich die Fürſtin. Sogar in dem kleinen Luſt¬
ſpiel »Die Papageien« ſpielten wir zuſammen. Der
Kaiſer hatte nämlich befohlen, der von der franzöſiſchen
Geſellſchaft gegebenen Tragödie: »Le Duc de Guise«
ſolle ein kleines deutſches Luſtſpiel vorangehen, in dem
Charlotte von Hagn und ich zwei gleich bedeutende Rollen
hätten — es war faſt, als ſollten wir vor den kaiſer¬
lichen Augen ein olympiſches Wettſpiel beginnen. Es
war nicht leicht, in zwei Tagen ein paſſendes Stück zu
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/241>, abgerufen am 22.11.2024.
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