Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

wählen und einzustudiren. Stücke gab's wohl in Hülle
und Fülle -- aber es fehlte entweder die eine oder die
andere kaiserliche Bedingung: die einaktige Kürze oder
zwei erste Damenrollen! Da entschieden wir uns für
Kotzebue's "Papageien" -- ein unendlich harmloses Stück,
das aber -- lebendig gespielt -- eine sehr erheiternde
Wirkung übt. Der Inhalt des jetzt längst vergessenen
Stückes ist kurz dieser: Eine Mutter glaubt in ihrem
Leben und in ihrer Ehe große Ursache gefunden zu haben,
die bösen, bösen Männer zu hassen. Damit nun ihr
Töchterlein nicht dieselben traurigen Erfahrungen macht,
soll sie die Männer -- gar nicht kennen lernen. Zu
diesem Zwecke hält die Mama das Töchterchen nebst Ge¬
spielin von frühester Kindheit an hinter Schloß und
Riegel. Die beiden jungen Mädchen verbringen ihre
Tage damit, in einem von hoher Mauer umschlossenen
Parke spazieren zu gehen, Vögel zu schießen und gar
possirlich zu plaudern: über die unbekannte Welt hinter
jener Mauer -- voll lauter Frauen. Aber eines schönen
Tages steigen bei Gelegenheit einer Jagd zwei Offiziere
in ihren bunten Röcken über die Gartenmauer -- sehen
die jungen Mädchen und verlieben sich natürlich sterblich
in sie. Entsetzt fliehen die Fräulein vor diesen unbe¬
kannten Raubthieren -- -- bis die Offiziere sich ihnen
als zwei -- Papageien vorstellen. Zum Glück haben die
Dämchen in der Naturgeschichte gelernt, daß Papageien
ganz unschuldige Vögel sind und oft recht ergötzlich zu
plappern verstehen. Das giebt ihnen Muth, sich den

wählen und einzuſtudiren. Stücke gab's wohl in Hülle
und Fülle — aber es fehlte entweder die eine oder die
andere kaiſerliche Bedingung: die einaktige Kürze oder
zwei erſte Damenrollen! Da entſchieden wir uns für
Kotzebue's »Papageien« — ein unendlich harmloſes Stück,
das aber — lebendig geſpielt — eine ſehr erheiternde
Wirkung übt. Der Inhalt des jetzt längſt vergeſſenen
Stückes iſt kurz dieſer: Eine Mutter glaubt in ihrem
Leben und in ihrer Ehe große Urſache gefunden zu haben,
die böſen, böſen Männer zu haſſen. Damit nun ihr
Töchterlein nicht dieſelben traurigen Erfahrungen macht,
ſoll ſie die Männer — gar nicht kennen lernen. Zu
dieſem Zwecke hält die Mama das Töchterchen nebſt Ge¬
ſpielin von früheſter Kindheit an hinter Schloß und
Riegel. Die beiden jungen Mädchen verbringen ihre
Tage damit, in einem von hoher Mauer umſchloſſenen
Parke ſpazieren zu gehen, Vögel zu ſchießen und gar
poſſirlich zu plaudern: über die unbekannte Welt hinter
jener Mauer — voll lauter Frauen. Aber eines ſchönen
Tages ſteigen bei Gelegenheit einer Jagd zwei Offiziere
in ihren bunten Röcken über die Gartenmauer — ſehen
die jungen Mädchen und verlieben ſich natürlich ſterblich
in ſie. Entſetzt fliehen die Fräulein vor dieſen unbe¬
kannten Raubthieren — — bis die Offiziere ſich ihnen
als zwei — Papageien vorſtellen. Zum Glück haben die
Dämchen in der Naturgeſchichte gelernt, daß Papageien
ganz unſchuldige Vögel ſind und oft recht ergötzlich zu
plappern verſtehen. Das giebt ihnen Muth, ſich den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="214"/>
wählen und einzu&#x017F;tudiren. Stücke gab's wohl in Hülle<lb/>
und Fülle &#x2014; aber es fehlte entweder die eine oder die<lb/>
andere kai&#x017F;erliche Bedingung: die einaktige Kürze oder<lb/>
zwei er&#x017F;te Damenrollen! Da ent&#x017F;chieden wir uns für<lb/>
Kotzebue's »Papageien« &#x2014; ein unendlich harmlo&#x017F;es Stück,<lb/>
das aber &#x2014; lebendig ge&#x017F;pielt &#x2014; eine &#x017F;ehr erheiternde<lb/>
Wirkung übt. Der Inhalt des jetzt läng&#x017F;t verge&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Stückes i&#x017F;t kurz die&#x017F;er: Eine Mutter glaubt in ihrem<lb/>
Leben und in ihrer Ehe große Ur&#x017F;ache gefunden zu haben,<lb/>
die bö&#x017F;en, bö&#x017F;en Männer zu ha&#x017F;&#x017F;en. Damit nun ihr<lb/>
Töchterlein nicht die&#x017F;elben traurigen Erfahrungen macht,<lb/>
&#x017F;oll &#x017F;ie die Männer &#x2014; gar nicht kennen lernen. Zu<lb/>
die&#x017F;em Zwecke hält die Mama das Töchterchen neb&#x017F;t Ge¬<lb/>
&#x017F;pielin von frühe&#x017F;ter Kindheit an hinter Schloß und<lb/>
Riegel. Die beiden jungen Mädchen verbringen ihre<lb/>
Tage damit, in einem von hoher Mauer um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Parke &#x017F;pazieren zu gehen, Vögel zu &#x017F;chießen und gar<lb/>
po&#x017F;&#x017F;irlich zu plaudern: über die unbekannte Welt hinter<lb/>
jener Mauer &#x2014; voll lauter Frauen. Aber eines &#x017F;chönen<lb/>
Tages &#x017F;teigen bei Gelegenheit einer Jagd zwei Offiziere<lb/>
in ihren bunten Röcken über die Gartenmauer &#x2014; &#x017F;ehen<lb/>
die jungen Mädchen und verlieben &#x017F;ich natürlich &#x017F;terblich<lb/>
in &#x017F;ie. Ent&#x017F;etzt fliehen die Fräulein vor die&#x017F;en unbe¬<lb/>
kannten Raubthieren &#x2014; &#x2014; bis die Offiziere &#x017F;ich ihnen<lb/>
als zwei &#x2014; Papageien vor&#x017F;tellen. Zum Glück haben die<lb/>
Dämchen in der Naturge&#x017F;chichte gelernt, daß Papageien<lb/>
ganz un&#x017F;chuldige Vögel &#x017F;ind und oft recht ergötzlich zu<lb/>
plappern ver&#x017F;tehen. Das giebt ihnen Muth, &#x017F;ich den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0242] wählen und einzuſtudiren. Stücke gab's wohl in Hülle und Fülle — aber es fehlte entweder die eine oder die andere kaiſerliche Bedingung: die einaktige Kürze oder zwei erſte Damenrollen! Da entſchieden wir uns für Kotzebue's »Papageien« — ein unendlich harmloſes Stück, das aber — lebendig geſpielt — eine ſehr erheiternde Wirkung übt. Der Inhalt des jetzt längſt vergeſſenen Stückes iſt kurz dieſer: Eine Mutter glaubt in ihrem Leben und in ihrer Ehe große Urſache gefunden zu haben, die böſen, böſen Männer zu haſſen. Damit nun ihr Töchterlein nicht dieſelben traurigen Erfahrungen macht, ſoll ſie die Männer — gar nicht kennen lernen. Zu dieſem Zwecke hält die Mama das Töchterchen nebſt Ge¬ ſpielin von früheſter Kindheit an hinter Schloß und Riegel. Die beiden jungen Mädchen verbringen ihre Tage damit, in einem von hoher Mauer umſchloſſenen Parke ſpazieren zu gehen, Vögel zu ſchießen und gar poſſirlich zu plaudern: über die unbekannte Welt hinter jener Mauer — voll lauter Frauen. Aber eines ſchönen Tages ſteigen bei Gelegenheit einer Jagd zwei Offiziere in ihren bunten Röcken über die Gartenmauer — ſehen die jungen Mädchen und verlieben ſich natürlich ſterblich in ſie. Entſetzt fliehen die Fräulein vor dieſen unbe¬ kannten Raubthieren — — bis die Offiziere ſich ihnen als zwei — Papageien vorſtellen. Zum Glück haben die Dämchen in der Naturgeſchichte gelernt, daß Papageien ganz unſchuldige Vögel ſind und oft recht ergötzlich zu plappern verſtehen. Das giebt ihnen Muth, ſich den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/242
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/242>, abgerufen am 22.11.2024.