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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Zug einer religiösen Stimmung nicht außer Acht
und sprach das Gebet vor Schlafengehen, das an¬
dere Darstellerinnen in falsch verstandener Auffassung
dieses Charakters fortlassen, mit jener echten Natur¬
einfalt des Gemüths, die bei Rollen dieser Art so
leicht in Coquetterie umzuschlagen pflegt. So hob
sie auch ihres Vaters Rang als Altbürger von Ulm
gegen den Ritter ganz besonders hervor, und gab
der Walpurgis dadurch jene Beimischung von mittel¬
alterlich-bürgerlichem Stolz, der diese Figur von
aller modernen Naivetät abscheidet.

Als Margarethe (in den Hagestolzen) war sie
eine Erscheinung, wie sie alte niederländische Maler
in ihren Bildern eines idyllischen Friedens so gern
zeichneten.

Ihr Käthchen von Heilbronn war von ganz
besonderem poetischen Verdienst. Diesen mittel¬
alterlichen Charakter sieht man oft mit einer Sen¬
timentalität versetzt, die ihn völlig vernichtet. Weil
das Mittelalter schwärmte, glaubt man, es sei auch
sentimental gewesen.

Heinrich von Kleist war ein zu tiefer Poet, um so
fehlzugreifen. In dem Unbewußten, in dem Räthsel¬
haften des innern Dranges liegt die Romantik des

Zug einer religiöſen Stimmung nicht außer Acht
und ſprach das Gebet vor Schlafengehen, das an¬
dere Darſtellerinnen in falſch verſtandener Auffaſſung
dieſes Charakters fortlaſſen, mit jener echten Natur¬
einfalt des Gemüths, die bei Rollen dieſer Art ſo
leicht in Coquetterie umzuſchlagen pflegt. So hob
ſie auch ihres Vaters Rang als Altbürger von Ulm
gegen den Ritter ganz beſonders hervor, und gab
der Walpurgis dadurch jene Beimiſchung von mittel¬
alterlich-bürgerlichem Stolz, der dieſe Figur von
aller modernen Naivetät abſcheidet.

Als Margarethe (in den Hageſtolzen) war ſie
eine Erſcheinung, wie ſie alte niederländiſche Maler
in ihren Bildern eines idylliſchen Friedens ſo gern
zeichneten.

Ihr Käthchen von Heilbronn war von ganz
beſonderem poetiſchen Verdienſt. Dieſen mittel¬
alterlichen Charakter ſieht man oft mit einer Sen¬
timentalität verſetzt, die ihn völlig vernichtet. Weil
das Mittelalter ſchwärmte, glaubt man, es ſei auch
ſentimental geweſen.

Heinrich von Kleiſt war ein zu tiefer Poet, um ſo
fehlzugreifen. In dem Unbewußten, in dem Räthſel¬
haften des innern Dranges liegt die Romantik des

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[XIV/0026] Zug einer religiöſen Stimmung nicht außer Acht und ſprach das Gebet vor Schlafengehen, das an¬ dere Darſtellerinnen in falſch verſtandener Auffaſſung dieſes Charakters fortlaſſen, mit jener echten Natur¬ einfalt des Gemüths, die bei Rollen dieſer Art ſo leicht in Coquetterie umzuſchlagen pflegt. So hob ſie auch ihres Vaters Rang als Altbürger von Ulm gegen den Ritter ganz beſonders hervor, und gab der Walpurgis dadurch jene Beimiſchung von mittel¬ alterlich-bürgerlichem Stolz, der dieſe Figur von aller modernen Naivetät abſcheidet. Als Margarethe (in den Hageſtolzen) war ſie eine Erſcheinung, wie ſie alte niederländiſche Maler in ihren Bildern eines idylliſchen Friedens ſo gern zeichneten. Ihr Käthchen von Heilbronn war von ganz beſonderem poetiſchen Verdienſt. Dieſen mittel¬ alterlichen Charakter ſieht man oft mit einer Sen¬ timentalität verſetzt, die ihn völlig vernichtet. Weil das Mittelalter ſchwärmte, glaubt man, es ſei auch ſentimental geweſen. Heinrich von Kleiſt war ein zu tiefer Poet, um ſo fehlzugreifen. In dem Unbewußten, in dem Räthſel¬ haften des innern Dranges liegt die Romantik des

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. XIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/26>, abgerufen am 21.11.2024.